1. Aussenpolitik

Wird die Schweiz nicht mehr als neutral wahrgenommen?

Beijing,  3.10.2013

 

WIRD DIE SCHWEIZ NICHT MEHR ALS NEUTRAL WAHRGENOMMEN?

In der Juni-Ausgabe 2013 der ASMZ, der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift, wies ich unter dem Titel “DAS ENDE DER SCHWEIZERISCHEN NEUTRALITÄT?” auf die von unserer Regierung betriebene  schleichende Integration der Schweiz in die NATO und auf das damit verbundene Risiko hin, das uns Mächte ausserhalb des Einflussgebietes der USA und ihres Satellitengürtels aus NATO und anderen Verbündeten, nicht mehr als neutrales Land, sondern als Teil des westlichen militärischen Machtblockes sehen.

 

Im Falle grösserer Spannungen oder von Krieg und im Lichte der Tatsache, dass wir praktische keine Armee mehr haben, die einen Angriff vom Land fern halten könnte, könnte das für unser Land fatale Konsequenzen haben, z.B. den gewaltsamen Einbezug unserer Infrastruktur, besonders der Alpentransversalen, die von gesamteuropäischer strategischer Bedeutung sind,  in die NATO. Andererseits könnte der Gegner der NATO versucht sein, den Einbezug unseres Landes in die Kriegführung der NATO durch eine präventive Besetzung strategisch wichtiger Ziele oder durch deren Zerstörung oder eine Kombination von beiden zu verwehren. Das wäre dann mit der Zeit der napoleonischen Krieg vergleichbar, als sich fremde Armeen auf Schweizer Boden Schlachten lieferten, weil wir keine Armee mehr hatten, die das hätte verhindern können.

Das wäre auch das gleiche Szenario, das 1943 der letzten deutschen Angriffsplanung gegen unser Land zu Grunde lag: Durch die präventive Besetzung der Schweiz sollte den Alliierten die Möglichkeit genommen werden, die Schweiz militärisch zu zwingen, auf ihrer Seite in den Krieg einzutreten. Der die Planung leitende deutsche General kam allerdings zum Schluss, an sich könne sich Deutschland eine solche Operation gegen ein gut verteidigtes Gebirgsland nicht leisten. Aber falls sich die Schweiz Deutschland gegenüber zu feindselig verhalte, könnte es die Schweiz durch die komplette Unterbindung aller Zufuhren unter Druck setzen, um eine entgegenkommendere Haltung zu erzwingen (das hätte auch die Schweizer Importe aus den Ländern unter alliierter Kontrolle und den anderen neutralen Staaten betroffen).  

Die letzten Überlegungen zu einem Angriff auf die Schweiz im 2. Weltkrieg stellten im Herbst 1944 die amerikanischen Streitkräfte an. Sie folgten damit einem Drängen Stalins. Da die Alliierten damals lange in Frankreich stecken geblieben waren, forderte er die Alliierten ultimativ auf, die deutsche Front durch einen Angriff durch die Schweiz zu umgehen. Die Joint Chiefs of Staff der USA kamen aber zum negativen Schluss, der Erfolg einer solchen Operation sei  angesichts der kleinen, aber anerkanntermassen effizienten Schweizer Armee, die auch noch in ihrem eigenen Gelände kämpfe, zweifelhaft (doubtful)). In beiden Fällen war unsere Armee das stärkste Gewicht in der Wagschale der Kosten und Nutzen eines Angriffes. (Quelle: „Hitlers Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz 1933-1945“. Gotthard Frick.)

Im eingangs erwähnten ASMZ-Beitrag wies ich auf einen Anfang 2013 in einer Tageszeitung der kommunistischen Partei Chinas erschienen Artikel hin, wo die „PARTNERSCHAFT FÜR DEN FRIEDEN“ und andere von den USA und der NATO gegründete Organisationen der militärischen Zusammenarbeit als Instrumente der USA zur Durchsetzung ihrer globalen strategischen Ziele dargestellt wurden. Dabei wurde der pazifische Raum ausdrücklich auch als künftiges Operationsgebiet der NATO miteinbezogen.  Die Schweiz ist bekanntlich ein Mitglied dieser „Partnerschaft“.

(Zur Erinnerung: die chinesische Volksbefreiungsarmee mit ihren mehr als 2 Millionen Mann untersteht nicht der chinesischen Regierung oder dem Volkskongress, sondern direkt der kommunistischen Partei).

In einem für viele Deutsche, wenn sie über die Schweiz reden, typisch herablassend-ironisch​en Ton schrieb kürzlich die Zeitung DIE WELT über die Schweizer Armee. Ein Satz im Artikel der WELT sollte bei uns aber alle Alarmglocken läuten lassen: „Die Schweiz kooperiert mit der Nato, sollte je ein Schurkenstaat auf die Idee kommen, das Land zu überfallen, träten sofort die Bündnismächte auf den Plan.“  Offensichtlich ist bereits eine grössere europäische Zeitung der Ansicht, die Schweiz  sei de facto Mitglied der NATO und damit Nutzniesser (und wohl auch Teilnehmer) der gegenseitigen militärischen Unterstützung, d.h. sie sieht uns als nicht mehr neutrales Land. Und China sieht die Partnerschaft für den Frieden als Instrument zur Durchsetzung der globalen strategischen Interessen der USA!

Wann begreifen wir Schweizer, was diese Entwicklung –  schleichende Aufgabe der Neutralität und Auflösung einer glaubwürdigen Armee –  bedeutet?

 

Gottha​rd Frick, z.Zt. Beijing

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