Während der Coronakrise wurde die Bedeutung der Pflegebranche der Bevölkerung vor Augen geführt. Im März 2020 spendierte die Nation den Pflegekräften sogar von den Balkonen aus Applaus. Doch aufgrund der demografischen Entwicklung und der andauernden Pandemie ist der Berufsstand immer mehr gefordert – es braucht mehr Pflegepersonal und Massnahmen für eine höhere Qualität der Pflege.

Die Pflegeinitiative will Bund und Kantone in die Verpflichtung nehmen, die Pflege zu fördern, deren Qualität zu sichern und den Bestand an Pflegerinnen und Pflegern zu regulieren.

Dazu gibt es einen indirekten Gegenvorschlag von Bund und Parlament, welcher aus einer Ausbildungsoffensive für eine Milliarde Franken während der nächsten acht Jahre besteht.

Ausgangslage

Der demografische Wandel macht dem Gesundheitswesen der Schweiz zu schaffen. Die Menschen werden immer älter, womit es zu mehr Krankheitsfällen wie Krebs oder Herz-Kreislaufstörungen kommt. Dies erfordert gut ausgebildete Pflegefachkräfte, darunter auch hochqualifiziertes Pflegepersonal, welches eine Ausbildung an einer Fachhochschule voraussetzt. Das Demografieproblem wird sich in Zukunft sogar noch verschärfen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, geboren von 1946 bis 1964, in ein pflegebedürftiges Alter kommen.

Vor diesem Hintergrund entstand die Pflegeinitative, und wurde im November 2017 mit etwa 114’000 Unterschriften eingereicht. Daraufhin hat die Bundesversammlung einen Gegenvorschlag erstellt, welcher die Hauptanliegen der Initianten in Form einer Ausbildungsoffensive aufnehmen sollte. Dem Initiativkomitee kam der Gegenvorschlag allerdings nicht weit genug entgegen, weshalb die Initiative im November endgültig vor das Volk kommt.

Was wird geändert?

Bei einer Annahme der Initiative würde die Qualität der Pflege sowie ein ausreichender Bestand an Pflegekräften in der Verfassung garantiert werden. Zudem könnte das Pflegepersonal ausgewählte Leistungen direkt, ohne die Anweisung eines Arztes, abrechnen. Dies wäre besonders im Bereich des ambulanten Pflegedienstes – also der Spitex – relevant.

Zudem würde auch in der Verfassung festgehalten, dass Pflegeleistungen angemessen abgegolten werden, «anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen» herrschen und die berufliche Entwicklung ermöglicht wird.

Die genauen Ausführungsbestimmungen, etwa welche Pflegeleistungen genau direkt vorgenommen werden, wie sich die berufliche Entwicklung gestaltet oder wie ein angemessener Bestand an Pflegekräften garantiert wird, legen Nationalrat und Ständerat fest. Dafür haben sie vier Jahre lang Zeit; der Mangel an Pflegefachpersonen soll allerdings vom Bundesrat innerhalb anderthalb Jahre angegangen werden.

Gegenvorschlag

Bei einem Nein träte der bereits ausgearbeitete Gegenvorschlag in Kraft, welcher im Parlament nahezu einstimmig angenommen wurde. In dessen Rahmen würde in den nächsten acht Jahren rund eine Milliarde Franken in die Ausbildung von Pflegefach

Pflegefachkräften investiert. Dabei sind hauptsächlich drei Massnahmen vorgesehen:

  • Studierende an einer Fachhochschule oder höheren Fachschule werden für eine Weiterbildung finanziell unterstützt.
  • Spitäler, Pflegeheime und Spitex erhalten für die Ausbildung von Pflegefachkräften Unterstützungsgelder.
  • Fachhochschulen und höhere Fachschulen erhalten für die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze Zuschüsse.

Zudem sollen auch mit dem indirekten Gegenvorschlag einige Leistungen direkt abgerechnet werden können. Dabei greift allerdings ein Kontrollmechanismus, um eine überdurchschnittliche Zunahme der Leistungen und, daraus resultierend, höhere Gesundheitskosten, zu verhindern . Steigen die jährlichen Kosten für Pflegeleistungen in einem Kanton nämlich stärker als der gesamtschweizerische Durchschnitt, so kann der Kanton verfügen, dass keine neuen Tätigkeiten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherungen aufgenommen werden.

Argumente der Befürworter

em Initiativkomitee fehlteine gute, sichere und menschliche Pflege. Zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Pflege brauche es genügend und gut ausgebildete Pflegefachkräfte. Zudem müsse die Abhängigkeit vom Ausland reduziert werden, da ausländische Regierungen Massnahmen ergreifen, um Pflegende im eigenen Land zu behalten. Die Pflegeinitiative setze daher an mehreren Stellen an. Einerseits werde eine Ausbildungsoffensive gestartet, um mehr Pflegepersonal auszubilden und die Auslandsabhängigkeit zu reduzieren. Andererseits werden Arbeitsbedingungen verbessert, in den Bereichen Entlöhnung, eigenständige Abrechnung, verlässliche Zeitplanung, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und familienfreundliche Strukturen. Diese Massnahmen für eine bessere Pflegequalität würden sich auch finanziell auszahlen, indem Spitalkosten in Milliardenhöhe eingespart würden.

Der Gegenvorschlag sei insofern unzureichend, als dass er sich lediglich auf Investitionen in der Ausbildung beschränke. Frühzeitige Berufsausstiege würden nicht verhindert, und die Pflegequalität werde dadurch auch nicht verbessert.

Argumente der Gegner

Bundesrat und Parlament sind gegen die Initiative. Sie teilen die Bedenken der Initianten bezüglich des Pflegenotstands, allerdings geht ihnen die Initiative zu weit. Sie argumentieren, dass Löhne und Arbeitsbedingungen nicht durch den Bund geregelt werden sollten, sondern zwischen Spitälern, Heimen, Spitex, Kantonen und Sozialpartnern ausgehandelt werden, welche die Verhältnisse vor Ort am besten kennen.

Zudem sei die medizinische Grundversorgung bereits in der Verfassung verankert; mit der Erwähnung der Pflege würde diese Berufsgruppe eine Sonderstellung in der Verfassung erhalten.

Der Gegenvorschlag sei ein angemessenes Massnahmenbündel gegen den Pflegenotstand, welcher sofort in Kraft treten könnte, statt dass das Parlament mehrere Jahre lang ein Umsetzungsgesetz erarbeite. Der Gegenvorschlag sehe eine Ausbildungsoffensive im Umfang von einer Milliarde Franken in acht Jahren vor, womit Ausbildungsplätze für Pflegefachpersonen geschaffen würden und deren Aus- und Weiterbildung finanziell unterstützt werde.

Desweiteren sei in den Gegenvorschlag ein Kontrollmechanismus eingebaut, um einen Anstieg der Gesundheitskosten zu bremsen.

Literaturverzeichnis

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SRF (2021). Pflege-Initiative: Gegner befürchten höhere Krankenkassen-Prämien. Gefunden am 26. Oktober 2021 unter https://www.srf.ch/news/schweiz/nein-komitee-pflege-initiative-gegner-befuerchten-hoehere-krankenkassen-praemien

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