1. Umwelt, Klima & Energie

Einstieg in den Ausstieg jetzt

Einstieg in den Aus­stieg jetzt

 Eindrücklich war es am Sonntag im Aargau und das Signal unmissverständlich: gut 20‘000 Menschen, jung und alt, von überall her, pilgerten in einem endlosen bunten, friedlichen, fröhlichen Menschenstrom am AKW Beznau vorbei, durch Dörfer und über Feldwege zur grössten Anti-AKW Kundgebung seit 25 Jahren. Ihre Forderungen, kreativ auf Fahnen, Transparenten, Velos montiert an die Politik war klar: Keine neuen AKWs, der Ausstieg muss jetzt beschlossen, die Energiewende jetzt erfolgen.

Bundesrat und Parlament wurden von den Kundgebungsteilnehmer​innen und Teilnehmer dabei unmissverständlich aufgefordert, ihre Verantwortung wahr zunehmen und endlich den raschen Ausstieg zu planen. Dass sich der Bundesrat aber an seiner heutigen Sitzung für einen vorzeitigen Ausstieg ausspricht, ist kaum zu erwarten und wäre eine echte Ueberraschung. Zu gross wird wohl der Druck von Economie Suisse und der mächtigen Stromkonzerne sein. Doch welchen Bärendienst erweisen sie mit diesem sturen Verhalten der Wirtschaft selbst und den nächsten Generationen!. Es ist somit wahrscheinlich, dass der Bundesrat das Szenario ohne neue AKW empfiehlt, aber die momentan unbefristeten Laufzeiten der alten AKW wie Mühleberg und Beznau beibehält.

Da der Bundesrat für einen verbindlichen Beschluss dem Parlament erst ein Gesetz unterbreiten muss, kommt das Szenario zwei also faktisch einem Moratorium gleich: Die Gesetzesvorlage würde somit frühestens in zwei Jahren überhaupt in Kraft treten. Dies bedeutet für die gesamte Volkswirtschaft einmal mehr Planungsunsicherheit.​ Und für die dringend nötige Energiewende einmal mehr Stillstand statt Innovation, Rückschritt ins Atomzeitalter anstatt Schaffung von neuen nachhaltigen Arbeitsplätzen! Das wollen wir nicht!

Es wird daher am Parlament liegen, dem Bundesrat klare Aufträge für den Atomausstieg zu geben. Die erste Gelegenheit wird der Nationalrat am 8. Juni haben, wo er erstmals Stellung zu fast 100 energiepolitischen Vorstössen nehmen kann. Es wird spannend sein, wie sich die einzelnen Fraktionen kurz vor den Parlamentswahlen positionieren werden. Ob das Parlament bereit ist, Vorstösse zu überweisen, die den geordneten Ausstieg aus der Atomkraft und die Förderung erneuerbaren Energien sowie Massnahmen für die Energieeffizienz endlich einleiten? Dabei ist zu bedenken, dass die Parlamentsmühlen langsam mahlen. Bis ein verbindlicher Parlamentsbeschluss zum Ausstiegsszenario in Kraft treten könnte, würde es bis Anfang 2013 dauern, wenn man die Referendumsfrist mit einrechnet.

 

Bis dahin wird das Parlament neu gewählt sein und man darf gespannt sein, ob sich gewisse bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach den Wahlen immer noch so dezidiert gegen Atomkraftwerke aussprechen werden wie jetzt unter dem Eindruck von Fukushima und der Anti-AKW-Stimmung in der Bevölkerung. Die Erfahrung zeigt leider, dass schnell vergessen wird, wenn man vergessen will. Daher ist die Atomausstiegsinitiati​ve der Grünen, die sie mit einer breiten Allianz letzte Woche lanciert hat, dringend nötig und kommt parallel zur Parlamentsdebatte auch zeitlich genau richtig. Nur sie hält den Druck für einen raschen Ausstieg auch in zwei Jahren noch aufrecht.

Aber noch viel wichtiger ist: die grüne AKW-Ausstiegsinitiati​ve bezieht die Bevölkerung mit ein, die in ihrer ablehnenden Haltung zu Atomkraft und für die Förderung der erneuerbaren Energien unserer Regierung und dem Parlament meilenweit voraus ist. Die Leute möchten in die erneuerbare Zukunft für ihre Kinder und Kindeskinder heute investieren. Sie wollen ihnen nicht immer mehr radioaktive Abfälle überlassen, sie nicht einem Risiko eines Supergaus, das unser dichtbesiedeltes Land unbewohnbar machen würde, aussetzen und sie nicht von Stromkonzernen und dem schmutzigen Urangeschäft abhängig sehen. Die Leute möchten, dass Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Biomasse als Energieträger kombiniert mit cleverem Stromsparen dezentrales Wirtschaften Eigenverantwortung, Unabhängigkeit und Kreativität für unsere nächsten Generationen fördert. Das ist wahre Freiheit und Liebe zur Heimat, liebe SVP, FDP und CVP! Genau das hat der Menschenstrom gegen Atom am letzten Sonntag vorgelebt. Und es werden immer mehr werden!

Kolumne vom 24.5.11 für az von Maya Graf, Nationalrätin Grüne BL, 2. Vizepräsidentin Nationalrat

Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
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Comments to: Einstieg in den Ausstieg jetzt
  • Mai 25, 2011

    Hallo Frau Graf,

    Wind, Wasser, Sonne, das wünschen wir uns. Aber Leute, die sich zu den Grünen zählen sind gegen den Ausbau der Wasserkraft, gegen Windparks und zusammen mit dem Denkmalschutz gegen Solarzellen auf jedem Dach. Ja was denn nun??

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  • Mai 26, 2011

    EIN SCHÖNER AUFTRITT DES BUNDESRATES

    Sehr geehrte Frau Graf

    Der Bundesrat hat gestern seine Strategie des Atomausstiegs präsentiert. Ein gelungener Auftritt. Positiv ist meines Erachtens der Willen zur Abschaltung von Mühleberg und Beznau I sowie Beznau II. Die Abschaltungen dürften noch früher realisiert werden. Die Ersatzproduktion des Stromes für die zwei grossen Kraftwerke scheint aber sehr unsicher.

    In den nächsten Monaten folgen noch mehrere Debatten. Die Diskussionsresultate werden an das Lied «mal ufe, mal abe, mal links, mal rechts» erinnern.

    Um den Strombedarf zu decken gibt es FÜNF MÖGLICHKEITEN: Energieeffizienz verbessern, erneuerbare Energien ausbauen, neue Gaswerke bauen, neue Kernkraftwerke bauen und Strom importieren. Das Resultat über die Zeit wird meiner Einschätzung nach eine Kombination der ersten vier genannten Möglichkeiten sein.

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    • Juli 18, 2021

      Vergessen sie nicht: die Bevölkerung der Schweiz stabilisieren. Sonst nützen alle Sparmassnahmen nichts.

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  • Mai 26, 2011

    Ich habe meine Zweifel daran, ob der gestern von D. Leuthard bekundete Willen zum Ausstieg aus der Atomenergie so definitiv ernst genommen werden kann.
    Wir kennen doch unsere Wendehälse!

    Ebenso habe ich aber meine Zweifel daran, ob die Grünen fähig sind aus ihrer Position der fundamentalistischen Trotzecke heraus zu kommen und wirklich ernsthafte Arbeit zu leisten?

    Frau Graf, Sie sind das leuchtenden Beispiel einer Parlamentarierin, die sich in wortreichen, unnützen Schuldzuweisungen ergeht, anstatt sich auf konkrete und ernsthafte Arbeit zu konzentrieren!

    Aus​serdem: Bitte vergessen Sie nicht, dass sich die Grünen beim Stimmvolk nachhaltig lächerlich gemacht haben, mit ihrem blinden Beschreien von gefälschten Daten zur menschengemachten “Erderwärmung”, mit dem ständigen hochkochen von Schuldgefühlen, in der Hoffnung durch gezielte Spaltung der Bürger in gute Grüne Velo- und schlechte Offroadfahrer parteipolitische Profite abzuholen. Hat nicht viel gebracht – und Fukushima alleine wird euch auch nicht nachhaltig pushen.
    Im Weiteren haben die Grünen sich in ihrer EU-Begeisterung sehr weit aus dem Fenster gelehnt und speziell der bissig-giftige D. Vischer mit seiner auffälligen, düsteren Vorliebe, die Schweiz und ihre Bürger niederzumachen und bevormunden zu wollen, sobald sie die EU- und Zuwanderungsfreundlic​he Haltung nicht mit ihm und seiner Partei teilen – beweist keinesfalls politische Weisheit und Weitsicht der grünen Partei.
    Bis jetzt habt ihr noch nicht viel gezeigt, was Ihre grosse Klappe rechtfertigen würde, Frau Graf!
    Also – drehen Sie Ihren Lautsprecher erst mal ein bisschen leiser – und fangen sie an KONKRET UND KONSTRUKTIV ZU ARBEITEN – ES GIBT VIEL ZU TUN!!!

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  • Mai 26, 2011

    http://www.sueddeutsc​he.de/politik/energie​wende-roettgen-haelt-​studie-ueber-atomauss​tieg-zurueck-1.110179​4

    Ob unsere ehrlichen Politiker aus den Reihen der AVES-Untertanen-Parte​ien auch so was machen? Haben wir wirklich Fakten auf dem Tisch? Weiss jeder Schweizer, was mit ihm geschieht und was es für ihn bedeutet, wenn das Restrisiko zuschlägt? Nein? Es gibt anscheinend Katastrophenpläne. Raus damit, wir sollten wissen, was Sache ist!

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  • Juni 8, 2011

    Geld für Ökostrom nur für Kapazitätsausbau bei erneuerbaren Energien verwenden!
    Wenn nur der Strom der be­ste­hen­den Ökostrom-Kapazitäten (Was­ser­kraft, Win­d-, Son­nen- und Bio­ga­s­ener­gie) teu­rer an Ökostrom-Kunden ver­kauft wird, haben wir nichts ge­won­nen. Diese Kapazitäten wer­den auch ohne neue Ökostrom-Kunden ge­nutzt und er­neu­ert. Die jetzt ein­set­zende zusätzliche Nach­frage nach Ökostrom muss zwin­gend über den Bau von neuen An­la­gen der er­neu­er­ba­ren Ener­gien ab­ge­deckt wer­den, damit der Um­stei­ge­ef­fekt spürbar wird.

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  • Juni 9, 2011

    Ist die bürgerliche Mehrheit in der Schweiz unfähig vorauszudenken?

    Er​dbeben und Hochwasser waren schon vor dem Atom-Crash von Fukushima eine Bedrohung für die AKWs in der Schweiz. Dass sich die politische Mehrheit in der Schweiz immer erst bewegt, wenn ein Anstoss vom Ausland her kommt – siehe auch das Bankgeheimnis – ist ein Zeichen für mangelnde Sensibilität und Voraussicht.

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  • Juli 22, 2011

    Ich bin dafür, die alten AKW’s durch neue, die den neuesten Sicherheitsstandarts entsprechen zu ersetzen.

    Wenn wir uns von der Energie verabschieden, verabschieden wir uns vom Wohlstand, der auch durch die Energie der AKW’s in den letzten 40 Jahren erschaffen wurde.

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  • Oktober 4, 2011

    DAS KERNKRAFTWERK MÜHLEBERG IST WIEDER AM NETZ

    Sehr geehrte Frau Nationalrätin Graf

    Aus Sicherheitsgründen bin ich für eine rasche Abschaltung des Kernkraftwerks Mühleberg. Gemäss den bekannten Informationen stellen die Kernmantel der alten Kraftwerks-Generation​ ein bedeutendes Risiko dar. Für Mühleberg gibt es betreffend dieses Risikos bereits separate Berichte und unterschiedliche Einschätzungen.

    Das Kraftwerk wird über den Winter nochmals in Betrieb genommen und dann im März werden die Sicherheit und der allfällige Investitionsbedarf neu beurteilt. Im Winter ist erfahrungsgemäss der Strombedarf am höchsten. Mit der Abschaltung der alten Kraftwerke in Deutschland kann ich mir einen Zeitraum mit knapper Stromproduktion vorstellen. Die Energieunternehmen haben bereits gewisse Pläne für Abschaltungen von Stromverbrauchern in der Schublade, falls die Produktion in einem kalten Winter nicht reichen sollte. Je nach Umfang der geplanten Massnahmen und der politischen Stimmungslage wird die Bevölkerung in einer solchen Situation informiert.

    Mit diesem Beitrag äussere ich als einfacher Bürger meine Einschätzung zu den bereits bekannten Informationen. Ein Abwägen zwischen der Sicherheit, den finanziellen Gegebenheiten und der Betriebsnotwendigkeit​ einzelner Kraftwerken scheint zurzeit im Gange zu sein. In den Medien und den politischen Aussagen ist eine deutlich zurückhaltende Berichterstattung ersichtlich.

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