1. Gesundheitswesen

Bürokratisches Managed Care System (MC): Der falsche Weg

Bundesrat Burk­hal­ter stellt in Aus­sicht, mit einem staat­lich re­gu­lier­ten Ma­na­ged Care Sys­tem (MC) könnten bis zu einer Mil­li­arde Fran­ken am­bu­lante Kos­ten ein­ge­spart und ent­spre­chend die Prämien re­du­ziert wer­den. Das entspräche einem Per­so­nal­ab­bau in der am­bu­lan­ten Me­di­zin von ca. 6000 Per­so­nen.

Was bedeutet Managed Care (MC) oder – wie es nach dem deutschen Vorbild jetzt im Gesetz heisst – “integrierte Versorgung”?

Was bedeuten die Beschlüssen des Parlaments vom Dezember 2010?

Ein Versicherter, der sich bei einem MC-Modell registrieren lässt, akzeptiert einen vorgegebenen Arzt (im Hausarztmodell) oder eine vorbestimmte Ärztegruppe (im HMO-Modell) als sog. Gatekeeper. Der Gatekeeper entscheidet, welchen Arzt der Patient aufsuchen und welche Behandlungen und Medikamente er beanspruchen darf. Das gilt zwingend für sämtliche Krankheiten, vom Schnupfen über Frauen-, Kinder-, Augen- und Ohrenkrankheiten bis zum Krebs.

Im MC-Modell werden die MC-Ärzte nicht für die konkret erbrachten Leistungen honoriert, sondern sie erhalten eine zum voraus festgelegte Pauschale pro Patient (sog. Capitation). Damit wird ein Teil des finanziellen Risikos von der Versicherung auf die Ärzte übertragen. Dieses System ist zwingend. So soll die Milliarde Franken eingespart werden.

Was steht für den Versicherten und Patienten auf der positiven Seite?

Wie bereits heute kann er im MC-Modell mit Prämienrabatten rechnen (ca. 25%). Ausserdem bezahlt er jährlich eine maximale Kostenbeteiligung von 800 Franken. Ausserhalb eines MC-Modells kostet ihn die maximale Kostenbeteiligung pro Jahr 500 Franken mehr, nämlich 1300. Heute beträgt die maximale Kostenbeteiligung (inkl. Normalfranchise) pro Jahr für alle 1000 Franken.

Werden sich die Erwartungen in dieses staatlich verordnete Managed Care-System erfüllen ?

Ich bin skeptisch:

1. Heute wird mit MC-Modellen primär Risikoselektion betrieben: MC-Versicherte sind regelmässig massiv jünger und gesünder als der Bevölkerungsdurchschn​itt. Daraus resultieren die Einsparungen und deswegen gibt es die Prämienrabatte. Systembedingte Effizienzgewinne lassen sich nicht nachweisen. Für eine generelle Privilegierung bei der Kostenbeteiligung gibt es keine objektive Begründung. Die Kostenbeteiligung sollte nur bei MC-Modellen abgesenkt werden, die tatsächlich ohne Risikoselektion erfolgreich sind.

2. Das bundesrätliche MC-Modell verstärkt die Risikoselektion: in allen MC-Modelle müssen die MC-Ärzte zwingend ein persönliches finanzielles Risiko übernehmen. Es ist klar, das sie durch entsprechende Patientenselektion ihr Risiko möglichst tief halten. Die Behandlung eines Chronischkranken ist für einen MC-Arzt alles andere als attraktiv.

3. 20% der Versicherten versursachen rund 80% der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung. Diese Patienten benötigen jährlich Behandlungen von 5000 CHF bis über 100000 CHF. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Diabetes-, Herz-Kreislauf-, Aids- oder Krebspatient die freie Arztwahl aufgibt, nur weil er pro Jahr max. 500 CHF bei seiner Kostenbeteiligung einspart.

 

MC-Mode​lle müssten primär auf Kompetenz, Qualität sowie Gestaltungs- und Vertragsfreiheit der beteiligten Partner aufgebaut sein. Gesetzlicher Vertragszwang, Angebotszwang, Budgetzwang, Organisationszwang, Tarifzwang, Einheitsbrei und bürokratische Steuerung der ganzen Bevölkerung bringen nichts.

 

 

Polymo​rbid und chronisch kranke Patienten wählen dann allenfalls ein MC-Modell, wenn es sich um ein Kompetenzzentrum für ihre spezifische Krankheit handelt. Die besonders qualifizierte und spezialisierte Behandlungsqualität ist der Anreiz und nicht Einsparung von 500 Franken.

Kompetente und qualifizierte Behandlung bei schweren Krankheiten ist das Ergebnis spezialisierter ärztlicher Erfahrung in vielen gleichartigen Fällen. Nur in solchen Kompetenzzentren ist es möglich, Ärzteteams und Behandlungsrichtlinie​n aufzustellen, die einen optimalen und auch effizienten Behandlungsablauf ermöglichen.

Für solche indikationsfokussiert​e MC-Zentren müsste das Gesetz finanzielle Anreize vorsehen und zwar sowohl für Patienten wie Ärzte. Die Art und Weise der Behandlung der Hochkostenfälle ist unter dem Gesichtspunkt der Qualität wie der Kosten ausschlaggebend und nicht die Behandlung von Schnupfen und Grippe.

Solche indikationsfokussiert​e MC-Modelle lehnt der Bundesrat jedoch ab und das Parlament ist ihm leider gefolgt. Bürokratische Systeme und Verstaatlichung sind zur Zeit im Gesundheitswesen politisch hoch im Kurs. Bei allen Krankheiten sollen 60% der Schweizer Bevölkerung durch das neue, gesetzlich regulierte MC-System gesteuert und geschleust werden.

Eine bürokratische Herkulesarbeit ohne erkennbaren Nutzen. Die Senkung der Kostenbeteiligung für 60% der Bevölkerung wird nicht Prämiensenkungen sondern zusätzliche Prämienerhöhungen auslösen.

In der Dezembersession 2010 wurden die Weichen falsch gestellt. www.eugendavid.ch

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Comments to: Bürokratisches Managed Care System (MC): Der falsche Weg
  • Dezember 23, 2010

    Das ganze Elend der Krankenkasse ist, dass es eine bürokratische Zwangsversicherung ist! Dieser Zwang garantiert allen, von der KK bis zur Pharmaindustrie garantierte Profite auf unsere Kosten. Würde das Obligatorium abgeschafft, müssten sich die Krankenkassen und alle Player in der Gesundheitsindustrie wieder Bemühen Konkurenzfähige Produkte anzubieten.

    Heute z.B. kauft eine Artztpraxis eine Magnetresonanzmaschin​e und lässt mal jeden Patient von dieser Durchchecken um das Gerät zu amotisieren. Dies ist in den allermeisten Fällen unnötig, garantiert aber unheimliche Profite!

    Auch müsste es wieder möglich sein, dass Leute mit Eigenverantwortung die einen grossen Selbstbehalt wählen dafür wieder einen Rabatt erhalten.

    Das Ganze Gesundheitssystem ist von den Lobbyisten, zu denen auch Eugen David gehört, zu einer riesigen Geldmaschiene für einige Wenige aufgebaut worden.

    Leider gibt es keine Politiker die im interesse des Volkes politisieen, alle sind irgendwie mit Verbänden und Industrien verbunden, die unsere Politiker für ihre Interessen bezahlen. So ist von dieser Seite nichts konstruktives zu erwarten. So sind wir das Volk für diese Herren zu einer Geldmelkmaschine degradiert worden. Sie werden uns das Geld weiter aus der Tasche ziehen und werden nicht Rot dabeì!

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    • Januar 3, 2011

      Leider ist ihre Folgerung falsch: im Unterschied zu einer Wahlleistung wie etwa eine Reise, sind die teureren Behandlungen oft eine Wahl zwischen Leben und Tod. In einer totalen Marktwirtschaft würde ein Arzt / ein Pharamaunternehmen für die Behandlung genau soviel verlangen, wie sie als Vermögen auf der Seite haben. Daher müssen in der Gesundheitsindustrie dauernd Maximalpreise erzwungen werden.

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    • Januar 4, 2011

      Schön gesagt Herr Keller, nützt mir aber nichts! Da ich, um mir die aufgezwungene KK-Prämie zu leisten, den Selbstbehalt 2500.- habe, kann ich mir einen Arztbesuch bzw. Krankenhaus schlicht nicht mehr leisten, ich war 1996 das letzte mal beim Arzt und ich werde nie mehr einen Arzt besuchen, aber ich muss immer KK bezahlen. Ohne KK-Prämien würde ich mir einen Arztbesuch wieder leisten können!

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    • Januar 5, 2011

      Sehr geehter Herr Grimm,
      Wenn sie die KK-Prämie bei geringstem Selbstbehalt trotz Prämienverbilligung nicht bezahlen können, müssen sie sich unbedingt über die SKOS Richtlinien informieren und sich beim Sozialamt der Gemeinde melden. Sie haben ein legitimes Anrecht auf Sozialhilfe, seien sie nicht zu stolz dazu! Das sage ich Ihnen als SVP Waähler.

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  • Dezember 23, 2010

    Das ist doch alles nur Kosmetik und hilft langfristig nichts. Weshalb ist das Gesundheitswesen in der Schweiz so teuer. Die Antwort gibt es schon lange. Mit unseren Geldern wird eine viel zu grosse Infrastruktur am Leben gehalten. Es gibt über 300 Spitäler in der Schweiz. Nach Berechnungen von Experten würden aber 50 reichen. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, müssen wir bei diesem Punkt ansetzen. Somit mein Vorschlag:

    1. Die Spitäler werden auf 50 Reduziert. Mit Ausnahme der Notfallversorgung spezialisieren sich diese auf einzelne Fachgebiete (z.B. braucht es in der Schweiz sicher nicht mehr als 1 Zentrum für Herzoperationen). Dies würde auch die Qualität der Medizin erhöhen. Ich bin jederzeit bereit etwas weiter zu reisen wenn ich dadurch die Gewähr habe, dass sich Experten um mich kümmern.

    2. Die anderen Spitäler werden zu Notfallstationen umgebaut. Auch könnten sich an diesen Orten Ärzte in Ärztezentren zusammenschliessen.

    3. Dadurch werden viele Resourcen (Spitalbetten und Personal) frei. Wir bekommen aber durch die Überalterung in nächster Zukunft Kapazitätsprobleme im Pflegebereich. Somit könnten die frei werdenden Resourcen gerade in diesem Bereich genutzt werden.

    4. Noch immer sind die Medikamentenpreise in der Schweiz höher als im Ausland. Somit müssen Paralellimporte in Zukunft zugelassen werden.

    Dies sind nur ein paar Grundsatzgedanken zum Thema. Grundsätzlich bin ich ja ein Befürworter des Föderalismus. Aber in diesem Bereich kann es sich die Schweiz nicht mehr leisten, lokal zu Denken. Das Gesundheitswesen ist so komplex geworden, dass eine gesamtheitliche Lösung für die Schweiz gefunden werden muss.

    Leider sind diese Vorschläge nur ein Traum und Ilusion. Unsere Politiker sind leider nicht mehr bereit, zum Wohle des Landes zu politisieren. Sie haben sich leider zu Interessensvertreter einzelner degradiert. Auch ist leider nur noch Parteipolitik und nicht mehr Sachpolitik im Mittelpunkt. Aber man darf ja die Hoffnung nicht aufgeben.

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    • Juli 18, 2021

      Bravo Herr Steiner!

      Dann erübrigt sich auch gleich der Fachkräftemangel im Bereich Medizin/Pflege, die im Moment durch die (deutsche) Zuwanderung kompensiert werden.

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  • Dezember 23, 2010

    Das Gesundheitssystem sollte wirklich mal von Grundauf überdenkt werden. Dabei sollte das Wohl des Bürgers im Vordergrund stehen und nicht die Firmen. Wir bezahlen heutee schon mehr als genug Prämie ( +/- 10 % vom Einkommen für Normalverdiener als Einzelpersonen im “Besten Alter”, Familien mehr!). Wenn man Dinge koordiniert, so braucht es weniger oft die gleichen Untersuchungen (hoffentlich) – sofern die Ärzte, welche auch bloss Menschen sind, gut hinschauen, was leider auch nicht immer gewährleistet ist – sind sie ja auch bloss Menschen. Soweit könnte ich diesem System (MC) noch zustimmen. Was jedoch der falsche Weg ist, ist wenn wir das “Amerikanische Gesundheitssystem” kopieren werden (keine obligatorische Krankenversicherung).​ Die Versicherungen werden sicherlich mehr als sonst keine Risikopatienten mehr versichern mit dem Resultat, dass die Kosten z.B. für Krebsbehandlungen etc. voll zu Lasten der Patienten, resp. der Familien gehen. Somit würde also Armut kreiert. Deshalb meinerseits ein “Ja” zu diesem Obligatorium, jedoch ein “Nein” zu Interessenkonflikten innerhalb der Politik und Wirtschaft inkl. Lobbyisten….

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  • Dezember 31, 2010

    Man kann auch im Gesundheitssystem sparen ohne Einschränkungen für den wirklich kranken Patienten zu erzielen:

    – Sie sagten 20% der Patienten verursachen 80% der kosten. Welche Kosten sind hier besonders hoch? Kann man hier gewisse Behandlungen oder Abläufe optimierter durchführen?

    – Nicht Bezahlung von “freiwilligen” Eingriffen:
    * Schönheitsoperationen​ (ausgenommen Unfälle/Krankheit)
    * Kaiserschnitt (ausgenommen Steissgeburt/Notfall/​…)
    * …

    – Bezahlung vom Generika-Preis. Aufpreis auf Original muss Patient selber bezahlen.

    – Optimieren der Versicherungen:
    * Verbieten von Werbung (Plakat/Print/Online/​Fernseh).
    * Weniger KK-Wechsel z.B. dass er nur alle 3 Jahre möglich ist => gleichbleibender Preis der Prämie => langfristiger denkende Risikokalkulation durch die Versicherungen
    * Regelung, wie KK ihre Reserven anlegen (z.B. nur CH Staatsanleihen anstatt am Markt verzocken).

    – Jeder selbst sollte beitragen:
    * Wenn man gewisse Pillen nicht schlucken wird, dann auch nicht kaufen
    * Nicht gleich ins Spital zur Untersuchung rennen, erst zum Hausarzt
    * …

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  • Januar 3, 2011

    “Solche indikationsfokussiert​e MC-Modelle lehnt der Bundesrat jedoch ab und das Parlament ist ihm leider gefolgt.” Frage: Welche Parteien sind dafür, welche dagegen? Gab es da schon im Parlament Abstimmungen?

    Es ist nähmlich ein interessanter Ansatz, und war wegen der Qualität der Behandlung und nicht wegen allfälligen Kosteneinsparungen.

    Die Kosten könnten aber zudem noch ca. 10% gesenkt werden, wenn man den Abrechnungs- und Geldkreislauf automatisiert. Mein Vater war polymorbid und erhielt in einem Jahr von der Krankenkasse über 100 Abrechnungen per Post. Sinnloserweise wurden da Geldbeiträge zwischen Leistungserbringer, Patient und Krankenkasse hin- und hergeschoben. Immer wieder falsche oder verspätette Abrechnungen von Krankenkasse und Leistungserbringer. Jder Anspruch muss mit Formularen geltendgemacht werden…

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    • Januar 8, 2011

      Guter Punkt. Aber Abrechnungen kann man automatisieren. Der Staat sollte gemeinsam mit den Versicherungen über Möglichkeiten zum standardisierten Datenaustausch diskutieren und eine Lösung ausarbeiten.
      Der Punkt ist hier nicht wirklich die Rechnung via Post (geringe Kosten). Vielmehr unnötiges Erstellen von Dokumenten und hin- und herschieben von Geldbeträgen.

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  • Februar 13, 2011

    Lieber Anton Keller: Ja, die Gesundheitskosten können um 10% gesenkt werden und zwar sehr schnell. Wie ? Indem man die überrissenen Tarmed-Arzthonorare um 10% (oder mehr) kürzt. Oder ist es gerechtfertigt, für eine 12-minütige Katarakt-Routineopera​tion, die 17-20’000x/a ausgeführt wird, 2300.- zu verrechnen ? Das erlaubt der Tarmed-Tarif ! Der sollte dringendst revidiert werden. Doch da ist mit dem Superlobbying der FMH zu rechnen. Für einen BR wäre das fast Selbstmord. Deshalb wird diese Sparmöglichkeit nicht genutzt und man schräubelt ein bisschen an Brillen- und Hörgerätevergütungen rum und hackt zum x-ten Mal auf der Pharmaindustrie herum (ohne Hoöopathie, die wird ja gesetzwidrig wieder vergütet).

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