1. Bildung & Forschung

Qualitätssicherung im Fach «Religion und Kultur»

Zeitlicher Ablauf

Komment​ar zur Ant­wort des Stadtrats

(Verlese​n als persönliche Erklärung am 28. März 2011 im Gros­sen Ge­mein­de­rat Win­ter­thur)

Die Antwort des Stadtrats auf Weisung GGR Nr. 2010/130 betr. Schriftliche Anfrage Qualitätssicherung im Fach «Religion und Kultur» zeigt, dass die in der Anfrage unterstellten Missstände tatsächlich existieren. Tatsächlich fehlt es sowohl an geeignetem Unterrichtsmaterial, wie auch an an geeignet ausgebildeten Lehrpersonen. Wie leider in der Schulpolitik des Kantons Zürich sehr oft, wurde eine Reform vorschnell und schlecht vorbereitet umgesetzt. Bereits bei der Integrativen Förderung war das der Fall. Hier möchte ich dringend an die Stadtregierung appellieren, künftig Reformen zurückhaltend umzusetzen und erst Lehrmittel, sowie Lehrkräfteausbildung abzuwarten und erst dann mit der lokalen Umsetzung zu beginnen.

Auch bleibt die Kritik bestehen, dass im Lehrmittel auf die am schnellsten wachsende zweitstärkste Religion nicht eingegangen wird: Die Religionslosigkeit. Bei immer mehr Menschen tritt Religion in den Hintergrund. Das in der Entwicklung befindliche Lehrmittel versucht hier, die Zeit zurück zu drehen. Religion wird im neuen Fach zu Unrecht überbewertet. Dabei ist es falsch, Religion dermassen wichtig zu nehmen. Religion ist Privatsache und soll es auch bleiben, denn über Religion kann man sich niemals einigen. Einigen können wir uns allerdings über alle Religionen und Kulturen hinweg auf gemeinsame Werte. Unsere Werte sind die Menschenrechte, Demokratie, Vernunft, Gleichberechtigung. Es ist völlig egal, ob der einzelne Mensch diese Werte aus dem Christentum bezieht, aus dem Islam oder aus einem aufgeklärten weltlichen Humanismus. Statt so etwas umstrittenes wie Religion ins Zentrum zu stellen, sollten wir uns besser mit Werten und Ethik beschäftigen.

Schr​iftliche Anfrage

Nach dem Bildungsrat des Kantons Zürich soll neu ein Fach «Religion und Kultur» eingeführt werden. Die Zentralschulpflege Winterthur hat daher beschlossen, die Einführung des Fachs Religion und Kultur mit dem Schuljahr 2009/10 einlaufend mit der 1. Klasse umzusetzen.

Allerdin​gs sind Inhalt und Lehrmittel noch immer heiss umstritten. Es stellt sich die Frage, wie unter dieser Voraussetzung der Unterricht sinnvoll gestaltet werden kann. Der Vertreter der Freidenkervereinigung​ in der Begleitgruppe zum Fach «Religion und Kultur» bemängelt beispielsweise, dass das Fach zu einseitig auf Religionen ausgelegt ist. Weltliche Werte- und Erklärungsmodelle werden nicht behandelt, ebenso wird das Fach trotz des Titels «Kultur» ausschliesslich in religiösem Korsett präsentiert. Tatsache ist, und das belegen tausende von Kirchenaustritten jährlich, dass für viele Schweizer Religion gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Kinder aus einem weltlichen Elternhaus oder aus einer Familie mit partieller Religiosität finden sich im Unterricht daher nicht wieder, sie sehen nicht, wo sie in diesem Bild hingehören, in dem Kulturen sehr auf Religion basierend gezeichnet werden. Es besteht Gefahr, dass sich Kinder quasi der nächsten Religion als Fixpunkt zuordnen, statt dass sie ihre konkrete Situation wiedererkennen und diese vom Lehrmittel akzeptiert und thematisiert wird. Immerhin ist ein weltlicher Humanismus quer durch alle Religionen die gemeinsame Basis der modernen Schweiz.

Ebenfalls fatal ist, dass dem neuen Fach offenbar eine Stunde «Mensch und Umwelt» geopfert werden soll. Dabei fehlt es bekanntlich in der Primarschule an Naturwissenschaft. Andere wichtige Themen, wie Geschichte, Ethik und Umwelt, die in «Religion und Kultur» weitgehend ausgeblendet sind, werden so weiter verdrängt.

Daraus ergeben sich viele Fragen:

  1. Wie kann man ohne Inhalt und Lehrmittel ein Fach vernünftig führen?
  2. Befasst sich das Fach auch kritisch mit Inhalt und Gefahren der Religionen, wie Gewalt, Krieg, Intoleranz und Ausgrenzung?
  3. Wie​ wird garantiert, dass Kinder aus weltlichem oder nur gelegenheitsreligiöse​m Elternhaus nicht diskriminiert werden?
  4. Religion​sunterricht ohne weltliche Alternative bleibt Religionsunterricht, egal wieviele Religionen unterrichtet werden. Wie verträgt sich das mit der Bundesverfassung, Art. 15.4 «Niemand darf gezwungen werden, […] religiösem Unterricht zu folgen»?
  5. Können weltliche Eltern ihre Kinder abmelden, weil ihre Weltanschauung ausgeblendet wird? Wie würde gemäss Stadtjuristen das Bundesgericht urteilen? Werden die Eltern über die Kontroverse und ihre möglichen Rechte informiert?
  6. Wie wird sichergestellt, dass religiöse Lehrer das Fach neutral präsentieren und es nicht zum Missionieren missbrauchen?
  7. Wi​rd tatsächlich eine Lektion «Mensch und Umwelt» gestrichen? Welchen Einfluss hat das auf die Bedeutung von Naturwissenschaft und Technik an der Primarschule?

Siehe auch:

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Comments to: Qualitätssicherung im Fach «Religion und Kultur»
  • Januar 7, 2014

    Wer keine Abtreibungen mitfinanzieren will, kann heute schon Mitglied von ProLife werden und sich über ProLife krankenversichern lassen.

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    • Januar 7, 2014

      Stimmt nicht. Prolife ist ein Verein, dessen Mitglieder sich dazu verpflichten, sich keine Abtreibungen über die Krankenkasse bezahlen zu lassen. Prolife versichert seine Mitglieder kollektiv bei einer externen Krankenversicherung (ist selber keine Krankenkasse!). Problem 1: Dort bezahle ich genau gleich die Abtreibungen der übrigen Versicherten mit. Problem 2: Selbst Prolife Mitglieder können sich Abtreibungen über die Krankenkasse bezahlen lassen, rechtlich kann das nicht verhindert werden (KVG).
      Sie sehen: Auch Prolife kann meinen Konflikt nicht lösen, dass ich helfen muss, Kinder zu töten, auch wenn ich das nicht will.

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  • Januar 16, 2014

    Von “finanziellen Anreizen” ist hier die Sprache….es ist fast pietätslos, solche Argumente anzuführen. Politiker, die solche Aussagen machen, haben vermutlich keine Ahnung von Frauen die auf Messers Schneide für oder gegen eine Abtreibung sind. Es soll hier SACHPOLITIK und nicht Moralpolitik betrieben werden – dies sollen die betreffenden Politiker gefälligst ausserhalb der Politik in ihrem Privatfeld machen – wir brauchen keine untauglichen, moralische und religiösen Ansichten, um Abtreibungsprobleme zu lösen !

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  • Februar 8, 2014

    Wir leben im 21. Jhd. und zum Glück haben Frauen die Möglichkeit eine Abtreibung machen zu lassen. Keiner Frau fällt diese Entscheidung leicht und die Schulgefühle und Gewissensbisse die sie trägt, damit muss auch sie alleine ein Leben lang klar kommen. Es ist wichtig, dass es Institutionen gibt, die dies anbieten, in denen kompetente und einfühlsame Ärzte arbeiten und die Frau nicht ablehnen oder verurteilen. Warum eine Frau diese Entscheidung trifft, bleibt ihr selbst überlassen und es gibt Situationen in denen Frau keinen anderen Ausweg findet und wo nicht über Moral diskutiert werden kann/muss. Eine Freundin von mir war in solch einer Lage und sie hat eine wunderbare Klinik gefunden, wohin ich sie begleitet habe und auch danach wurde sie psychologisch betreut. Falls es jemanden interessiert http://www.schwangers​chaftsabbruch.at
    Imm​er hinter die Kulissen blicken!
    Alles Liebe

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