Mit fragwürdigen Wahlempfehlungen und protektionistischer und antiliberaler Politik sorgen die Schweizer Wirtschaftsverbände für Unverständnis. So unterstützen sie Kandidaten, die durch ihre Ablehnung der Personenfreizügigkeit die erfolgreichen Bilateralen Verträge gefährden und auch sonst eine wenig wirtschaftsfreundliche Politik betreiben. Das Beispiel des Kantons Bern zeigt wie widersprüchlich die Wirtschaftsverbände argumentieren.
Im Kanton Bern unterstützen die sechs grossen Wirtschaftsverbände (Berner KMU, Handels- und Industrieverein HIV, Arbeitgeberverband, Hauseigentümerverband, Gastrobern und Lobag) bei den Ständeratswahlen die Kandidaten von BDP (Werner Luginbühl) und SVP (Adrian Amstutz), nicht aber Christian Wasserfallen, den Kandidaten der FDP. Insbesondere die Unterstützung für Amstutz, einen der massivsten Gegner der Personenfreizügigkeit, sorgt für Kopfschütteln.
Berner KMU: Eigenes Rating nicht beachtet
Der Dachverband der kleinen und mittleren Unternehmen im Kanton Bern hat eigens ein (allerdings sehr fragwürdiges) Rating aufgestellt, das zeigen soll, wie KMU-freundlich die Nationalratskandidaten sind. Bei diesem Rating schneidet FDP-National- und Ständeratskandidat Wasserfallen klar besser (Rang 13) ab als Adrian Amstutz (Rang 22 von 61), der ebenfalls für National- und Ständerat kandidiert. Trotzdem unterstützt Berner KMU Amstutz und nicht Wasserfallen.
An erster Stelle des Ratings von Berner KMU steht Andreas Blank, Notar und Verwaltungsrat bei den Zuckerfabriken Aarberg/Frauenfeld. Jetzt müsste man meinen, dass jemand der an der Spitze eines solchen Ratings steht ein wirtschaftsliberale, auf Eigenverantwortung basierende Poltitik betreibt und sicherlich keine planwirtschaftlichen Eingriffe beführwortet. Wer sich dann aber das smartvote-Profil von Blank anschaut, wird eines Besseren belehrt. Blank setzt insbesonder im Gesundheitswesen alles andere als auf Eigenverantwortung. Er spricht sich für die radikale 0,2%-Initiative von ECOPOP aus, die fatale Folgen für die Schweizer Wirtschaft hätte und er unterstützt die Wiedereinführung von PlanwirtschaftDie zentrale Planwirtschaft (auch Zentralverwaltungswirtscha... beim Milchmarkt.
HIV: Unterstützung von Verbands- und Parteifunktionären von SVP und FDP
Nicht weniger widersprüchlich ist die Vorgehensweise des Handels- und Industrievereins (HIV), der Berner Handelskammer. Sie verweist auf ihrer Homepage richtigerweise auf eine Studie, die belegt, dass die SVP-Initiative „Gegen Masseneinwanderung“ nicht mit den Bilateralen Verträgen vereinbar sei, diese gefährde und der Schweizer Wirtschaft damit enormen Schaden zufügen könnte. Trotzdem unterstützt der HIV Ständeratskandidat Amstutz und zahlreiche SVP- und EDU-Nationalratskandidaten, die ebenfalls das erfolgreiche Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU bekämpfen.
Weiter könnte man meinen, dass eine Handelskammer vor allem erfolgreiche Unternehmer unterstützt. Zwar sind unter den Kandidaten, die der HIV unterstützt auch ein paar erfolgreiche Unternehmer dabei. So beispielsweise Kurt Schär, den Geschäftsführer von FLYER, der für die Grünliberalen kandidiert. Ein Grossteil der empfohlenen Kandidaten hat aber mit Wirtschaft und Unternehmertum wenig am Hut. So z.B. SVP-Kandidat Lars Guggisberg, gelernter Jurist und Staatsbeamter, der wohl einzig und allein als Parteifunktionär auf diese Liste gelangt ist. Oder Albert Rösti, Verbandsfunktionär bei den Schweizer Milchproduzentenverband, ist ein weiteres Beispiel. Das gleiche gilt für den Bankangestellten Thomas Fuchs oder den Lastwagenchauffeur Erich Hess. Auch sie sind keine Unternehmer.
Protektionistische Politik der Wirtschaftsverbände
Bei Ökonomen sorgte vor Kurzem die Forderung der Wirtschaftsverbände, Schweizer Unternehmen müssten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bevorteilt werden, für Kopfschütteln. Ein typisches Beispiel für die protektionistische und antiliberale Politik der Wirtschaftsverbände, die zuwenig langfristig und nachhaltig ausgerichtet ist und zuwenig das Interesse der gesamten VolkswirtschaftAls Volkswirtschaft bezeichnet man einen [[Wirtschaftsraum]]... im Auge hat. Eine solche Bevorzugung würde zwar kurzfristig einzelnen Unternehmen oder einzelnen Branchen nützen, langfristig aber der Schweizer VolkswirtschaftAls Volkswirtschaft bezeichnet man einen [[Wirtschaftsraum]]... schaden, z.B. weil Steuererhöhungen eine logische Konsequenz dieser Massnahme wären.
Weiter ist es äusserst bedenklich, dass die Wirtschaftsverbände eines Landes, das derart stark vom internationalen Handel (vor allem Europa) abhängig ist wie die Schweiz, eine derart protektionistische und europakritische Poltik betreibt. Dies ist mit ein Grund weshalb das Wirtschaftswachstum in der Schweiz in den letzten 18 Jahren derart viel tiefer war als in der EU.
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Kommentare anzeigen Hide commentsDas ach-so-tolle “Wachstum” in der EU seit 1993 kann ich Ihnen schon erklären: Die Mauer fiel 1989, und seither wachsen die ehemaligen Ostblockstaaten von einem sehr tiefen Niveau, also stark. Die West-EU-Staaten, v.a. Westdeutschland, konnten dadurch ihre Exporte massiv erhöhen, schliesslich brauchen die vielen Ossis jetzt Autos, Kühlschränke, TV-Geräte etc. Aber wer bezahlt die Zeche dafür? Die Mittelschicht im Westen! (Solidarzuschlag, etc.) Dafür werden die EU-Reichen noch reicher…
Ihre “Wachstums-Nr.1” Irland wurde massiv mit hohen EU-Subventionen aufgebaut! (Pro Kopf höhere Subventionen als Spanien!) Wie “marktwirtschaftlich” ist das denn?
Die Schweiz hingegen war schon vorher auf höchstem Niveau, da bleibt halt wenig Platz für weiteres Wachstum. Und die hohen CH-Preise können die Ossis kaum bezahlen. Daran würde aber ein EU-Beitritt auch nicht viel ändern, dafür würde er unser Niveau nach unten drücken! (Harmonisierung, EU-Nettozahlungen!)
Was hat das mit dem Thema zu tun, Herr Reuss?
Herr Reuss,
Sie sind hier zwar beim falschen Thema, trotzdem hier meine Antwort:
Sie haben die win-win-Situation des EU-Binnenmarkts in ihrem ersten Absatz richtig beschrieben. Das bringt eben Vorteile für beiden Seiten. Wieso soll hier die Schweiz nicht mitmachen?!
Sie vergessen aber, dass eben auch Staaten, die bereits vorher auf hohem Niveau waren wie Luxembourg, Schweden oder Finnland, das wesentlich höhere Wachstum hatten als die Schweiz! Ihr Argument zieht also nicht!
Das Thema ist: Auswirkungen des EU-Beitritts im Hinblick aufs Wirtschaftswachstum. Dazu habe ich geschrieben…
Ihr Begriff “win-win-Situation” trifft aber nur zu, wenn man nur einige wenige Gewinn(l)er des Beitritts berücksichtigt. Gesamtgesellschaftlich ist der Beitritt hingegen eine “win-lose-Situation”, wobei die Verlierer die Mehrheit sind, gerade in der Schweiz.
Was Schweden betrifft, so muss man halt unterscheiden zwischen dem (BIP-)Wachstum und Verbesserungen/Vorteilen für die Bürger. Wenn z.B. durch den Beitritt der Alkoholkonsum überhand nimmt, dann steigt dadurch zwar das BIP (wie auch durch Unfälle und Verbrechen), aber gut für die Gesellschaft ist es nicht.
Zu win-lose und BIP vs. Vorteile/Nachteile hier mal ein konkretes Beispiel “vor der Nase”: Wenn wegen der PFZ ein neuer Wohnblock “von Portugiesen für Portugiesen” gebaut wird — an einer Lage, an der kein Schweizer wohnen will (frühere Industriehalle direkt an Umfahrungsstrasse) –, und dafür sogar ein altes Waldstück gerodet wird, welches bisher das ganze Quartier vor dem Verkehrslärm der Umfahrungsstrasse geschützt hatte, dann gewinnen dadurch wohl ein paar Portugiesen, der Bodenspekulant/Vermieter und ein paar Architekten und Baufirmen — aber die bisherigen Anwohner werden ein Jahr lang mit grossem Baulärm, Staub- und Abgasemissionen etc. geplagt, und “bis an ihr Lebensende” durch den Verkehrslärm. Der Bau und dann die Vermietung erhöhen wohl das BIP, ebenso wie wenn Anwohner durch den Lärm herzkrank werden oder eine Herzoperation brauchen — aber ausser für ein paar Profiteure überwiegen die Nachteile bei Weitem!
Dasselbe gilt für Schengen-Kriminalität, 40Tönner-Lawine, ALDI-Invasion, PFZ-Prostitution, Lohndrückerei, Cassis de Dijon, etc. etc. — EU-“Vorteile”, die wir sogar schon ohne Beitritt “geniessen”, wegen der Salamitaktik Ihresgleichen.
Wenn Sie zu den Profiteuren gehören, dann sind Sie natürlich dafür — aber wie sozial, verantwortungsvoll und ehrlich ist es, auch den Verlierern den Beitritt als Vorteil anzudrehen?
Falsch, Herr Reuss
Das Thema hier sind die Schweizer Wirtschaftsverbände.
> Das Thema hier sind die Schweizer Wirtschaftsverbände.
Sehr witzig… Das Thema ist, dass Sie denen eine falsche Politik im Hinblick auf die EU vorwerfen. Diese Kritik basiert aber auf falschen Annahmen, insbesondere dass der EU-Beitritt der Schweiz nützen würde.
Und natürlich gehen Sie überhaupt nicht ein auf mein praktisches Beispiel zu win-lose.