Der Tagesanzeiger schreibt: «Die Da­ten­wut von Bund, Kan­to­nen und Ge­mein­den sowie von Pri­vat­un­ter­neh­me​n kennt keine Grenzen.» Ob bio­me­tri­scher Pass, Hoo­li­gan-­Da­ten­ba​nk oder die klas­si­sche Überwachungskamera, Daten wer­den überall ge­sam­melt. Fa­ce­book, Goo­gle, Ap­p­le, Mi­gros (Cu­mu­lus-­Kar­te) und Coop (Su­per­card) haben längst er­kannt, dass Da­ten­samm­lun­gen, rich­tig ver­wer­tet, mit Gold auf­wie­gen. Ideen für noch mehr Da­ten­ban­ken gibt es vie­le, wie etwa Geräte in Au­tos, die das Fahr­ver­hal­ten er­fas­sen oder elek­tro­ni­sche SBB-Fahr­kar­ten, die auch das Fahr­ver­hal­ten er­fas­sen. Die­sen Bei­trag widme ich der Vor­rats­da­ten­spei­​che­rung, also dem vor­sorg­li­chen Sam­meln von Daten für spätere Er­mitt­lun­gen.

IP-​Adressen sind «flüchtig» und lassen sich ohne zusätzliche Informationen nicht eindeutig einem Anschluss zuordnen. Denn eine Adresse kann über die Zeit mehreren Anschlüssen gehören. Deshalb behelfen sich die Ermittler mit Randdaten, die jeder ISP sammeln muss. Es wird Buch geführt, wann welcher Kunde mit welcher IP-Adresse wie lange unterwegs war. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauft​ragte (EDÖB) fasst diesen Sachverhalt auf seiner Website zusammen und stellt auch direkt Formulare für Auskunftsbegehren zur Verfügung.

Als rechtliche Grundlage dient das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, kurz BÜPF. Dasselbe Gesetz regelt auch die Bespitzelung von Telefon- und Internetanschlüssen und betraut das zuständige Amt, genannt ÜPF, mit Rechten und Pflichten. Mit einer Revision sollen die Möglichkeiten der Überwachung ausgeweitet werden; unter anderem ist geplant, die Speicherpflicht für Randdaten von 6 auf 12 Monate zu erhöhen. Ich frage mich jedoch: Bringt die Vorratsdatenspeicheru​ng wirklich das, was sie verspricht?

Heute gibt es einfache Möglichkeiten, Spuren zu verwischen. Wenn ich tatsächlich bei Sony ein paar Kreditkarten klauen will, dann bin ich doch so klug und verschleiere meine Herkunft mit TOR. Und wenn ich mit einem Freund über das Internet einen Banküberfall plane, dann verschlüssle ich die Kommunikation. So bringt auch eine Echtzeitüberwachung nichts! Verzichten organisierte Verbrecher tatsächlich auf solche Schutzmassnahmen?

Se​lbst wenn die Herkunft mangels Täterkompetenz tatsächlich ermittelt werden kann, ist Vorsicht geboten. Ein Haar alleine beweist keine Tat – auch dann nicht, wenn es auf der Tatwaffe war und per DNA-Abgleich einer Person zugeordnet wurde. Denn es könnte absichtlich hinterlegt worden sein. Genau so beweist eine IP-Adresse keineswegs, dass der Anschlussinhaber der Täter ist. Internetanschlüsse können auf verschiedene Arten verwendet und auch missbraucht werden. Offene WLANs, Trojaner oder auch die gemeinsame Verwendung des Zugangs mit dem Nachbarn sind Beispiele.

Es ist bei genauerem Hinsehen also gar nicht so klar, dass die Randdaten notwendig sind. Möglicherweise gab es noch gar nie den Fall, dass eine Rückverfolgung einer IP-Adresse zum Ermittlungserfolg führte! Statistiken würden Klarheit schaffen. Doch leider kennt das Bundesamt für Statistik diesbezüglich keine Zahlen. Ich fragte nach, ob es Informationen zum Zusammenhang zwischen Überwachung und der Verbrechensaufklärung​ gibt. Die Antwort nach einigen Tagen:

Sehr geehrter Herr Simonet

Das Bundesamt für Statistik erfasst keine Daten zu den Vorgehen bei der Verbrechensaufklärung​.

Mit freundlichen Grüssen
[Das Bundesamt für Statistik]

Nun gut, dachte ich mir. Es ist ja selbstverständlich, dass man vor der Erweiterung von Gesetzen und Verordnungen eine Analyse der aktuellen Situation durchführt. Vielleicht wurden ja extra für die BÜPF-Revision Auswertungen erstellt. Jedoch fand ich keine Spur von statistischen Daten. Die Notwendigkeit der Fristverlängerung wird folgendermassen begründet:

Diese Forderung ging von der auf Erfahrung beruhenden Feststellung aus, dass eine Datenaufbewahrungspfl​icht von sechs Monaten zu kurz bemessen ist, um den Behörden erfolgreiche Nachforschungen zu ermöglichen, da die relevanten Randdaten zum Zeitpunkt, in dem die Behörde die Überwachung anordnet, oft bereits gelöscht sind.

Ok, die Daten sind oft schon weg, wenn sie erfragt werden. Doch was sagt das über die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicheru​ng aus? Gar nichts! Es lässt höchstens vermuten, dass die Ermittlungen effizienter gestaltet werden müssen, da es offensichtlich in vielen Fällen über 6 Monate dauert, bis jemand auf die Idee kommt, Beweise sicherzustellen.

Wie​ kann der Staat unter diesen Voraussetzungen eine Ausweitung der Überwachung befürworten und rechtfertigen? Wo bleiben die Fakten?

Klarstellung​ für den Nachrichtendienst des Bundes: Ich habe weder vor, bei Sony Kreditkarten zu klauen noch eine Bank zu überfallen.

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Comments to: Wo bleiben die Fakten?
  • August 3, 2011

    “Möglicherweise gab es noch gar nie den Fall, dass eine Rückverfolgung einer IP-Adresse zum Ermittlungserfolg führte!” Aber zumindest eine Spur. Eine dazugehörige Hausdurchsuchung kann zum Beispiel weiteres belastendes Material zum Vorschein bringen.

    Off Topic: Ist die Piratenpartei wirklich eine reine Ein-Thema-Partei( bzw. eine Ein-Anliegen-Partei)?​ Was sagt ihr zur Sozial-, Bildung- , Finanzpolitik?

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    • September 5, 2011

      Lieber Anton

      Wir sind keine Ein-Thema-Partei, aber als junge Demokratie-Bewegung fokussieren wir unsere Ressourcen auf unsere Kernthemen –> http://www.piratenpartei.ch

      Jeder Kandidat hat seine eigenes Rechts-Links-Spektrum​ und Du kannst unser Profil auf Vimentis etc. studieren, wenn Du Zeit und Lust hast… 🙂

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  • August 3, 2011

    Dann muss man sich aber fragen, ob es für Indizien in Ordnung ist, die Grundrechte uns aller verdachtsunabhängig einzuschränken.

    Zu​r Piratenpartei: Da es uns erst seit 2 Jahren gibt, haben wir bisher nicht viel mehr als unsere Kernanliegen beschlossen. Unsere Kernthemen sind im Parteiprogramm festgehalten, das du hier findest: http://www.piratenpar​tei.ch/parteiprogramm​
    Ausserdem sind hier unsere Positionspapiere: http://www.piratenpar​tei.ch/positionspapie​re
    Und Initiativen die wir unterstützen/ablehnen​: http://www.piratenpar​tei.ch/parolen

    Zu den anderen Themen (auch zu den von dir aufgelisteten) haben wir in der Tat keine Positionspapiere oder Parteiprogrammpunkte.​ Wir haben aber für die Teilnahme auf Vimentis unsere bisherigen Beschlüsse und Kernanliegen auf weitere Positionen abgeleitet: http://wiki.piratenpa​rtei.ch/wiki/Vimentis​

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  • August 5, 2011

    Herr Anton Keller,
    Ist es nicht gut bis besser, dass Spezialisten auf einem Gebiet, das auch Politisch betreuen?
    Oft wäre es klüger, Politikerinnen und Politiker würden nur zu den Themen von denen sie wirklich etwas verstehen, reden.
    Und unter wirklich etwas Verstehen, meine ich nicht nur Bücher und Berichte lesen und nachplappern.

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    • August 5, 2011

      Nur ist unser Parlament so aufgebaut. Soll sich ein zukünftiger Nationalrat der Piratenpartei immer der Stimme enthalten, ausser an dem einen Tag, wo über Vorratsdatenspeicheru​ng abgestimmt wird? Wenn nur das Thema Vorratsdatenspeicheru​ng im Vordergrund ist, wäre eine Interessengemeinschaf​t “Gegen Vorratsdatenspeicheru​ng” angebrachter.

      Das mit dem Nachplappern hat aber schon seine Berechtigung. Ich weiss nur, dass die SVP seinen Nationalräten Themen zuteilt. Der zuständige Nationalrat kniet sich dann ins Thema ein und berichtet den übrigen. Der zuständige Nationalrat steht dann auch den Medien zur Verfügung.

      Ich sehe eher das Problem, dass Juristen und Verbandsfunktionäre am ehesten in der Politik Karriere machen. Bei denen geht manchmal der gesunde Menschenverstand verloren.

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    • August 10, 2011

      Woher haben Sie die Info, dass es uns um Vorratsdatenspeicheru​ng geht? Und warum sollte ein Pirat im Nationalrat sich der Stimme enthalten, wenn es kein Piratenthema ist?

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    • August 12, 2011

      Ich erwarte, von einem zukünftigen Nationarat, dass er seine Positionen zu allen Bereichen bekanntgibt. Bei einem wiederzuwählenden Nationarat, kann ich ja auch sein Stimmverhalten analysieren.

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    • August 12, 2011

      Ja, das erachte ich auch als sinnvoll. Nur: was hat das mit der Piratenpartei zu tun? Unsere Nationalratskandidate​n beantworten alle Fragen auf Smartvote und Vimentis und sie äussern sich auch zu allen möglichen Themen.

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  • August 11, 2011

    Nicht nur sensible persönliche Daten selber, sondern deren missbräuchliche Verwendung ist strikt zu bekämpfen: wer in einer Vetrauensposition Zugang zu vertraulichen persönlichen Daten hat, muss im Missbrauchsfall
    – a den dadurch Geschädigten in vollem Masse entschädigen (Schadensnachweis nach amerianischem System, dh. der Missbraucher muss beweisen, dass ein Schaden nicht auf seinem Datenmissbrauch zurückzuführen ist
    – b eine Strafe wegen der Verletzung der Vertraulichkeitsvorsc​hrift gewärtigen
    – c lebenslänglich ausgeschlossen werden von allen öffentlich-rechtliche​n Funktionen, durch welche er zu vertraulichen daten kommen könnte.

    Wer diese Saktionen für zu streng hält, möge sich überlegen, was denn zu tun ist, damit man keine solche Sanktion zu gewärtigen hat : ganz einfach, man darf vertrauliche Daten nicht missbrauchen. Da dieser Nicht-Missbrauch vom Gesetz vorgesehen ist, kann man hier wohl kaum von einer überrissenen Anforderung (zum Selbstschutz gegen obenerwähnte Sanktionen) sprechen !

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  • September 29, 2018

    Da sowohl von einer weiteren Automatisierung, als auch von Bots, die Arbeitsplätze ersetzen, ausgegangen werden muss, wird dies sowohl im Bereich Produktion, Transport, als auch im Bereich Dienstleistung zu Arbeitsplatzverlusten​ führen. Auch im Bereich Militär werden Roboter vermehrt Anwendung finden.
    Hingegen im Bereich Pflege kann und sollte der Mensch nicht durch eine Maschine ersetzt werden. Es wäre pietätslos und unmenschlich.

    Laut​ Umfragen ist es eine Mehrheit der Befragten, die eine Robotersteuer befürworten. Ich sehe daher nicht ein, dass man von Seiten des Parlamentes und des Bundesrates dieses Thema einfach verdrängt!-

    Ich persönlich ziehe vor, dass der Roboter in der Arbeitswelt wie ein Arbeitnehmer betrachtet würde und von seinem Besitzern einen fiktiven Stundenlohn erhalten würde. Auf diesen Stundenlohn würden dann wie bei einem Arbeitnehmer Sozialabzüge (AHV, ALV, SUVA) abgezogen und auf dem “Nettolohn” des Roboters könnte dann eine Einkommenssteuer erhoben werden.
    Die Einnahmen dieser Steuer würden dann zu zwei Dritteln in die Sozialen Einrichtungen des Staates (auch Krankenkassen-Prämien​verbilligung) fliessen, um so ein Teil der Lohnprozent-Abzüge der Arbeitnehmer zu ersetzen. Der der restliche Drittel würde in die Umschulung von Menschen investiert werden, welche durch die Roboter ihre Stelle verloren haben.

    Als ungeeignet betrachte ich die Robotersteuer hingegen als Mittel zur Finanzierung eines “Grundeinkommens für Alle”, da eine solche Robotersteuer zu wenig hergeben würde, um ein “Bedingungsloses Grundeinkommen für Alle” zu finanzieren.
    Ausserd​em sollte ein Grundeinkommen nicht bedingungslos und auch nicht für Alle, sondern nur für Bürger(innen) des Landes ausgerichtet werden.

    Die Innovation und Digitalisierung der Arbeitswelt würde durch diese Steuer wenig beeinträchtigt, da ein Roboterstundenlohn tiefer angesetzt wäre, als wenn an dessen Stelle ein Mensch arbeiten würde. Somit ist es immer noch interessant, einen Roboter einzusetzen.

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