“Kenner des Arbeitsmarktes weisen darauf hin, dass bisher erst die kleineren Steine aus dem Gefüge gefallen seien, KMU und Temporärarbeitsvermittler seien beim Stellenabbau vorangegangen. Die grossen Brocken aber kämen erst noch dran, zahlreiche gewichtige Unternehmen seien am Planen von Stellenreduktionen, die im dritten und vierten Quartal zur Umsetzung kämen. Unter grossem Druck stünden Reiseunternehmen und die Luftfahrtbranche samt Zulieferbetrieben, des Weiteren die Autoindustrie mit ihren vielfältigen Lieferketten, aber auch die Anbieter von Luxusgütern – nach August werde man die Erschütterungen zu spüren bekommen. Am Schluss wird sich zeigen, in welchem Ausmass die Kurzarbeit schliesslich in Arbeitslosigkeit mündet. Um dieses Resultat günstig zu beeinflussen, hat der Bundesrat soeben den Zeitrahmen gedehnt und die maximale Frist für Kurzarbeit von zwölf auf achtzehn Monate verlängert.
Kurzarbeit wurde bisher immer als Patentrezept gelobt, als automatischer Stabilisator des Wirtschaftsgangs, als Puffer, der es in Flauten erlaube, vorübergehend unterbeschäftigte Mitarbeiter in der Firma zu behalten, damit diese bei einsetzendem Aufschwung sofort wieder voll mitziehen könnten. Aber Kurzarbeit hat offensichtlich auch eine böse Kehrseite: Sie ermöglicht es, eine Weile lang ernsthafte Beschäftigungsprobleme zu übertünchen. Grosse Unternehmen haben nun offenbar Kündigungen hinausgezögert und die Überkapazitäten mit Hilfe der Kurzarbeit verschleiert. Das kann aus Prestigegründen geschehen sein, denkbar ist aber auch, dass aus Rücksicht auf Abstimmungen und politische Entscheidungen substanzielle Stellenreduktionen in den Herbst hinein verschoben wurden.“(Beat Gygi in Weltwoche 29/2020, 15. Juli 2020)
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