Volksabstimmung vom 24. November 2024

Die Revision des Bundesgesetzes über Krankenversicherung (KCG) hat eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) zum Ziel. Sie sieht vor, dass sich Kantone und Krankenkassen zu gleichen Anteilen an der Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen beteiligen. Dies soll ambulante Behandlungen gegenüber stationären fördern. Gegen die im Dezember 2023 beschlossene Revision wurde das Referendum ergriffen.

Ausgangslage

In der Schweiz werden prozentual deutlich weniger Behandlungen ambulant durchgeführt als in den meisten europäischen Ländern. Diese wären jedoch grundsätzlich günstiger als stationäre Leistungen. Zurzeit werden stationäre und ambulante Behandlungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterschiedlich finanziert. Während ambulante Leistungen vollumfänglich von den Krankenkassen und damit den Prämienzahlenden finanziert werden, übernehmen die Kantone bis zu 55 % der Kosten bei stationären Behandlungen. Dies führt dazu, dass Krankenkassen heute einen finanziellen Anreiz an stationären Behandlungen haben, da die Kantone einen Anteil der anfallenden Kosten tragen, und könnte daher zu einer Überversorgung im stationären Bereich führen. Neu soll der Anteil der Krankenkassen und Kantone bei ambulanten, stationären und Pflegekosten derselbe sein. Die Krankenkassen sollen maximal 73.1 % aller Kosten tragen und die Kantone mindestens 26.9 %. Die Befürworter und Gegner schätzen die Auswirkungen dieser Anpassung unterschiedlich ein. Während für die Befürworter der Wegfall dieser Fehlanreize zu weniger stationären Behandlungen und dadurch zu geringeren Kosten führt, schätzen die Gegner der Revision die Auswirkungen einer angepassten Kostenaufteilung als geringer ein. Für sie liegt der Entscheid über die Behandlungsform vor allem bei den Ärzt:innen und nicht bei den Krankenkassen. 

Die Befürworter der Revision sehen Einsparmöglichkeiten von bis zu 440 Millionen Franken jährlich durch die potenzielle Verlagerung zu den grundsätzlich günstigeren ambulanten Behandlungen. Das Referendumskomitee rechnet mit einem Prämienanstieg aufgrund der Reduktion des kantonalen Beitrags an stationären Behandlungen.

Auch soll mit der Revision ein neues Tarifsystem für Pflegeleistungen im Pflegeheim und zu Hause eingeführt werden. Während heute die Patient:innen und Krankenkassen feste Beiträge bezahlen, sollen in Zukunft die Leistungserbringer die Tarife mit den Krankenkassen vereinbaren.

Argumente der Befürworter

Die Befürworter sehen mit der EFAS die Koordination in der Patientenversorgung gestärkt, da die finanziellen Interessen durch den fixen Verteilschlüssel in den Hintergrund rücken sollen. Dadurch soll ausschliesslich die optimale Behandlung im Fokus stehen. Sie verweisen ebenfalls auf eine mögliche Entlastung des Pflegepersonals durch den erwarteten Rückgang von stationären Behandlungen. Weiter soll die Revision zur Transparenz beitragen, da zukünftig alle Gesundheitsleistungen mit dem gleichen Schlüssel finanziert werden. Die Befürworter weisen darauf hin, dass die Vorlage breit abgestützt ist, da zahlreiche Gesundheitsorganisationen hinter der Revision stehen.

Argumente der Gegner

Für die Gegner der Initiative ist die EFAS das Resultat einer Lobby-Offensive der Krankenkassen und privater Investorengruppen. Sie betonen, dass mit der Revision ein Kontrollverlust der Kantone zuhanden der Krankenkassen stattfinden soll, da eine Begleitstudie der Reform festhält, dass die Kassen «den Behandlungspfad über Kostengutsprachen stärker steuern» sollen. Ebenfalls erwähnen sie, dass laut Santésuisse, dem grössten Krankenkassenverband, die EFAS «das grundlegende Problem der übermässig steigenden Gesundheitskosten nicht löse». Die Gegner warnen vor einem Rückzug der Kantone und einem damit verbundenen Vorstoss von privaten gewinnorientierten Akteuren.


Hier gibts den Artikel als pdf: https://vimentis.ch/wp-content/uploads/2025/07/Finanzierung-Gesundheitsleistungen_Vimentis.pdf

Quellen

Bundesamt für Gesundheit (2024). Volksabstimmung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen). Gefunden am 10. Oktober 2024 unter https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/abstimmungen/volksabstimmung-einheitliche-finanzierung-der-leistungen.html

Bundeskanzlei (2024). Erläuterungen des Bundesrates – Volksabstimmung vom 24. November 2024. Gefunden am 10. Oktober 2024 unter https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20241124/finanzierung-gesundheitsleistungen.html

Komitee «Stop-EFAS» (2024). Argumentarium – Gemeinsam für die Gesundheitsversorgung. Gefunden am 10. Oktober 2024 unter https://stop-efas.ch/campa/stop-efas/#unsere-argumente

Komitee «Ja zur einheitlichen Finanzierung» (2024). Argumentarium – Kosten senken Versorgung stärken. Gefunden am 10. Oktober 2024 unter https://einheitliche-finanzierung.ch

 

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Einheitliche Finanzierung der Gesundheitsleistungen
  • Juli 12, 2025

    Da die Kantone als Besitzer der öffentlichen Spitäler und die Privatspitäler ein ökonomisches Interesse an einer guten Spitalbelegung haben, und die Kantone gemäss EFAS nur noch 26,9% – statt den bisherigen 55% – der Kosten übernehmen müssten, käme es nicht zur erwünschten Verlagerung von einer stationären zu einer ambulanten Behandlung.

    Zusätzlich käme es mit EFAS zu vermehrten (unnötigen) Hausarztbesuchen, weil die Kantone rund einen Viertel der ambulanten Kosten übernehmen würden.

    Auch bei der Langzeitpflege entlasten sich die Kantone auf Kosten der Selbstzahlenden und der Krankenkassen. Diese Kosten werden wegen der Überalterung der Gesellschaft in Zukunft noch ansteigen.

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