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Abstimmung 17.06.2012: Managed-Care-Vorlage

Steigende Kosten im Gesundheitswesen sind ein bekanntes Problem. Der Bundesrat will das Bundesgesetz über die Krankenversicherung ändern, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Das Komitee „Freie Arztwahl für alle“ hat das Referendum gegen die Vorlage ergriffen, weshalb sie zur Abstimmung vors Volk kommt.

Dieser Text beschreibt die aktuelle Gesetzeslage, die geplanten Änderungen sowie allfällige Auswirkungen der Vorlage. Abschliessend werden die wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner präsentiert.

Ausgangslage

Heute hat man in der Grundversicherung eine grosse Wahlfreiheit. Zudem beteiligen sich die Patienten an den Kosten und es gibt einen Risikoausgleich.

Die Wahlfreiheit sieht folgendermassen aus: Man kann seinen Versicherungsanbieter sowie das Versicherungsmodell frei wählen. Zudem kann man auch seinen Arzt oder das Spital (Leistungserbringer) frei wählen. Daneben erlaubt das Gesetz aber bereits Versicherungsmodelle, bei denen diese Wahlfreiheit kleiner ist.

Neben den Prämienzahlungen beteiligen sich die Versicherten an den Kosten, die entstehen. Hierbei kann man zwischen der Franchise und dem Selbstbehalt unterscheiden.

Die Franchise ist der Beitrag, den ein Patient in einem Jahr immer selber zahlen muss. Dies sind mindestens 300 Franken, können aber auch mehr sein.

Sobald der Patient mehr als die Franchise ausgibt, bezahlt er noch einen Selbstbehalt von 10%. Er bezahlt also 1 Franken für alle 10 Franken, die er an weiteren Kosten auslöst. Der Selbstbehalt ist höchstens 700 Franken pro Jahr.

Der Risikoausgleich soll verhindern, dass die Krankenversicherungen nur „gute“ Risiken versichern wollen. Ein gutes Risiko ist eine Person, die wenig Kosten verursacht, also wenig krank ist.

Versichert eine Kasse vor allem kranke oder krankheitsgefährdete Menschen, entstehen für sie hohe Behandlungskosten. Um diese zu decken, müsste sie höhere Prämien verlangen und wäre gegenüber anderen Versicherungen benachteiligt. Um dies zu verhindern, muss nun eine Versicherung mit „guten“ Risiken einen Betrag an die Versicherung mit „schlechten“ Risiken zahlen. Alter, Geschlecht und Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim beeinflussen diesen Betrag.

Was wird geändert?

Die Vorlage betrifft nur die obligatorische Krankenversicherung, die jede in der Schweiz wohnhafte Person abschliessen muss. Bei den Zusatzversicherungen ändert sich nichts.

Es gibt neue Versicherungsformen und der Selbstbehalt hängt von der gewählten Form ab. Die Versicherungsverträge können neuerdings mehr als ein Jahr dauern. Schliesslich müssen die beispielsweise aus Ärzten und Spitälern bestehenden Versorgungsnetze ihre Ausgaben planen und der Bundesrat muss den Risikoausgleich verfeinern.

Der Bundesrat kann verschiedene Versicherungsformen zulassen. Als Alternative zum Standardmodell mit freier Wahl des Leistungserbringers wird im Gesetz konkret die integrierte Versorgung genannt.

Ein integriertes Versorgungsnetz muss sämtliche Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung abdecken. Es ist ein Zusammenschluss aus verschiedenen Leistungserbringern wie Hausärzten, Spezialisten oder Spitälern. In diesem Netz sollen die einzelnen Tätigkeiten und Leistungen besser koordiniert und der gesamte Behandlungsprozess gesteuert werden. Jede Versicherung muss einen Zugang zu einem integrierten Versorgungsnetz anbieten.

Der Selbstbehalt ist nicht mehr einheitlich, sondern vom gewählten Versicherungsmodell abhängig. Versicherte in einem integrierten Versorgungsnetz haben weiterhin einen Selbstbehalt von 10% und profitieren von einem auf 500 CHF gesenkten Maximalbetrag pro Jahr. Ausserhalb eines Versorgungsnetzwerkes gilt ein Selbstbehalt von 15% bis zu einem Maximalbetrag von 1000 CHF. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenstellung der Regelungen zum Selbstbehalt.


Tabelle 1: Kostenbeteiligung

Die neuen Bestimmungen zu den besonderen Versicherungsformen, wie beispielsweise die integrierte Versorgung, ermöglichen auch neue Vertragslaufzeiten. Eine Versicherung darf dafür eine Vertragslaufzeit von bis zu drei Jahren vorsehen. Dies ist aber nur möglich, wenn auch eine normale Laufzeit von einem Jahr angeboten und für einen mehrjährigen Vertrag eine Prämienverbilligung gewährt wird.

Zudem sind die Leistungserbringer in einem integrierten Versorgungsnetz bei der Planung der Ausgaben mitverantwortlich. Versicherung und Versorgungsnetz legen vertraglich einen Maximalbetrag für die Behandlung aller in diesem Netz versicherten Patienten fest. Unterschreitet das Netz diese Kosten, profitiert es. Überschreitet es den Kostenrahmen hingegen, geht dies zulasten des Netzes und nicht der Versicherung. Heute haben die meisten Ärztenetzwerke noch keine solchen Regelungen.

Schliesslich erhält der Bundesrat die Aufgabe, den Risikoausgleich zu verfeinern. Neben Alter, Geschlecht und Aufenthalt in einem Spital oder Pflegeheim sollen neu weitere Faktoren den Risikoausgleich beeinflussen und ihn wirksamer machen.

Auswirkungen

Neben den Neuerungen für die Patienten wirkt sich die Vorlage auf die Kosten im Gesundheitswesen sowie auf die einzelnen Ärzte aus.

Es ist schwierig, die Kostenentwicklung abzuschätzen. Zwar zeigen bisherige Erfahrungen mit Ärztenetzwerken einen Rückgang der Kosten. Die wenigsten der heutigen Versorgungsmodelle arbeiten aber mit einem festgelegten Maximalbetrag. Es bleibt unklar, wie sich diese Neuerung im Detail auswirken wird.

Zudem vergrössert sich das Aufgabengebiet der Ärzte. Die medizinische Behandlung alleine reicht nicht mehr aus. Einerseits müssen sie im Netzwerk mit anderen Anbietern zusammenarbeiten und andererseits bringt auch die Einhaltung des festgelegten Budgets neue Aufgaben mit sich.

Argumente der Befürworter

Ein integriertes Versorgungsnetzwerk garantiere den Versicherten eine qualitativ hochstehende, koordinierte Behandlung. Man vermeide Doppelspurigkeiten, Missverständnisse, Fehler oder unnötige Behandlungen.

Durch die Behandlung „aus einer Hand“ liessen sich die Kosten senken und so das Kostenwachstum im Gesundheitswesen bremsen.

Versicherte in integrierten Versorgungsnetzen profitierten von einem geringeren Selbstbehalt und wahrscheinlich auch von tieferen Prämien. Sie bekämen eine koordinierte Behandlung zu einem tieferen Preis.

Der neue Risikoausgleich führe dazu, dass die Jagd der Krankenkassen nach guten Risiken gebremst werde. Stattdessen werde es für sie interessanter, bessere Behandlungsmodelle für chronisch Kranke auszuarbeiten, welche einen Grossteil der Kosten verursachen.

Argumente der Gegner

Die Vorlage gefährde die freie Arzt-, Spital-, Pflegeheim- und Apothekenwahl. Sie würde zu einem Gut für Reiche, da höhere Selbstkosten nicht für alle finanzierbar seien.

Die Vereinbarung einer Obergrenze der Ausgaben verschlechtere die Behandlungsqualität und führe zu rationierten medizinischen Leistungen. Die Versicherungen wünschten ein möglichst günstiges Netzwerk und so würden teure Behandlungen nur noch beschränkt durchgeführt.

Durch die geplanten Änderungen spare man keine Kosten, denn bei den Kosten für Medikamente ändere sich nichts und somit sei ein wichtiger Teil der gesamten Kosten nicht betroffen.

Aus einem mehrjährigen Vertrag auszusteigen sei schwer und nur gegen eine hohe Gebühr möglich. Die Versicherungen würden aber möglichst viele dieser Verträge verkaufen.

Literaturverzeichnis

Bundesamt für Gesundheit [BAG] (2012). Faktenblatt zur integrierten Versorgung (Managed-Care). Gefunden unter Link

Bundesamt für Gesundheit [BAG] (2012). Für mehr Qualität, Patientensicherheit und gebremstes Kostenwachstum. Gefunden unter Link

Bundesamt für Gesundheit [BAG] (2012). Abstimmung über die integrierte Versorgung am 17. Juni. Gefunden unter Link

Bundesrat (2004).Botschaft betreffend die Änderung des des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Managed-Care). Gefunden unter Link

Nein zur Managed-Care-Vorlage (2012). Ausführliches Argumentarium. Gefunden unter Link

Text_Managed_Care.pdf – PDF

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