1. Politik Aktuell

Bundesbudget 2011 und EU-Schuldenkrise

Die positive Entwicklung der Wirtschaft nach der Krise wirkt sich auf das Bundesbudget 2011 besser aus als vor einem Jahr erwartet. Der Text zeigt zunächst die Einnahmen und Ausgaben des Bundes und das sich daraus ergebende Defizit auf. Im Anschluss wird näher auf die Entwicklung der Verschuldung in der Schweiz und anderen Ländern Europas eingegangen. Schliesslich werden die Gründe sowie die Konsequenzen der europäischen Schuldenkrise diskutiert.

Einnahmen und Ausgaben des Bundes

Weil die Finanzrechnung des Bundes in 2010 deutlich positiver ausfallen dürfte als im Budget noch angenommen, werden im Text bei den Einnahmen die aktuellsten Schätzungen der Finanzrechnung zum Vergleich herangezogen.

Einnahmen

Tabelle 1 zeigt die Veränderungen zu den aktuellsten Schätzungen der Finanzrechnung 2010 sowie die effektive Höhe der Einnahmen in Mrd. CHF.

Einnahmen Bundesbudget 2011 Mrd. CHF Veränderung zur FR 2010
Total 61,9 +2,4%
Direkte Bundessteuer 17,6 +0,5%
Verrechnungssteuer 3,7 -7,4%
Stempelabgaben 2,8 +3,8%
Mehrwertsteuer 21,5 +5,9%
Übrige Verbrauchssteuern 7,5 +0,3%
Verschiedene Fiskaleinnahmen 4,4 +2,1%
Nichtfiskalische Einnahmen 4,7 +5,0%

Tabelle 1: Veränderungen der Einnahmen

Die ordentlichen Einnahmen steigen um 2,4% und werden auf knapp 62 Milliarden CHF budgetiert. Der Anstieg liegt in der Grössenordnung des BIP-Wachstums (2,7%). 92,5% aller Einnahmen machen die Steuern aus. Zwei Drittel der Steuereinnahmen wiederum kommen aus der Mehrwertsteuer und der direkten Bundessteuer. Die Mehrwertsteuer steigt mit 5,9% markant an. Dieser Anstieg wird vor allem durch Steuerreformen und die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes um 0,4% zu Gunsten der IV bewirkt.

Die Einnahmen aus Stempelabgaben steigen, weil die Unternehmen als Konsequenz der Finanz- und Wirtschaftskrise immer noch Kapital benötigen, wofür Stempelabgaben anfallen.

Der Rückgang der Einnahmen über die Verrechnungssteuer ist auf strukturelle Änderungen zurückzuführen.

Ausgaben

In Tabelle 2 werden die Veränderungen zum Vorjahresbudget (VA 2010) sowie die effektive Höhe der Ausgaben in Mrd. CHF dargestellt.

Ausgaben Bundesbudget 2011 Mrd. CHF Veränderung zum VA 2010
Total 62,5 +3,8%
Soziale Wohlfahrt 20,4 +7,1%
Finanzen und Steuern 10,1 +5,5%
Verkehr 8,1 +0,2%
Bildung und Forschung 6,3 +3,1%
Landesverteidigung 4,9 +0,5%
Landwirtschaft und Ernährung 3,6 -2,1%
Beziehungen zum Ausland 3,0 +8,1%
Übrige Aufgabengebiete 6,0 +0,8%

Tabelle 2: Veränderungen der Ausgaben

Die Ausgaben liegen bei etwa 62,5 Milliarden CHF. Sie wachsen inflationsbereinigt um 0,7%. Dieser eher moderate Anstieg ist vor allem auf die für 2011 geplante Umsetzung eines Teils des Konsolidierungsprogramms (KOP) zurückzuführen. Das KOP sieht Massnahmen in den Jahren 2011-2013 vor, die den Bundeshaushalt um insgesamt 1,8 Mrd. CHF entlastet sollen. Diese beinhalten unter anderem Einsparungen beim Bundespersonal und der Informatik sowie die Anpassung der Budgetzahlen an eine tiefere Teuerung.

Grundsätzlich werden die Ausgaben in verschiedene Aufgabengebiete unterteilt. Die Gebiete Soziale Wohlfahrt und Finanzen und Steuern machen rund die Hälfte aller Ausgaben aus. Zusammen mit dem Aufgabengebiet Beziehungen zum Ausland gehören sie zu den am stärksten wachsenden Gebieten.

Der Anstieg der Ausgaben im Bereich Soziale Wohlfahrt ist vor allem auf die erstmalige Budgetierung der IV-Zusatzfinanzierung über die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes zum einen, und den Sonderbeitrag des Bundes an die IV zum anderen zurückzuführen. Beide Massnahmen gelten ab 2011 und sind bis 2017 befristet. Die Höhe dieser Ausgaben in 2011 liegt bei etwa 1,1 Mrd. CHF. Zusätzliche Ausgaben in Höhe von etwa einer halben Milliarde CHF entstehen aufgrund von Schätzkorrekturen bei den Bundesbeiträgen an die Sozialversicherungen und wegen Mehrkosten im Asylbereich.

Der Anstieg der Ausgaben im Bereich Finanzen und Steuern entfällt zu zwei Dritteln auf die Kantonsanteile auf Bundeseinnahmen und zu einem Drittel auf den Finanzausgleich. Mit dem Finanzausgleich werden schlechter gestellte Kantone von finanzstarken Kantonen und dem Bund gestützt.

Der Anstieg der Ausgaben im Bereich der Beziehungen zum Ausland ist grösstenteils auf die Zunahme der Entwicklungshilfe zurückzuführen.

Finanzierungsergebnis

Aus den Einnahmen von etwa 61,9 Mrd. CHF und den Ausgaben von rund 62,5 Mrd. CHF entsteht ein ordentliches Finanzierungsdefizit von knapp 600 Millionen CHF. Die Vorgaben der Schuldenbremse lassen ein Defizit von etwa 800 Millionen CHF zu. Die Schuldenbremse ist eine Massnahme, die eine mittelfristig steigende Verschuldung des Bundes verhindern soll. Mit der Schuldenbremse soll erreicht werden, dass der Bundeshaushalt ausgeglichen ist und der Bund nicht ständig neue Schulden aufnehmen muss, um die Aufgaben zu finanzieren. In einer schwierigen wirtschaftlichen Lage lassen die Vorgaben der Schuldenbremse jedoch ein Defizit zu. Das Finanzierungsergebnis übertrifft diese Vorgabe in 2011 um 200 Millionen CHF. Diese Differenz bezeichnet man als strukturellen Überschuss. Gemäss der Schuldenbremse muss ein allfälliger struktureller Überschuss zum Ausgleich des ausserordentlichen Kontos verwendet werden. Da keine ausserordentlichen Einnahmen budgetiert sind, dafür aber ausserordentlichen Ausgaben in Höhe von knapp 2 Mrd. CHF, ist im ausserordentlichen Konto ein Defizit von 2 Mrd. CHF verzeichnet. Diese Ausgaben setzen sich zusammen aus der Einmaleinlage in den Infrastrukturfonds von 850 Millionen CHF und aus dem Sanierungsbetrag für die Pensionskasse der SBB von knapp 1,2 Mrd. CHF. Der Infrastrukturfonds bezweckt die Unterstützung des Strassennetzes 2008-2028. Der Sanierungsbetrag für die Pensionskasse der SBB soll der Unterdeckung entgegenwirken.

Insgesamt entsteht also ein Defizit von 2,6 Mrd. CHF. Um dieses Defizit zu finanzieren, ist eine Neuverschuldung von knapp 3 Mrd. CHF notwendig.

Der folgende Abschnitt vergleicht die Entwicklung der Staatsschulden mit dem europäischen Umfeld und geht näher auf die EU-Schuldenkrise ein.

Staatsverschuldung in Europa und in der Schweiz


Abb. 1: Staatsverschuldung in der Schweiz und in einigen EU-Ländern. Quelle: OECD

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verfügt die Schweiz über eine tiefe Staatsverschuldung. Im letzten Jahrzehnt ist die Bruttoverschuldung der Schweiz zuerst auf 57.9% des BIP in 2004 gestiegen, dann aber wieder bis auf 42.1% in 2010 gesunken (siehe Abbildung 1). Dies erreichte die Schweiz unter anderem durch die Schuldenbremse.

Im Gegensatz dazu haben viele EU-Länder massiv Schulden angehäuft und dadurch eine Schuldenkrise herbeigeführt. Griechenland und Irland mussten durch die EU und den Internationalen Währungsfonds (IMF) vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Bei einem Staatsbankrott ist der Staat faktisch zahlungsunfähig und kann seine Forderungen nicht mehr erfüllen, d.h. Investoren erhalten ihr Geld, das sie über Staatsanleihen in den Staat investieren, nicht mehr zurück und werden unter Umständen wenigstens zum Teil für ihren Verlust entschädigt. Wie kam es zu dieser Verschlechterung der Staatsfinanzen?

Ursachen der EU-Schuldenkrise

Als zentrale Gründe für die Schulden-krise in Europa können die längerfristige Ausgabenfreudigkeit gewisser Staaten, die Bankenkrise sowie die Auswirkungen der darauffolgenden Wirtschaftskrise genannt werden.

Ausgabenfreudigkeit der Staaten: Viele Staaten in Europa haben seit längerer Zeit Schulden angehäuft. So war Griechenland bereits im Jahr 2000 mit über 100% seines jährlichen BIP verschuldet. Wie konnte es soweit kommen? Einerseits konnte Griechenland durch die Einheitswährung zu sehr tiefen Zinsen Kredite aufnehmen. Die Kreditgeber unterschätzten dabei das Risiko eines Staatsbankrotts. Andererseits wurden Verletzungen der EU-Regeln zu Defiziten und Verschuldung, dem sogenannten Stabilitätspakt, nicht sanktioniert. Bereits ab 2002 überschritt Deutschland die Verschuldungsgrenze. Seither machten dies auch andere Länder. Im Fall von Griechenland kam noch dazu, dass die Haushaltszahlen gefälscht wurden, um die kritische Lage der Staatsfinanzen zu verbergen. Hier ist allerdings seitens EU zu bemängeln, dass sie die Zahlen nie richtig geprüft hat.

Bankenkrise: Die Bankenkrise ab 2007 führte dazu, dass Länder ihre in Bedrängnis geratenen Banken finanziell unterstützen mussten, was eine Verlagerung von privaten Schulden hin zu Staatsschulden darstellt. Eines der extremsten Beispiele stellt Irland dar. Dort kam zur Bankenkrise noch hinzu, dass national eine Immobilienblase platzte. Bei einer Immobilienblase steigen die Häuserpreise über längere Zeit auf unrealistisch hohe Werte an, bis das Platzen der Blase dazu führt, dass die Preise schlagartig sinken und die Hypotheken der Banken stark an Wert verlieren.

Wirtschaftskrise: Die Bankenkrise ab 2007 führte zu einer globalen Wirtschaftskrise (negatives Wachstum der Wirtschaft). Wirtschaftskrisen belasten die finanzielle Lage von Staaten auf verschieden Arten. Einerseits sinken die Einnahmen der Staaten bei wirtschaftlicher Abkühlung wegen geringerer Steuereinnahmen. Eine Studie der EconomieSuisse sieht darin den wichtigsten Faktor für den Schuldenanstieg in den Industriestaaten. Anderseits mussten viele europäische Länder Konjunkturpakete verabschieden, um den Abschwung der Wirtschaft aufzufangen. Konjunkturpakete sind staatliche Massnahmen, um die Konjunktur zu stützen. Sie belasten den Haushalt durch Mehrausgaben in den Aufgabengebieten.

Wie konnte es zu den drohenden Staatsbankrotten kommen?

Steigen die Schulden eines Landes über ein verkraftbares Mass hinaus, kann es zu einer Schuldenspirale kommen. Mit höherer Verschuldung muss das Land mehr für Zinsen ausgeben. Gleichzeitig verlangen Investoren für ihre Kredite höhere Zinsen vom Staat, weil das Risiko eines Staatsbankrotts zunimmt. Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig und können dafür sorgen, dass ein Staat seine bestehenden Schulden nicht mehr finanzieren kann. Es droht ein Staatsbankrott.

Die Schweiz wurde ebenfalls von der Bankenkrise und der darauffolgenden Wirtschaftskrise erfasst. Jedoch blieben die Konjunkturprogramme und die Intervention bei der UBS (6 Mrd. CHF) auf vergleichbar tiefem Niveau. Dies erklärt zusammen mit der sparsamen Haushaltspolitik (Schuldenbremse), weshalb die Schweiz sich in den letzten Jahren nicht zusätzlich verschuldet hat.

Konsequenzen der Schuldenkrise

Obwohl sich die Lage stabilisiert hat, drohen Europa Konsequenzen aus der Schuldenkrise, wie z.B. die Sparnotwendigkeit, die bestehende Gefahr von Staatsbankrotten und die Euro-Krise.

Sparnotwendigkeit: Um die Finanzen zu stabilisieren, müssen die EU-Länder massiv sparen. Irland und Griechenland haben bereits Massnahmen ergriffen, doch auch Staaten wie Spanien oder Grossbritannien müssen ihre Budgets ausgleichen. Sparmassnahmen birgen jedoch die Gefahr, dass der zögerliche Wirtschaftsaufschwung ganz abgewürgt wird. Im Fall von Griechenland und Irland droht sogar eine langjährige Rezession, also ein negatives Wachstum.

Gefahr von Staatsbankrotten: In Europa besteht die Gefahr, dass weitere hochverschuldete Staaten wie Portugal oder Italien bankrottgehen könnten.

Euro-Krise: Als Konsequenz aus der Schuldenkrise hat sich in 2010 eine Währungskrise gebildet. Da die Defizite hoch verschuldeter Staaten oft über das Drucken von neuem Geld finanziert werden, zeigen die Investoren Angst vor einer Inflation. Dies führt dazu, dass der Euro gegenüber den anderen Währungen an Wert verliert. Hinzu kommen Bedenken, dass die Gefahr von Staatspleiten den Euroraum zur Auflösung der Einheitswährung zwingen könnte.

Konsequenzen der Schuldenkrise für die Schweiz

Obwohl die Schweiz kein Mitglied der Europäischen Union ist, ergeben sich für sie Auswirkungen aus der europäischen Schuldenkrise. Zu den meist diskutierten Konsequenzen zählen die Stärke des Frankens sowie die Bedeutung der Euroländer als Handelspartner.

Stärke des Frankens: Das schwindende Vertrauen in den Euro führte in 2010 dazu, dass die europäische Währung massiv an Wert gegenüber dem Schweizer Franken verlor. Dies bedeutet für die Schweizer Exportwirtschaft, dass ihre Preise für Exporte in den Euroraum stark ansteigen und sie daher an Konkurrenzfähigkeit zu verlieren droht. Allerdings hat die Stärke des Frankens die positive Folge, dass Produkte aus dem EU-Raum für Schweizer Konsumenten günstiger werden. Neueste Statistiken zeigen zudem, dass die Exporte trotz Frankenstärke leicht angestiegen sind.

Bedeutung der Euro-Länder als Handelspartner: Sollte sich die Schuldenkrise in der EU negativ auf die Wirtschaftslage der EU-Länder auswirken, so ist die Schweiz auch davon betroffen. Sie lieferte 2009 rund 60% ihrer Exporte in die EU (112 Mrd. CHF). Sollte sich die Schuldenkrise in eine weitere Wirtschaftskrise entwickeln, droht auch der Schweiz eine Abschwächung der Konjunktur.

Abschliessend lässt sich feststellen, dass die Schweiz eine bessere finanzielle Situation als die meisten EU-Länder aufweist. Das budgetierte Defizit für 2011 und die negativen Konsequenzen der EU-Schuldenkrise auf die Schweiz sind jedoch Anzeichen für eine mögliche Verschlechterung der Finanzlage.

Literaturverzeichnis

Bundesamt für Statistik (2011). Ausfuhr nach Wirtschaftsräumen und Bestimmungsländern. Gefunden am 29. Januar 2011 unter Link

Economiesuisse (2010). Bundesfinanzen: Kapitale Herausforderungen. Gefunden am 29. Januar 2011 unter Link

Economiesuisse (2010). Schuldenkrise erfordert Haushaltskonsolidierung. Gefunden am 27. Januar 2011 unter Link

Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD) (2010). Voranschlag 2011 / Finanzplan 2012-2014. Gefunden am 5. Januar 2011 unter Link

OECD (2010). OECD Economic Outlook No. 88. Gefunden am 27. Januar 2011 unter Link

The Economist (2009). Ireland’s bank debt. The morning after. Gefunden am 29. Januar 2011 unter Link

The Economist (2010). Little triggers – Europe’s resilient economies. Gefunden am 29. Januar 2011 unter Link

Text_Bundesbudget_2011_Endversion_FM.pdf – PDF

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