Dieser Text erklärt das politische System der Schweiz. Zuerst gehen wir auf die Schweizer Demokratie und darauffolgend auf die Gewaltentrennung ein. Abschliessend erklären wir den Schweizer Föderalismus und die Rechtsordnung.

Schweizer Demokratie

Die Regierungsform der Schweiz entspricht einer halbdirekten Demokratie. Dies bedeutet, dass die Schweiz gleichzeitig Elemente einer repräsentativen (indirekten) als auch einer direkten Demokratie enthält. Im Vergleich zum Ausland hat die Schweiz sehr stark ausgeprägte Elemente einer direkten Demokratie.

Direkte Demokratie bedeutet, dass das Volk selber über Sachfragen und Gesetze bestimmt. In einer direkten Demokratie gibt es folglich kein Parlament. In der repräsentativen Demokratie hingegen wählt das Volk nur seine Vertreter (Repräsentanten, Politiker). Sie bilden das Parlament und entscheiden über die Sachfragen. Das Volk kann in einer repräsentativen Demokratie nicht selbst über Sachfragen entscheiden. Das Volk kann somit nur indirekt Kontrolle über den Staat und das Parlament ausüben, indem sie im nächsten Wahljahr die Politiker nicht mehr wählen, mit denen sie unzufrieden waren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Volksvertreter die Interessen des Volks vertreten.

In der Schweiz wählt das Volk das Parlament. Dieses wählt dann den Bundesrat. Das Parlament macht die Gesetze und schlägt Änderungen in der Verfassung vor. Über Änderungen in der Verfassung muss aber das Volk zwingend abstimmen (obligatorisches Referendumsrecht). Die Verfassungsänderung wird nur dann angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung (Stimmberechtigten) und der Kantone zustimmen. Das Volk kann aber auch von sich aus ein Anliegen einbringen und kann eine Änderung in der Verfassung verlangen. Dafür müssen 100‘000 Personen unterschreiben (Volksinitiative). Dann muss das Volk über die Bestimmung abstimmen. Diese wird angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung und Kantone die Vorlage befürworten.

Wenn das Parlament hingegen ein neues Gesetz erlässt, muss es dem Volk nicht zur Abstimmung vorgelegt werden. Wenn das Volk aber nicht einverstanden ist, kann es eine Abstimmung verlangen. Dafür müssen mindestens 50‘000 Personen unterschreiben. Dieses Recht wird als fakultatives Referendumsrecht bezeichnet. Im Gegensatz zum obligatorischen Referendum wird die Gesetzesänderung bereits angenommen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung (Stimmberechtigten) zustimmt, die Mehrheit der Kantone ist hingegen nicht erforderlich.

Wie in jedem Staat haben die gewählten Volksvertreter und Bundesräte eine gewisse Macht. Der nächste Abschnitt zeigt, wie verhindert wird, dass eine einzelne Person zu viel Macht erhält.

Gewaltentrennung

Um zu verhindern, dass eine einzelne Person in einem Staat zu viel Macht erhält, wird die Macht auf verschiedene Personen aufgeteilt. Dabei unterscheidet man in einem Staat zwischen den folgenden drei Gewalten: Die gesetzgebende Gewalt (Legislative), die ausführende Gewalt (Exekutive) und die rechtsprechende Gewalt (Judikative). Mit Gewalt meint man dabei meistens Macht. Konkret bedeutet dies, dass keine Person zugleich Recht erlassen, ausführen und sprechen darf. Im Folgenden werden die drei Gewalten genauer beschrieben.

Gesetzgebende Gewalt (Legislative)

Die Bundesversammlung (das Parlament der Schweiz) beschliesst Gesetze und Verfassungsänderungen. Sie ist abgesehen vom Volk die oberste Gewalt in der Schweiz und besteht aus zwei gleichgestellten Räten. Der erste Rat vertritt das Volk (Nationalrat), der zweite Rat die Kantone (Ständerat).

Die erste Kammer ist der Nationalrat. Die Anzahl Personen, die jeder Kanton in den Nationalrat wählen darf, hängt von der Bevölkerungsgrösse des Kantons ab. Jeder Kanton erhält aber mindestens einen Sitz. Der Nationalrat besteht aus 200 Mitgliedern und wird alle vier Jahre neu gewählt.

Die zweite Kammer ist der Ständerat. Jeder Kanton darf zwei Personen in den Ständerat wählen (Halbkantone je einen). Daher besteht der Ständerat aus 46 Vertretern. Er vertritt folglich die Kantone.

Man hat 2 Kammern eingeführt, damit nicht wenige grosse Kantone die restlichen kleineren Kantone überstimmen können. Denn in der Schweiz leben in den grössten fünf Kantonen (Zürich, Bern, Waadt, Aargau und Genf) mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung der Schweiz. Indem beide Räte einer Gesetzesänderung zustimmen müssen, können kleinere Kantone verhindern, dass grosse Kantone Gesetze zum Nachteil kleinerer Kantone durchsetzen können.

Ausführende Gewalt (Exekutive)

Auf Bundesebene ist der Bundesrat die ausführende Gewalt. Sie wird auch Regierung genannt. Der Bundesrat besteht aus sieben Mitgliedern, die durch National- und Ständerat (Bundesversammlung) gemeinsam gewählt werden. Der Bundesrat soll das Verhältnis der Parteistärken im Parlament widerspiegeln (Konkordanz). Die Konkordanz ist aber eine ungeschriebene Regel. Die Amtszeit beträgt vier Jahre. Die Bundesräte sind einander gleichgestellt (Kollegialregierung).

Einer von den sieben Bundesräten ist jeweils für ein Jahr Bundespräsident. Er ist den anderen nicht übergeordnet wie beispielsweise der amerikanische Präsident oder die deutsche Bundeskanzlerin, sondern hat die gleichen Rechte („Primus inter Pares“). Allerdings vertritt er den Bundesrat nach aussen und leitet die Bundesratssitzungen. Der Bundespräsident wird jedes Jahr durch die Bundesversammlung neu gewählt.

Obwohl die sieben Bundesräte gemeinsam regieren, steht jeder Bundesrat einem Departement vor (Minister oder Departementsvorsteher). Die Verteilung der Departemente wird durch die Bundesräte selbst durchgeführt. Der Bundeskanzler bildet die unterstützende Stelle des Bundesrates, ohne selbst dessen Mitglied zu sein.

Rechtsprechende Gewalt (Judikative)

Das Bundesgericht ist das höchste Gericht in der Schweiz und überwacht die Einhaltung der Regeln und Gesetze. Kann eine Angelegenheit nicht von Bezirks- oder Kantonsgerichten geklärt werden, entscheidet es, ob der Kläger oder der Angeklagte Recht hat.

Die Bundesrichter werden durch die Bundesversammlung gewählt. Dabei berücksichtigt sie, dass alle Sprachen und Regionen vertreten sind. Die Bundesrichter sollen das Verhältnis der Parteistärken im Parlament widerspiegeln. Ihre Amtsdauer beträgt sechs Jahre.

Die Schweiz hat zwar auf Bundesebene eine Regierung, ein Parlament und ein Gericht. Die Schweiz ist aber Bundesstaat und setzt sich daher aus den Kantonen zusammen. Dies wird im nächsten Abschnitt näher erläutert.

Föderalismus

Föderalismus bedeutet in der Schweiz, dass das Land in kleinere Einheiten, die Kantone, eingeteilt ist. Diese haben sowohl eigene Regierungen, Gerichte und Parlamente als auch eigene Verfassungen und Gesetze.

Der Bund soll nur diejenigen Dinge regeln, welche die Kantone nicht selbst regeln können. Deswegen ist er ausschliesslich für diejenigen Aufgaben zuständig, die ihm in der Verfassung übertragen werden (Subsidiaritätsprinzip). Der Bund ist beispielsweise für die Autobahnen, die Post und die Währung zuständig, die Kantone hingegen unter anderem für die Schulen und die Kultur.

Dies bedeutet aber auch, dass sowohl Bund wie auch die Kantone eigene Gesetze und Verordnungen erlassen. Der folgende Abschnitt zeigt, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen und wie ein Gesetz entsteht.

Rechtsordnung


Abb. 1: Rechtsordnung

Die Verfassung ist das oberste Recht der Schweiz. Sie regelt die obersten Grundwerte, an die sich der Staat halten muss. Sie beinhaltet die Volksrechte (z.B. Stimm-, Wahl-, Initiativ- und Referendumsrecht) und garantiert die Grundrechte. Änderungen werden grundsätzlich vom Parlament erlassen, wobei jede Änderung zwingend dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden muss (obligatorisches Referendum). Zudem kann das Volk mittels Volksinitiative selber Änderungen der Verfassung vorschlagen. Die nächste untergeordnete Stufe sind die Gesetze. Das Bundesgesetz wird von der Bundesversammlung erlassen, unterliegt aber dem fakultativen Referendum (siehe oben). Verordnungen, welche dem Bundesgesetz untergeordnet sind, werden von der Regierung erlassen und dagegen kann kein Referendum ergriffen werden.

Abb. 1 zeigt, was passiert, wenn zwei Bestimmungen einander widersprechen. Erst wird darauf geachtet, wer dieses Gesetz erlassen hat. Grundsätzlich gilt, dass Bestimmungen vom Bund höher gestellt sind als Regeln von einem Kanton. Wurden beide Bestimmungen von derselben Ebene erlassen, gilt zuerst die Verfassung, dann das Gesetz und erst dann die Verordnung.

Einzige Ausnahme ist das zwingende Völkerrecht. Dieses steht über der Verfassung und hat grundsätzlich Vorrang. Beispiele dafür sind das Folter- und Sklavereiverbot.

Gesetzesentstehung

Die Erarbeitung einer neuen Bestimmung kann auf unterschiedliche Weise ausgelöst werden: Sowohl die Bundesverwaltung (Bundesrat), der National-/Ständerat oder das Volk kann es einleiten. Danach erfolgt die Erarbeitung durch den Bundesrat und einer Expertenkommission, wobei das Gesetzgebungsprojekt vorbereitet wird. Anschliessend können Parteien und andere Interessierte ihre Meinung zum Entwurf abgeben (Vernehmlassungsverfahren). Danach entscheidet die Bundesversammlung. Dabei berät zuerst die eine Kammer und dann die andere. Die Gesetzesvorlage wird so oft hin und her geschoben, bis sich die beiden Räte (Kammern) einig sind. Danach wird das Gesetz verabschiedet. Wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist, tritt es in Kraft. Wenn das Referendum ergriffen wird, kommt es zur Abstimmung und das Gesetz tritt nur in Kraft, wenn die Gesetzesänderung angenommen wird.

Literaturverzeichnis

Moeckli, S. (2008). Das politische System der Schweiz verstehen (2. Auflage). Altstätten: Tobler.

Mastronardi, P. (2009). Bundesstaatsrecht Teil I (Skript). St. Gallen: Skriptenkommission.

Ehrenzeller, B. (2009). Bundesstaatsrecht Teil II (Skript). St. Gallen: Skriptenkommission.

Text_Politisches_System_Schweiz.pdf – Artikel als PDF

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