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Pacta sunt servanda – Die Schweiz braucht das Völkerrecht

Verträge sind zu hal­ten. Die­ser fun­da­men­tale Rechts­grund­satz prägt die Kul­tur und das Den­ken in Eu­ropa schon seit über 1000 Jah­ren. Die Idee da­hin­ter ist ein­fach: Wer sich ver­trag­lich zu einen Tun oder Un­ter­las­sen ver­pflich­tet, der soll an sein Ver­spre­chen ge­bun­den blei­ben. Die­ser Grund­satz ist so tief in un­se­rer Kul­tur und un­se­rem Den­ken ver­an­kert, dass er nicht nur auf pri­vat­recht­li­cher​ Ebe­ne, son­dern auch auf völkerrechtlicher Ebene gilt. 

Nutzen des Völkerrechts  

Das​ Völkerrecht regelt die zwischenstaatlichen Beziehungen und erleichtert die internationale Zusammenarbeit. Erst durch die verbindlichen Regeln, welche das Völkerrecht schafft, werden die Beziehungen zwischen den Staaten berechenbar. Das Völkerrecht ist somit die Grundlage für Frieden, Stabilität und den Schutz der Menschen. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und der Vernetzung und Abhängigkeit der einzelnen Staaten wird es in Zukunft immer wichtiger werden.

Völkerrech​t in der Schweiz

Für den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages sind in der Schweiz die eidgenössischen Räte verantwortlich, wobei dem Volk unter den Voraussetzungen von Art. 141 BV das fakultative und unter den Voraussetzungen von Art. 140 BV das obligatorische Referendum zusteht. Wird kein Referendum gegen einen Staatsvertrag ergriffen, so stimmt also auch das Schweizerische Volk diesen Verträgen zumindest indirekt zu. Es kann also festgehalten werden, dass alle Völkerrechtlichen Verträge, welche die Schweiz eingegangen ist, einen demokratischen Prozess durchlaufen haben und von der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung getragen wird.

Die Schweiz hat in unzähligen Bereichen mit den verschiedensten Staaten völkerrechtliche Verträge abgeschlossen. Einen Überblick findet sich unter folgendem Link: http://www.eda.admin.​ch/eda/de/home/topics​/intla/intrea/dbstv/i​ndex_t.html

Solche​ Verträge werden grundsätzlich nur abgeschlossen, wenn sie im Interesse unseres Landes sind. Die Schweizer Wirtschaft verdient jeden zweiten Franken im Ausland und ist daher auf eine stabile Rechtsordnung angewiesen. Aber auch ausserhalb unserer finanziellen Interessen ist das Völkerrecht für die Schweiz von fundamentaler Bedeutung. So wäre unser Stromnetz etwa ohne internationale Zusammenarbeit nicht aufrecht zu erhalten. Aber auch im Bereich der Umwelt, des Verkehrs und der Telekommunikation sind wir auf internationale Verträge angewiesen.

Die Schweiz fördert das Völkerrecht

Die Förderung des Völkerrechts ist eine Konstante der Schweizer Aussenpolitik. Das humanitäre Völkerrecht nahm mit Henri Dunant in der Schweiz seinen Anfang. Mit den Genfer Konventionen wurde das humanitäre Völkerrecht zu einem Grundstein im Schweizerischen Selbstverständnis. Die Schweiz ist aber nicht nur bei dieser wichtigen Konvention die Ehre des Depositarstaats zu, sondern auch noch in über 70 anderen Verträgen.

Die Initiative der SVP

Die SVP legte nun den Entwurf zu einer Initiative vor, welche die Stellung des Völkerrechts in der Schweiz grundlegend schwächen wird. Sie will einen Vorrang des Verfassungsrechts vor Völkerrecht festlegen. Dieser Vorrang soll bewirken, dass im Falle eines Widerspruchs zwischen Bundesverfassung und einem völkerrechtlichen Vertrag, die völkerrechtliche Verpflichtung angepasst und notfalls gekündigt werden muss.

Die Schweiz würde zum Vertragsbrecher

Ei​n solcher Verfassungsartikel würde den Stand der Schweiz in der internationalen Gemeinschaft deutlich verschlechtern. Neue Vertragsverhandlungen​ würden immer unter dem Vorzeichen geführt werden, dass sich die Schweiz – per verfassungsrechtliche​m Prinzip – nicht zur Einhaltung eines Vertrages verpflichtet fühlt.

 Würden Sie einen Vertrag abschliessen, wenn der Vertragspartner von Anfang an kundtut, dass er sich nicht an diesen Vertrag gebunden fühlt? Ein solcher Vertragspartner verliert jegliche Glaubwürdigkeit und manövriert sich ins Abseits.

 Die SVP wendet sich gegen das Schweizer Erfolgsmodell

 Wie​ bereits erwähnt hat das Völkerrecht hat in der Schweiz eine hohe Tradition und geniesst für sein internationales Engagement ein gewissen Ansehen. Dies war in den letzten 100 Jahren ein Teil des Schweizerischen Erfolgsmodells. Die Schweiz wird international als stabil und vertrauenswürdig. Dies ist nicht nur ein wichtiger Standortvorteil sondern ermöglicht auch eine starke Position bei Vertragsverhandlungen​. Wenn die Schweiz aber in ihrer Verfassung erklärt, völkerrechtliche Verpflichtungen unter ihr Verfassungsrecht zu stellen, dann wird die aussenpolitische Stabilität unseres Landes stark leiden. Somit wird das “Erfolgsmodell Schweiz” gefährdet.

Die EMRK im Besonderen

Die Initiative der SVP richtet sich im Besonderen gegen die Europäische Menschenrechtskonvent​ion. Gewisse Verfassungsnormen der Schweizerischen Bundesverfassung könnten im Widerspruch zur EMRK stehen (so zum Beispiel das Minarettverbot). Da die EMRK ein mulitlateraler Staatsvertrag ist, kann dieser nicht ohne Weiteres durch eine Vertragspartei abgeändert werden. Folglich müsste die EMRK nach einer Annahme der SVP Initiative gekündigt werden.

Die EMRK schützt die liberalen Freiheitsrechte auch in der Schweiz. Von diesem Schutz profitieren nicht zuletzt wir Schweizer. Ein Verlust dieses Rechtsschutzes wäre deshalb für die Schweiz ein herber Verlust. Heute können wir in der Schweiz über Menschenrechtsverletz​ungen im Grunde nicht klagen (und wenn, dann geschieht das auf hohem Niveau). Aber wie sieht es Morgen aus? Oder in hundert Jahren? Die EMRK bietet Schutz für unserer Rechte. Diese wurden hart erkämpft. Wir sollten dieses Vermächtnis unserer Vorfahren nicht leichtsinnig über Bord werfen.

Eine Kündigung würde aber nicht nur uns Schweizern schaden, sondern auch anderen Menschen in Europa und auf dem gesamten Globus. Europa und nicht zuletzt die Schweiz gelten weltweit als Vordenker und Vorbilder im Bereich der Menschenrechte. Wenn nun ein Land im Herzen von Europa einen völkerrechtlichen Vertrag, der die Menschenrechte garantiert, aufkündigt, so sendet das die komplett falschen Signale an andere Staaten. Durch ihre Mitgliedschaft im Europarat sind auch Länder an den Rändern des Kontinents gezwungen, den Schutz ihrer Einwohner laufend zu verbessern. Zu denken wäre da insbesondere an die Türkei, Aserbeidschan, Russland und Georgien. Die Einwohner dieser Länder sind darauf angewiesen, dass westeuropäische Staaten wie die Schweiz klar für die EMRK und deren Grundrechtsschutz einstehen.

Fazit

Die SVP Initiative steht im Widerspruch zur Schweizerischen Tradition und zu unserem Erfolgsmodell. Sie gefährdet die aussenpolitische Stabilität und damit den Wohlstand unseres Landes. Im Falle einer Kündigung der EMRK wird nicht nur der Grundrechtsschutz von uns Schweizern gefährdet, sondern auch der Grundrechtsschutz von anderen Menschen. Nicht nur die Schweiz braucht die EMRK. Auch die EMRK braucht die Schweiz.

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Comments to: Pacta sunt servanda – Die Schweiz braucht das Völkerrecht
  • August 12, 2014

    “(…) Erst durch die verbindlichen Regeln, welche das Völkerrecht schafft, werden die Beziehungen zwischen den Staaten berechenbar. Das Völkerrecht ist somit die Grundlage für Frieden, Stabilität und den Schutz der Menschen. (…)”

    So ist es, Herr Weingartner.

    Das “Völkerrecht” ist eine überstaatliche Rechtsordnung, durch welche die Beziehungen zwischen allen Staaten auf der Grundlage der Gleichrangigkeit geregelt werden. Wichtigste Rechtsquelle des Völkerrechts ist die “Charta der Vereinigten Nationen” und das darin enthaltende Gewaltverbot, das JEDEM Staat einen Angriffskrieg verbietet.

    Nach:
    http://de.wikipedia​​.org/wiki/Völkerrech​t​

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  • August 12, 2014

    Die SVP will unser Land mit Initiativen gegen Bundesrat und Parlament regieren. Ermöglicht wird ihr dies durch unversiegbare Geldquellen. (Der Bundesrat weigert sich, die Parteienfinanzierung zu regeln und zu kontrollieren, wie es die OECD beschlossen hat.)

    Diese Initiativen sorgen zunehmend (und absichtlich) für Konflikte zwischen Landesrecht und Völkerrecht, und dieses von ihr künstlich geschaffene “Problem” will die SVP nun mit einem neuen Volksbegehren “lösen” – wie denn sonst! Ziel der Initiative ist also der Vorrang unserer Bundesverfassung vor dem Völkerrecht. Den Initiativtext stellte die SVP heute (12. Augusr 2014) in Bern den Medien vor.

    Nach:
    http:/​/www.tagesanzeiger.ch​/schweiz/standard/SVP​-will-Schweizer-Recht​-ueber-Voelkerrecht-s​tellen/story/17856554​

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