„Die Gegenwart tut sich schwer mit religiösen Symbolen, nicht nur aus falsch verstandener Rücksicht auf Andersgläubige. Es äussert sich darin das Symptom einer tiefergehenden Krise.
Um arabische Touristen nicht zu verletzen, wird das Kreuz von den Gipfeln geholt, und selbst die Spitäler der Innerschweiz haben es aus allen Räumen verbannt. Für das ewige Leben sind neuerdings Virologen und Politiker zuständig, und was über uns ist, ist nicht mehr Transzendenz, nicht mehr Metaphysik, es ist das versaute Klima.
Der Glaube, mit dem Abhängen der Kreuze lasse sich der Tod abhängen, ist ein fataler Irrtum. Nein, den Tod hängen wir nicht ab, auf den laufen wir zu, und genau aus diesem Grund, weil der Tod gewiss ist, sollten wir das Kreuz als Hoffnungs- und Überlebenszeichen stehen lassen. Denn es stellt den Lebensbaum dar, den vielblättrigen und vielfruchtigen, den immerwährend verwelkenden und aufblühenden, und wer dieses Symbol eliminiert, der verleugnet damit nicht nur seine Abstammung aus dem Abendland, er sägt auch die Äste ab, auf denen wir hocken.“ (Thomas Hürlimann, NZZ vom 25.9.2021)
Keine Kommentare
Kommentar verfassen Cancel