Die Öffnung der Ehe für alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts und sexueller Orientierung soll auch in der Schweiz Realität werden. In vielen Ländern wurde dieser Schritt schon vollzogen und erlaubt damit auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Heirat. Eine wichtige Folge daraus sind die Rechte und Pflichten, welche den Eheleuten zustehen. Zugang zur Adoption und die erleichterte Einbürgerung für die jeweiligen Eheleute steht gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zu, auch nicht in der Eingetragenen Partnerschaft. Jedoch muss an dieser Stelle betont werden, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen noch in vielen Ländern der Welt ein illegaler Tatbestand sind.

Im Jahr 2013 wurde eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche die Ehe für alle fordert, unabhängig des Geschlechts sowie der sexuellen Orientierung der Eheleute. Die gesellschaftliche Debatte für die Rechte von LGBT+ Menschen (Lesbian, Gay, Bi und Transsexual) wurde in der Schweiz bereits bei der letzten Abstimmung am 9. Februar 2020 intensiv diskutiert. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat der Erweiterung der Anti-Rassismus-strafnorm um das Kriterium der sexuellen Orientierung zugestimmt, um LGBT+ Menschen einen besseren Schutz vor Diskriminierung bieten zu können. Die Gegenseite empfand dies als zu grundlegenden Einschnitt in die Meinungsfreiheit.

Dieser Artikel erklärt den aktuellen Stand und den historischen Kontext der Forderungen für die Ehe für alle in der Schweiz und zieht dabei auch einen internationalen Vergleich. Ein Ausblick am Ende des Artikels zeigt die zu erwartenden kommenden Schritte auf, welche die Schweizer Politik und Gesellschaft in naher Zukunft beschäftigen werden.

Ausgangslage

Durch den gesellschaftlichen Wandel hat sich die öffentliche Meinung und Haltung in Bezug auf Menschen geändert, deren sexuelle Orientierung nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Dies war jedoch nicht immer so. Lange galt Homosexualität als Krankheit, welche geheilt oder bestraft werden muss. Auch heute werden solche Standpunkte immer noch vertreten aber weniger im öffentlichen Raum. Homophobie ist auch in der Schweiz immer noch ein gesamtgesellschaftliches Problem und begleitet den Alltag von Homosexuellen Menschen, welche immer wieder damit konfrontiert werden. 1942 wurde Homosexualität in der Schweiz entkriminalisiert. In den folgenden Jahrzehnten war die gesellschaftliche Akzeptanz von anderen Lebensformen de facto jedoch noch nicht gegeben. Die in den 70er Jahren aus den Vereinigten Staaten aufkommende LGBT Bewegung, welche sich gegen Ungleichbehandlung und Diskriminierung wehrte und gleiche Rechte forderte, fand auch in der Schweiz Anklang. Verschiedene Organisationen wurden gegründet, die sich für die Rechte von homosexuellen Menschen einsetzten. Die allgemeine Tabuisierung des Themas wurde so Schritt für Schritt entgegengewirkt.

Ein sehr wichtiger Streitpunkt ist bei dem Kampf für gleiche Rechte die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die Gleichstellung vor dem Recht und damit einhergehend die Sicherung von Rechten und Pflichten innerhalb einer Partnerschaft ist von sehr grosser Wichtigkeit und wird deshalb auch für gleichgeschlechtliche Paare gefordert. Als Folge der Forderungen entscheidet der Bundesrat im Jahr 2000, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt und staatlich abgesichert werden sollten. Im Jahr 2005 nimmt die Schweizer Stimmbevölkerung das neue Gesetz an, nachdem dagegen das Referendum ergriffen wurde.

Entwicklungen

Da die Erweiterung der gleichen Rechte für Homosexuelle Menschen und damit einhergehend auch ihr Recht auf eine Familie gefordert wird wurde im Jahr 2013 eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche die Ehe für alle fordert.

Derzeit werden im Parlament zwei verschiedene Varianten für die Ausgestaltung der Ehe für alle diskutiert. Die erste sieht eine Form der Ehe vor, welche den Zugang zur Adoption gewährleisten würde. Zusätzlich wären Witwen aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften solchen aus heterosexuellen Partnerschaften gleichgestellt. Jedoch würde die Frage für den Zugang zur Samenspende für lesbische Fragen von der Vorlage getrennt und separat besprochen werden. Dies, da dieser Teilbereich hochsensibel ist und die Zustimmung für die Ehe für alle gefährden könne.

Die zweite Variante fordert die Gleichstellung in der Ehefrage auf allen Ebenen. Lesbische Paare hätten in dieser Variante Zugang zur Samenspende, wie dies auch heterosexuellen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch zusteht. Ohne diese gesetzlich geregelte Samenspende müssten lesbische Paare weiterhin ins nahe Ausland gehen, um ihren Kinderwunsch erfüllen zu können. Hierbei spielt die rechtliche Frage der Vaterschaft eine wichtige Rolle, welche sehr kompliziert ist. Die jeweilige Partnerin in einer lesbischen Beziehung wird rechtlich nicht als Elternteil des Kindes angesehen. Die lesbischen Eltern müssen mehrere Instanzen durchlaufen, bis die andere Partnerin das Kind adoptieren kann damit ihre Familie rechtlich auch als solche anerkennt wird und dementsprechend auch geschützt wird. Dieser Prozess ist emotional belastend und auch sehr kostspielig.

Die Rechtskommission des Nationalrats und der Bundesrat haben sich dabei für die erste Variante ausgesprochen. Unter anderem mit dem Argument, dass man sich ohne die Zunahme der Samenspende der Zustimmung vonseiten der Bevölkerung sicherer sein könne. Jedoch hat sich der Nationalrat bei der Abstimmung für die zweite Variante mit der Samenspende entschieden. Als nächster Schritt wird die parlamentarische Initiative nun vom Ständerat behandelt werden, voraussichtlich in der kommenden Herbst- oder Wintersession.

Argumente dagegen

Die Gegner und Gegnerinnen der parlamentarischen Initiative argumentieren aus verschiedenen Perspektiven. Viele sehen gleichgeschlechtliche Beziehungen als unmoralisch an und unterstützen diese Lebensform nicht. Deshalb ist klar, dass die Ehe für alle nicht realisiert werden soll.

Religion spielt dabei auch eine wichtige Rolle. Dabei ist es unabhängig, welcher Glaubensrichtung die jeweiligen Gegner angehören, aber es steht in jedem Fall in Korrelation mit der Ablehnung gegenüber der Ehe für alle. Die Ehe sei eine Verbindung zwischen Mann und Frau und diene den Zwecken der Fortpflanzung und Familiengründung, was gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zustehen soll.

Der Zugang zur Adoption und insbesondere jener zur Samenspende für lesbische Paare sind dabei die meistdiskutiertesten Punkte. Ein Kind brauche eine Mutter und einen Vater, man könne der Gesellschaft gegenüber nicht verantworten dieses traditionelle Familienbild verändern zu wollen. Das Kindeswohl würde ebenso beeinträchtigt werden und müsse im Zentrum des Interesses stehen.

Internationaler Vergleich

Ein Blick auf die Rechtslage in anderen Ländern zeigt, dass die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht dasteht was den Zugang zur Ehe für LGBT+ Menschen betrifft. Dies ist jedoch nicht nur auf westeuropäische als auch andere westliche Industrienationen wie die Vereinigten Staaten oder Kanada bezogen. Auch viele Länder in Südamerika haben die rechtliche Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung durchgesetzt. Unter anderem sind dies Kolumbien, Brasilien und Argentinien. Südafrika erlaubt gleichermassen die Ehe für alle, ebenso Israel, Armenien, Taiwan und Australien um nur einige Beispiele zu nennen.

Der innereuropäische Vergleich zeigt auf, dass die Schweiz in Westeuropa neben Italien und den Kleinstaaten Andorra, Monaco, Liechtenstein und dem Vatikanstaat das einzige Land ist, welches die Ehe noch nicht für gleichgeschlechtliche Paare zugänglich gemacht hat. Im Rainbow Index, der die Rechte von LGBT+ Menschen in Europa misst und vergleicht, belegt die Schweiz nur den 23. Platz von insgesamt 49.

Osteuropäische Länder stehen allgemein was die Rechte der Homosexuellen Menschen betrifft schlecht da. Insbesondere in Russland, Polen und Ungarn ist die gesellschaftliche Toleranz gegenüber von Menschen, deren sexuelle Identitäten von der Norm abweichenden sehr gering. Diese abweisende Haltung wird von staatlicher Seite oftmals unterstützt. Generell ist die Situation für die Rechte von LGBT+ Menschen weltweit kritisch. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen werden in 35 Prozent der UN-Mitgliedstaaten als kriminell eingestuft und bestraft. In vielen afrikanischen Ländern drohen lange bis lebenslängliche Haftstrafen. Im Sudan, Jemen und in Saudi-Arabien wird für homosexuelle Handlungen sogar die Todesstrafe verhängt.

Ausblick

Da der Nationalrat die Ehe für alle inklusive des Zugangs zur Samenspende für lesbische Paare angenommen hat, wird nun der Ständerat voraussichtlich in der kommenden Herbst- oder Wintersession darüber debattieren und abstimmen. Wenn der Ständerat für die parlamentarische Initiative stimmt, wurde von den Gegnern der Initiative bereits ein Referendum angekündigt. Sollte dies zustande kommen, werden die Schweizer Stimmberechtigten aller Voraussicht im Jahr 2021 über die Ehe für alle abstimmen.

Literaturverzeichnis

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Ehe_fuer_alle_in_der_Schweiz.pdf – PDF

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