Biodiversitätsinitiative (Abstimmungsresultate 22. September 2024)
Ja
37%

Volksabstimmung vom 22. September 2024

Sowohl in der Schweiz als auch weltweit geht die Biodiversität klar zurück. Wegen menschlicher Aktivitäten sterben zehn bis hundert Mal mehr Arten aus. Die Initiative will die Biodiversität fördern und stärker schützen. Konkret sollen Bund und Kantone mehr Schutzflächen schaffen und mehr Geld für den Schutz der Biodiversität investieren. Zusätzlich sollen besonders schützenswerte Naturräume sowie wertvolle Landschaften und baukulturelle Objekte von nationaler Bedeutung in Inventaren des Bundes stärker geschützt werden.

Ausgangslage

Biodiversität bezeichnet die Vielfalt des Lebens. Es gibt drei Ebenen der Biodiversität:

  • Artenvielfalt: Bakterien, Pilze, Gämse, Wildbienen, Edelweiss…
  • Lebensraumsvielfalt: Wiesen, Wälder, Seen, Flüsse, Moore…
  • Genetische Vielfalt: Unterschiedlichkeit der Individuen einer Art

Entstanden ist die Biodiversität in mehr als 3,5 Milliarden Jahren natürlicher Evolution.

Die Biodiversität geht insgesamt klar zurück. Weltweit sind mehr als 44’000 Arten bedroht. Lebensräume werden demzufolge monotoner. In der Schweiz sind zudem fast die Hälfte aller Lebensraumtypen gefährdet. Punktuell nehmen die Populationen gewisser Arten auch zu. Aufwärtstrends in einzelnen Arten bedeutet allerdings keine allgemeine Trendwende.

Auch wertvolle Ortsbilder und Landschaften sind unter Druck. Bund und Kantone haben deshalb Massnahmen eingeleitet. Der Bund verfolgt seit 2012 eine Biodiversitätsstrategie. Es folgten in den letzten Jahrzehnten Investitionen in die Pflege und Sanierung von Mooren und weiteren Schutzgebieten sowie Massnahmen in der Landwirtschaft und im Wald. Dafür gibt der Bund für die Biodiversität jährlich rund 600 Millionen Franken aus.

Der Bund führt zudem eine Inventarliste zum Schutz der wertvollsten Naturräume, Landschaften und Ortsbilder. Biotopen diesen Inventaren geniessen einen erhöhten Schutz: Bauen und die Umnutzung bestehender Gebäude sind nur stark eingeschränkt möglich. Rund ein Viertel der Landfläche ist von einem Inventar für die Natur oder Landschaft erfasst; dazu kommen ein Fünftel der Ortsbilder.

Die Initiative

Die Initiative fordert, dass Bund und Kantone mehr Schutzflächen schaffen und diese in die Inventare aufnehmen. Zudem soll mehr Geld in die Biodiversität investiert werden – es ist von mehr als 400 Millionen Franken auszugehen.

Zudem sollen Objekte im Inventar des Bundes stärker geschützt werden. Kantone und Gemeinden müssten bei Bewilligungen von Bauten stärker Rücksicht nehmen auf den Schutz des Landschafts- und des Ortsbildes.

Darüber hinaus soll der Kerngehalt, d.h. die prägenden Elemente, der Schutzobjekte in den Inventaren ungeschmälert erhalten bleiben. Das bedeutet, dass z.B. für den Bau einer neuen Zuglinie eine Trockenwiese nicht aufgehoben werden könnte, selbst wenn sie an einem anderen Ort neu angelegt würde. Auch Gebiete ausserhalb der Schutzobjekte sollen geschont werden.

Argumente der Befürworter

Das Initiativkomitee betont, dass die Natur in der Schweiz stark bedroht sei: Ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten sei gefährdet, viele Lebensräume gingen durch Verbauung und intensive Nutzung verloren. Die Initiative würde Bund und Kantone verpflichten, mehr für den Schutz der Biodiversität zu tun, um die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu sichern.

Natürliche Vielfalt sei essenziell für sauberes Wasser, gesunde Nahrung und fruchtbare Böden. Die Initiative fordere gezielte Maßnahmen und ausreichende finanzielle Mittel, um Natur und Landschaft besser zu schützen – auch außerhalb von Schutzgebieten. Der Schutz der Biodiversität stehe nicht im Widerspruch zu Landwirtschaft oder Energieversorgung, sondern könne diese sogar unterstützen.

Zusätzlich helfe eine intakte Natur beim Klimaschutz, da Wälder und Moore CO2 speichern. Eine vielfältige Landschaft fördere auch das Wohlbefinden und sei touristisch attraktiv. Experten seien sich einig, dass entschlossenes Handeln nötig sei, um die Natur langfristig zu erhalten.

Argumente der Gegner

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, da sie den Handlungsspielraum von Bund und Kantonen zu stark einschränken würde. Sie betonen, dass bereits viele erfolgreiche Massnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft getroffen wurden. Diese zeigten erste Erfolge, wie die Rückkehr einst ausgestorbener Tierarten.

Zusätzliche Vorgaben, wie etwa höhere Anforderung an Neubauten in geschützten Gebieten, erschwerten die Verdichtung bestehender Siedlungen. Auch erhöhe die Initiative die Hürden für den Bau wichtiger Infrastrukturen wie Bahnstrecken, Strassen und Stromleitungen. Auch die Landwirtschaft könne durch den Schutz zusätzlicher Flächen eingeschränkt werden, obwohl sie bereits heute viel für den Erhalt der Biodiversität tue. Zudem könnte auch der Ausbau erneuerbarer Energien beeinträchtigt werden, was die Versorgungssicherheit gefährden könnte.

Die Gegner weisen ausserdem auf hohe Kosten hin: Über 400 Millionen Franken pro Jahr wären nötig, was zu Einsparungen in anderen Bereichen führen könnte.


Hier gibts den Artikel als pdf: Biodiversitätsinitiative

Quellen

Allianz gegen die extreme Biodiversitätsinitiative (2024). Argumentarium: Nein zur extremen Biodiversitätsinitiative. Gefunden am 15. September 2024 unter https://biodiversitaetsinitiative-nein.ch/media/attachments/2024/01/31/240120_argumentarium-bdi-gesamtwirtschaft-d.pdf

Biodiversitätsinitiative (2024). Biodiversitätsinitiative: Argumentarium. Gefunden am 12. September 2024 unter https://www.biodiversitaetsinitiative.ch/media/files/2024/07/DE_Argumentarium_Biodiversitatsinitiative_29.07.2024.pdf

Bundesrat (2024). Erläuterungen des Bundesrates – Volksabstimmung vom 22. September 2024. Gefunden am 12. September 2024 unter https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20240922.html

Jans, K. (2024). Natur schützen, Zukunft sichern: Warum die Biodiversitätsinitiative wichtig ist. Gefunden am 15. September 2024 unter https://www.zugerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/kolumne-zuger-ansichten-natur-schuetzen-zukunft-sichern-warum-die-biodiversitaetsinitiative-wichtig-ist-ld.2659425

SRF (2024). Die Biodiversitäts-Initiative in Kürze. Gefunden am 12. September 2024 unter https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen-22-september-24/biodiversitaets-initiative/auf-einen-blick-die-biodiversitaets-initiative-in-kuerze

Troxler, I. (2024). Brisantes im Kleingedruckten: Der Text der Biodiversitätsinitiative wirkt beim ersten Lesen zahm – doch dahinter verstecken sich massive Eingriffe. Gefunden am 15. September 2024 unter https://www.nzz.ch/schweiz/die-biodiversitaetsinitiative-betrifft-nicht-nur-bienen-und-seltene-lebensraeume-ld.1844101

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  • Januar 10, 2025

    Klimakrise, Artensterben, Verschmutzung von Wasser und Böden – die Art, wie wir wirtschaften, zerstört die Lebensgrundlagen und den Wohlstand von uns und von künftigen Generationen. Deshalb braucht es am 9. Februar ein JA zur Umweltverantwortungsinitiative. Diese fordert, dass unsere Wirtschaft nicht mehr Ressourcen verbrauchen soll, als unsere Umwelt verkraften kann. Die Kosten für Umweltschäden sollen von den Verursachern getragen und nicht länger von der Allgemeinheit übernommen werden.

    Hier mehr über die Umweltverantwortungsinitiative erfahren
    Unsere Gründe für ein JA:

    Die Zeit drängt: Die Klimakrise führt dazu, dass Überschwemmungen, Waldbrände und Dürren weiter zunehmen. Je länger wir warten, desto mehr Leid und Kosten verursachen Umweltkatastrophen.
    Für eine nachhaltige Wirtschaft: Mit der Umweltverantwortungsinitiative schaffen wir ein Wirtschaftssystem, das nicht auf Kosten zukünftiger Generationen lebt, sondern im Einklang mit der Umwelt steht. Nicht mehr die Allgemeinheit soll für Schäden an der Umwelt bezahlen, sondern jene, welche sie zerstören. Die Investitionen für den ökologischen Umbau der Wirtschaft kommen uns allen zugute und sichern unseren Wohlstand.
    Mehr Gerechtigkeit: Unsere natürlichen Lebensgrundlagen gehören allen Menschen. Reiche Länder wie die Schweiz sind heute die Hauptverantwortlichen für die Klimakrise. Doch die Leidtragenden sind vor allem Länder und Menschen im globalen Süden. Auch globale Gerechtigkeitsüberlegungen führen zu einem klaren Ja zur Umweltverantwortungsinitiative.

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