Der Eigenmietwert beschäftigt die Politik schon lange. Besser gesagt, die Besteuerung des Eigenmietwerts. In den letzten zwei Jahrzehnten ist es mehrmals zu Initiativen und parlamentarischen Vorstössen gekommen, die eine Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung forderten. Dieser Text erklärt, was der Eigenmietwert ist, wieso er so umstritten ist und was die momentanen politischen Entwicklungen dahingehend sind.

Was ist der Eigenmietwert?

Um zu verstehen, was es mit dem Eigenmietwert auf sich hat, muss man sich zuerst mit den Grundzüge der Einkommenssteuer befassen. Die ordentliche Einkommenssteuer wird in der Schweiz vom Bund und von den Kantonen erhoben. Dieser Steuer unterliegen die natürlichen Personen, die in der Schweiz ihren Wohnsitz haben. Mit anderen Worten unterliegen alle Menschen, die in der Schweiz wohnen der Einkommenssteuer. Diese Personen müssen somit Steuern auf ihr Einkommen zahlen. Als Einkommen gelten grundsätzlich alle Mittelzuflüsse. Das sind zum Beispiel Geld, das man aus der Arbeit erhält (Lohn) oder Dividenden, die einem aus dem Halten von Aktien zufliessen. Auch andere Mittelzuflüsse unterliegen der Einkommenssteuer, egal ob sie eine Person in Form von Geld oder von sogenannten Naturalleistungen (siehe Box «einfach erklärt») erhält. Daher untersteht auch die gratis Verpflegung am Arbeitsplatz der Einkommenssteuer. Des Weiteren gelten auch Mieteinnahmen als steuerbare Einkünfte. Wenn also jemand ein Haus gekauft hat und die Wohnungen darin vermietet, muss er auf diese Einnahmen die Einkommensteuer abgeben. Was aber, wenn ein Wohneigentümer selbst in seinem Haus wohnt? Bei einem Mietvertrag wird einfach ausgedrückt ein Mietzins gegen eine Unterkunft getauscht. Wohnt der Wohneigentümer selbst in seinem Haus, so verzichtet er auf die Mieteinnahmen, hat dafür aber eine Unterkunft für sich. Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, das unter anderem die Einkommenssteuer regelt, schreibt nun vor, dass der Mietzins, auf den der Hauseigentümer verzichtet, ebenfalls als Einkunft gilt und somit besteuert wird. Das Gesetz fingiert also ein Einkommen. Tatsächlich fliesst dem Hauseigentümer aber gar kein Geld zu. Worin sieht das Gesetz also eine steuerbare Einkunft? Der Verzicht auf den Mietzins bedeutet, dass eine steuerbare Einkunft «verloren geht» und somit der Staat darauf keine Steuern erheben kann. Die Möglichkeit in dem Haus zu wohnen wird aber als eine Art Naturalleistung angesehen. Das heisst, das Wohnen selbst ist die steuerbare Einkunft. Anders gesagt, hat das Haus einen bestimmten Nutzungswert. Diesen kann sich der Hausbesitzer von einem Mieter ausbezahlen lassen oder durch eigene Nutzung selbst abschöpfen. Die Besteuerung dieser Eigennutzung wird aber nur bei Liegenschaften angewandt. Um den Nutzungswert zu berechnen, wird auf den Eigenmietwert abgestellt. Dieser wird dann dem steuerbaren Einkommen zugerechnet. Der Eigenmietwert wird dabei entweder von einem Liegenschaftsschätzer geschätzt oder über gewisse Formeln berechnet, wobei den Verhältnissen (Lage, Baujahr, Marktverhältnisse, Nutzungsintensität usw.) Rechnung getragen werden muss. Der so ermittelte Wert sollte den Marktwert der Liegenschaft so gut wie möglich widerspiegeln. Bei der Besteuerung auf kantonaler Ebene (kantonale Einkommenssteuer) kann die Ermittlung des Eigenmietwerts je nach Kanton sehr unterschiedlich ausfallen. So könnten zwei beinahe identische Liegenschaften in zwei verschiedenen Kantonen einen deutlichen anderen Eigenmietwert zugeschrieben bekommen.

Zumindest auf den ersten Blick scheint die Besteuerung des Eigenmietwerts nicht gerechtfertigt. Allerdings haben die betroffenen Eigenheimbesitzer gewisse Kosten, die sie von der Eigenmietwertbesteuerung abziehen können. Wenn man sein Haus mit einer Hypothek finanziert hat, kann man beispielsweise den darauf bezahlten Zins abziehen. Auch Unterhaltskosten für die Liegenschaft und Versicherungsprämien können in Abzug gebracht werden.

Politische Entwicklungen

An der Besteuerung des Eigenmietwerts wird schon seit Jahren Kritik geäussert. Die Reform beziehungsweise Aufhebung der Besteuerung des Eigenmietwerts wurde in den letzten Jahrzehnten schon öfters abgelehnt. Trotzdem wird dieses Thema immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert. Das heutige System hat Mängel, es ist aber schwierig eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind. Zu den Kritikpunkten gehören insbesondere die kantonalen Unterschiede in der Ermittlung des Eigenmietwerts, die Verschuldung der Haushalte und fragwürdige Gerechtigkeit der Eigenmietwertbesteuerung.

Kantonale Unterschiede

Gegner der heutigen Eigenmietwertbesteuerung sind nicht immer für eine Abschaffung desselben. Einige möchten die Besteuerung vielmehr vereinheitlichen, um unfaire Unterschiede zwischen den Kantonen zu vermindern. Die Ermittlung des Eigenmietwerts ist das Ergebnis einer Schätzung. Das heisst, dass die kantonalen Steuerbehörden einen grossen Ermessensspielraum haben. Die hieraus resultierende unterschiedliche Behandlung in den verschiedenen Kantonen empfinden viele Wohneigentümern als ungerecht.

Verschuldung

Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Hypothekarzinsen, so wie sie heute möglich ist, kann Wohneigentümern einen Anreiz geben, sich zu verschulden. Die abgezogenen Schuldzinsen verkleinern das Einkommen und somit zahlt man weniger Einkommenssteuer. Dieser Anreiz zur Verschuldung wird kritisch gesehen. Eine hohe Verschuldung der Haushalte stellt ein Risiko für die Finanzstabilität im Land dar.

Gerechtigkeitsfrage

Das Argument der Gerechtigkeit kann man von zwei Seiten her betrachten: Einerseits zahlt man bei anderen Vermögenswerten als Liegenschaften auch keine Steuern auf den Nutzungswert. Wieso also für Wohneigentum schon? Andererseits braucht jede Person ein Dach über dem Kopf. Ob man dieses nun mietet oder in seinem Eigentum hat, soll steuerlich keine Rolle spielen. Da der Wohneigentümer sein Einkommen (Nutzungswert der Wohnung) versteuern muss, kann er dafür die Kosten für das Haus (Instandhaltung und ähnliches) abziehen.

Des Weiteren trifft die Besteuerung des Eigenmietwerts besonders die Wohneigentümer in Rente. Diese haben oft einen Grossteil oder die ganze Hypothek auf ihrer Wohnung abbezahlt. Daher können sie keinen Schuldzins mehr von den Steuern abziehen und zahlen im Ergebnis vergleichsweise mehr Steuern. Eine Abschaffung des Eigenmietwerts oder eine Änderung der Abzugsmöglichkeiten könnte diesen Missstand beheben.

Ausblick

Die genannten Kritikpunkte zeigen, dass die Diskussionen um den Eigenmietwert die Politik wohl weiterhin beschäftigen wird. Im Parlament wurde im Jahr 2017 eine parlamentarische Initiative mit dem Namen «Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung» eingereicht. Mit dieser soll eine Gesetzesänderung erreicht werden, wodurch die Besteuerung des Eigenmietwerts bei selbstgenutztem Wohneigentum abgeschafft würde. Dies würde aber nur für den Hauptwohnsitz gelten. Auf den Eigenmietwert von Zweitwohnungen würde weiterhin die Einkommenssteuer erhoben. 2019 wurde ein Vorentwurf der Gesetzesänderung verabschiedet und in die Vernehmlassung geschickt. Nun wird anhand des Ergebnisses dieser Vernehmlassung ein angepasster Entwurf der Gesetzesänderung erstellt. Über diesen soll das Parlament im Jahr 2021 abstimmen. Es sind aber noch immer Kernfragen offen wie zum Beispiel, ob die Schuldzinsen weiterhin abzugsfähig sein sollen. Zudem konnten bisher energietechnische Sanierungen von dem steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Wenn solche Abzüge nicht mehr möglich wären, würde das im Widerspruch zur Energiestrategie 2050 des Bundes stehen. Sollte das Parlament den neuen Entwurf annehmen, so könnte dagegen ein Referendum ergriffen werden. Das würde dazu führen, dass das Volk über die Gesetzesänderung entscheiden würde. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass es schwierig sein wird, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.

Literaturverzeichnis

Hirterm, H., Benteli, M., Bernath, M., Ehrensperger, E. (2002). Schweizerische Politik 1990 bis 2001 – Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse und Entscheidungen. Gefunden am 06.03.2020 unter Link

Reich, M. (2012). Steuerrecht. (2. Auflage). Zürich: Schulthess.

Parlament. (2017). Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung – Geschäft 17.400. Gefunden am 06.03.2020 unter Link

Parlament. (2019). Medienmitteilung – Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung. Gefunden am 06.03.2020 unter Link

Parlament. (2019). Votum Bischof Pirmin – Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung. Gefunden am 06.03.2020 unter Link

PA_Eigenmietwert_final.pdf – PDF

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