Obwohl die AHV 2009 einen Überschuss von 3.9 Mrd. Franken erwirtschaftet hat, stellt sich vor dem Hintergrund der demografischen Verschiebungen die Frage, wie die AHV zukünftig finanziert werden soll. Im folgenden Text werden die Funktionsweise und die wichtigsten Einflussfaktoren in der Finanzierung der AHV erläutert. In einem zweiten Schritt wird auf die aktuelle und zukünftige Situation und die damit verbundenen Konfliktpotentiale der AHV eingegangen. Schliesslich werden verschiedene Lösungsansätze zur langfristigen Finanzierung der AHV aufgezeigt.

Funktionsweise

Das Ziel der AHV ist es, die Existenzsicherung im Alter zu gewährleisten. Dabei bildet die AHV die erste Säule des Vorsorgesystems in der Schweiz und soll den Einkommenswegfall im Alter wenigstens teilweise ersetzen. Die zwei weiteren Säulen sind die berufliche und die private Vorsorge.

Die AHV wird zum grössten Teil durch lohnabhängige Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Dabei zahlen unselbstständige Erwerbstätige dabei die eine Hälfte der AHV-Prämie und der Arbeitgeber die andere Hälfte. Bei selbständig Erwerbstätigen ist die Prämienhöhe abhängig vom Einkommen. Der Rest wird durch Bundes- und Kantonsbeiträge finanziert. So fliesst z.B. ein Teil der Mehrwertsteuer, Tabaksteuer und Branntweinsteuer der AHV zu.

Sobald die AHV-Versicherten das Pensionsalter erreicht haben (d.h. Männer ab vollendetem 65. Altersjahr, Frauen ab vollendetem 64. Altersjahr), erhalten sie eine monatliche Altersrente. Es ist aber auch möglich, die Altersrenten bereits vor dem 64./65. Altersjahr zu beziehen. Dies reduziert allerdings die Altersrente um einen bestimmten Betrag. Eine Ausnahme bilden Männer, die im Bau arbeiten, da sie schon ab dem 60. Altersjahr ihre Altersrente beziehen können.

Die AHV funktioniert nach dem Umlageverfahren. Das heisst: Die in einem Jahr eingenommenen Beiträge von den Erwerbstätigen werden innerhalb der gleichen Zeitperiode an die Rentenbezüger wieder ausgegeben. Nur Einnahmen, die die Rentenauszahlungen übersteigen, werden angespart. Dies hat zur Folge, dass die Einnahmen nicht zwingend mit den Ausgaben übereinstimmen.

Aktuelle Lage

Grundsätzlich sind die Renten kurzfristig gesichert. Die AHV verbuchte 2008 ein Defizit von 2 Milliarden Franken, 2009 wurde ein Rekordüberschuss von 3.9 Milliarden Franken verzeichnet. Insgesamt verfügt die AHV derzeit über ein Vermögen von 42 Milliarden Franken. Dies reicht aus, um mehr als die gesamten jährlichen Ausgaben zu finanzieren. Dennoch ist die langfristige Finanzierung der AHV vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen unklar. Eine Studie des Bundes geht in einem mittleren Szenario davon aus, dass die AHV bereits ab 2011 konstante Verluste aufweisen wird und sich das jährliche Defizit bis 2025 auf 7 Milliarden Franken erhöhen könnte.

Probleme der Finanzierung

Die Finanzierung der AHV hängt grundlegend von der Anzahl erwerbstätiger Beitragszahler, der Anzahl Rentner, der Höhe der Beiträge und von der Rentenhöhe ab. In den folgenden zwei Abschnitten werden die einzelnen Punkte genauer erläutert.

Das Hauptproblem der mittel- bis langfristigen Finanzierung der AHV liegt darin, dass immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen.

Wie oben erläutert, finanziert sich die AHV durch das Umlageverfahren Das heisst, dass die erwerbstätige Bevölkerung die Rentner heute finanziert. Daher ist das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den Rentnern einer der wesentlichsten Faktoren zur Finanzierung der Renten. Dieses Verhältnis wird einerseits von der Lebenserwartung und andererseits von der Geburtenanzahl beeinflusst.

Grundsätzlich herrscht ein breiter Konsens über die steigende Lebenserwartung in der Schweiz. Wie hoch diese allerdings in vierzig Jahren sein wird, kann niemand genau vorhersagen und ist oft Gegenstand politischer Debatten. Lebensversicherer verwenden beispielsweise meist andere statistische Berechnungsmodelle als selbstständige Pensionskassen. Zudem wird auch oft argumentiert, dass wichtige gesellschaftliche und medizinische Befunde ausser Acht gelassen werden und daher die Lebenserwartung tiefer sein könnte. So senken beispielsweise Übergewicht und andere Tendenzen zu ungesünderem Leben die erwartete Lebensdauer.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) geht in seinem unten dargestellten Szenario davon aus, dass die im Jahr 2030 65-jährigen Männer durchschnittlich 86 Jahre alt werden und die Frauen ca. 89. Zum Vergleich: 2009 lag die Lebenserwartung der 65-jährigen Männer bei 83.8, die der Frauen bei 87,0 Jahren. Dies hat zur Folge, dass die Rentner im Jahr 2030 im Durchschnitt zwei Jahre länger finanziert und damit mehr Renten ausbezahlt werden müssen.

Die stetig sinkende Geburtenrate in der Schweiz sorgt zusätzlich dafür, dass in Zukunft auch weniger Erwerbstätige vorhanden sind, die Beiträge einbezahlen. Bei den in der Schweiz lebenden Frauen lag die durchschnittliche Zahl der Kinder im Jahr 2002 bei 1,50. Bei den Schweizerinnen liegt sie bei ca. 1.3. Um den Generationenbestand zu sichern, wären 2.1 Kinder im Schnitt erforderlich. Laut einer Prognose der Credit Suisse wird die Geburtenrate von Schweizer Frauen in den nächsten Jahrzehnten auf 1,2 Kinder abnehmen.

Entlastet wird diese Entwicklung durch die zunehmende Migration geburtenstärkerer Nationen. Laut der Credit Suisse-Studie ist in den nächsten Jahrzehnten anzunehmen, dass die Einwanderung zunehmend aus Ländern erfolgt, die höhere Geburtenraten als die Schweiz aufweisen.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) prognostiziert – in Abbildung 1 ersichtlich – das Verhältnis der 20- bis 64-jährigen Bevölkerung zur über 64-jährigen Bevölkerung. Während 2010 in der Schweiz für jeden Rentner ca. 3.63 Erwerbstätige aufkommen müssen, werden es voraussichtlich im Jahr 2030 nur noch 2.33 Erwerbstätige sein.


Diese Entwicklung zeigt auf, dass die aktuellen Leistungen mit den bestehenden Lohnbeiträgen kaum zu finanzieren sein werden.

Der dritte relevante Faktor ist die Produktivität der Wirtschaft. Diese misst, wie leistungsfähig eine Wirtschaft ist. Wenn sie höher ist, steigen die Löhne, was wiederum die Rentenbeiträge in die Höhe erhöht. Der Einfluss wäre allerdings grösser, wenn die Renten neben Preisänderungen nicht auch noch zur Hälfte an die Reallohnentwicklung angepasst würden.

Sollte sich das Verhältnis von Arbeitstätigen zu Rentnern wie prognostiziert verschieben, erscheint eine Änderung in der AHV unabdingbar, auch wenn die Renten kurzfristig gesichert sind.

Der folgende Abschnitt zeigt die verschiedenen Lösungsansätze zur langfristigen Finanzierung der AHV auf.

Langfristige Finanzierungsmöglichkeiten

Zwar ist man sich einig darüber, dass die Lebenserwartung steigt und somit, dass sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Beitragsempfängern ändert. Dennoch unterscheiden sich die verschiedenen Lösungsansätze grundlegend:

Leistungskürzungen

Eine der simpelsten Lösungen wäre eine Kürzung der Renten aller Bezüger vorzunehmen. Eine entschärfte Variante sieht die Kürzungen der Neurenten vor. Dem wird oft Ungerechtigkeit entgegen gehalten, weil die aktuellen Rentner dann keinen Beitrag zur Finanzierung leisten müssten.

Eine andere Form der Leistungskürzung bestünde darin, dass man die Rentenhöhe nicht mehr an der Entwicklung der realen Löhne anpassen würde. Bei steigender Produktivität der Schweizer Volkswirtschaft würden dann die Löhne und somit die Beiträge steigen, ohne dass die Leistungen mit angehoben würden. Dies hätte einen positiven Effekt auf die Finanzierung. Kritiker sehen darin allerdings eine relative Verarmung der Rentner. Während das verfügbare Einkommen der erwerbstätigen Bevölkerung wegen der steigenden Reallöhne zunimmt, steigt dasjenige der Rentner nicht.

Zusätzliche Einnahmen

Eine weitere Möglichkeit wäre die Erhöhung der Einnahmen. Beispielsweise würde eine Erhöhung der Lohnbeiträge die Einnahmen steigern. Gleichzeitig würde das verfügbare Einkommen der erwerbstätigen Bevölkerung aber reduziert. Es entstünde eine zusätzliche Umverteilung von jung zu alt.

Ein anderer Ansatz wäre, die AHV verstärkt über Steuern zu finanzieren. Konkrete Vorschläge möchten dazu Erbschafts- und Schenkungssteuern wieder einführen, die teilweise abgeschafft worden sind. Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV steht oft zur Diskussion. Dies hätte den Vorteil, dass auch gut situierte Rentner ihre Rente mitfinanzieren müssten und sich die Beiträge zudem an das Konsumniveau anpassen würden. Durch diese erhöhte Steuer würden allerdings auch die Preise steigen und den Konsum somit verteuern.

Ansätze zur Erhöhung des Verhältnisses Erwerbstätige – Rentner

Rentenaltererhöhung

Ein weiterer Lösungsansatz wäre eine Anpassung an die demografischen Veränderungen, indem das Rentenalter erhöht würde. In diesem Bereich anzusiedeln wäre auch eine Anpassung des Rentenalters der Frauen an das der Männer. Dies könne damit gerechtfertigt werden, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Mit diesem Lösungsansatz würde das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentner weniger stark sinken. Durch das höhere Rentenalter würden die Anzahl Rentner und damit auch die Rentenausgaben sinken. Die zusätzlichen Arbeitsjahre würden gleichzeitig die Beitragszahlungen und damit die Einnahmen der AHV steigern.

Oft steht in diesem Zusammenhang auch eine Flexibilisierung des Rentenalters zur Debatte. In diesem Kontext werden auch Massnahmen diskutiert, welche Anreize schaffen sollen, dass sich die Rentner freiwillig später pensionieren lassen.

Eine weitere Möglichkeit wäre zudem eine Erhöhung des Rentenalters für verschiedene Berufsgruppen. Berufsgruppen mit höherer Lebenserwartung sollen beispielsweise erst mit 70 Jahren eine Altersrente erhalten. Schwerarbeiter hingegen haben eine niedrigere Lebenserwartung und dürften folglich früher in Rente gehen.

Ein ähnlicher Vorschlag verlangt anstelle eines fixen Pensionsalters eine fixe Anzahl Beitragsjahre. Dann müssten insbesondere Akademiker, die während ihrem Studium nichts oder nur wenig in die AHV einbezahlen, länger arbeiten. Bei einer durchschnittlichen Studienzeit von rund 5 Jahren würde dies bedeuten, dass ein Masterstudiums-Absolvent erst mit ca. 70 Jahren pensioniert würde.

Generell lässt sich sagen, dass ein höheres Rentenalter positive Auswirkungen auf die finanzielle Lage der AHV hat. Es stellt sich jedoch die gesellschaftliche Frage, inwiefern die Bevölkerung von den physischen Gegebenheiten länger arbeiten kann und ob sie dazu auch bereit wäre.

Erhöhung der Geburtenraten

Ein weiterer Lösungsansatz zielt auf die Erhöhung der durchschnittlichen Geburtenrate der Schweizerinnen, um so das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern zu verbessern. Befürworter sagen, der Staat solle Anreize schaffen, damit es sich für Familien wieder mehr lohnt, Kinder zu bekommen. Dazu gehören Massnahmen wie die Errichtung von Kindertagesstätten, um die Erwerbstätigkeit von Müttern zu unterstützen, eine Erhöhung der Kinderzulagen, Vaterschaftsurlaub und weitere steuerliche Entlastungen. Gegner vertreten die Ansicht, der Staat solle sich nicht so direkt in die Angelegenheit seiner Bürger einmischen. Zudem müssten entweder die Steuern erhöht oder andere Leistungen gekürzt werden, um die geburtenfördernden Massnahmen zu finanzieren.

Förderung der Immigration

Ein anderer Lösungsansatz wäre die Lockerung der Immigrationspolitik, mit dem Ziel, weitere geburtenstarke Einwanderer in die Schweiz zu holen. Dadurch würden auch die Zahlen der Erwerbstätigen direkt erhöht werden, da die Migranten – insbesondere diejenigen aus EU-Staaten – meistens im erwerbsfähigen Alter und erwerbstätig sind.

Kritiker vertreten hingegen die Ansicht, dass die Immigration bereits eine kritische Grösse angenommen habe und dass diese finanziell negative Auswirkungen auf die Sozialwerke der Schweiz entwickle. Inwiefern diese gegenläufigen Meinungen zutreffen, lässt sich anhand von statistischen Daten nicht endgültig feststellen.

Fazit

Die zentrale Abwägung zur Finanzierung der AHV liegt darin, dass man entweder die Einnahmen erhöht und so die arbeitstätige Bevölkerung weiter durch eine Umverteilung von jung zu alt belastet, oder alternativ die Leistungen kürzt und so die finanzielle Absicherung des Lebensabends schwächt. Vermehrte Immigration und die Förderung von Geburten wären Möglichkeiten zur Umgehung der genannten Abwägung. In den kommenden Jahren werden die Massnahmen zur Finanzierung der AHV wohl vermehrt ins Zentrum öffentlicher Debatten gestellt. Bisher konnten die beschriebenen Lösungsansätze isoliert betrachtet keine Mehrheiten im Parlament erlangen. Die 11. AHV-Revision wird deshalb wahrscheinlich – um mehrheitsfähig zu sein – verschiedene Lösungsansätze berücksichtigen müssen.

Literaturverzeichnis

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AHV%202010-1.pdf – PDF

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