Die tiefgreifenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte stellen den Föderalismus auf eine Bewährungsprobe. Unser Leben, unsere Mobilität, unsere Zugehörigkeit und damit auch unsere Identität beschränken sich heute nicht mehr auf das Gebiet innerhalb der politischen Grenzen von Gemeinde, Kanton und Bund. Die Zusammenarbeit inner- und ausserhalb dieser Grenzen wird vielerorts überprüft und den funktionalen Gegebenheiten angepasst. Das ist richtig so. Der Schweizerische Föderalismus macht nur Sinn und hat nur eine Chance, wenn dessen Strukturen immer wieder hinterfragt bzw. erneuert werden. Dieser Prozess erfordert Offenheit, Flexibilität und das Vermögen über die eigenen Grenzen hinausschauen zu können. Wenn unsere drei Urkantone nicht erkannt hätten, dass man sich zeitgemäss organisieren muss, um sich behaupten zu können, hätte es weder den Rütlischwur, noch die Entwicklung der heutigen Eidgenossenschaft gegeben.
Wer also krampfhaft an den heutigen Strukturen festhalten will, dient dem Föderalismus und damit dem Kern unserer direkten Demokratie nicht. Nur mit schlagkräftigen Gemeinden und Kantonen kann dem föderalistischen System unseres Landes wirklich Rechnung getragen werden. Viele Kantone haben das erkannt. In den letzten 10 Jahren wurden beispielsweise im Kanton Tessin 88 Gemeinden mit anderen fusioniert. Der Kanton Fribourg hat 75 politische Gemeinden abgebaut und im Kanton Waadt sind es 36. Die Bilanz dieser strukturellen Reorganisation ist in allen Kantonen so positiv, dass die Kantone diese Zusammenschlüsse nicht nur begrüssen, sondern auch unterstützen. Die Gemeinden wachsen zu starken Partnern heran, welche sich sowohl mit anderen Gemeinden als auch mit anderen Kantonen und letztlich auch mit dem Bund messen und auseinandersetzen können. Gemeindefusionen sind in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit geworden. Fazit: Der Föderalismus ist keine staatliche Errungenschaft, den es in seiner ursprünglichen Form zu bewahren gilt, er ist ständig in Bewegung.
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Kommentare anzeigen Hide commentsEs ist schon erstaunlich. Parallel zur Machtkonzentration in den Zentren entsteht in der Provinz der Wunsch nach dem Regionalen. Die Menschen sehnen sich offensichtlich nach dem vertrauten Überschaubaren.
Bleibt die Frage, in welchen Fällen eine regionale resp. nationale Regelung Sinn macht.
Gleichzeitig müssen wir uns einem globalen Wettbewerb stellen.
Es geht meiner Meinung nach um weit mehr als Gemeindefusionen. Der angesprochene Wandel greift tiefer.
Nur ein Beispiel: Unsere Kinder sind (sicher auf universitärer Stufe)längst mit einer europäischen Bildungslandschaft konfrontiert. Da nützt es auch nichts, wenn jeder Kanton sein eigenes Süppchen kocht.
Sehnsucht nach dem Bekannten und globalisierte Realität müssen in ein vernüftiges Gleichgewicht gebracht werden.
Frau Nationalrätin Schneider-Schneiter hat Recht. Um den Föderalismus zu stärken und nicht als Worthülse verkommen zu lassen, müssen sich die Gemeinden zusammenschliessen, damit sie ihre Aufgaben besser und effizienter erfüllen können. Noch in vermehrtem Masse gilt dies aber für die kleinen und mittleren kantone. Nach über 160 Jahre wird es höchste Zeit, die veralteten Strukturen unserer Eidgenossenschaft der neuen Zeit anzupassen. Mit nur noch sieben, allenfalls neun Kantonen, werden die vielen Zweckverbände und Konkordate überflüssig. Damit wird der Föderalismus nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil gestärkt.
Ich kann NR Elisabeth Schneider-Schneiter nur zustimmen. Es gibt -um es anders aus zu drücken- keine Gesellchaft mit etwas 8mio. Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von ca. CHF 400Mrd. die über 150 Jahre das Organigramm nicht geändert haben… Wir sollten in Räumen von Agglomerationen denken lernen.
Der Kommentar von Frau Schneider-Schneiter verwirrt mehr als er erklärt. Der politische Katholizismus stand historisch für Subsidiarität und Eigenständigkeit der Gebietskörperschaften. Die zentrale Macht des Bundes, und damit seine Besteuerungsgewalt und Gestaltungsfreiheit, sollten gezähmt werden. Die Nachfolgepartei CVP scheint das weniger genau zu nehmen.
Kleine Einheiten sind näher am Bürger. Die Verwaltung ist bürgernah. Die Bürokraten sind auch Bürger und werden von ihren Mitbürger in ihrer Arbeit ermuntert und kontrolliert.
Der Bürger wählt die Körperschaft, die seinen Bedürfnissen am besten entspricht. Dadurch entsteht Wettbewerb unter den Gebietskörperschaften. Die beste Lösung setzt sich durch. St.Gallens Innovationen bei der Bestrafung des Cannabis-Konsums oder Basels Modell zur Begrüssung von Neubürgern, es wird gedacht, es wird umgesetzt und es werden neue Lösungen aufgezeigt.
Was meint nun Frau Schneider-Schneiter mit zeitgemässem Föderalismus? Grössere Gemeinden sind eher ein zentralistisches Element. Meint sie betriebswirtschaftliche Effizienz? Dann wäre eine grosse Gemeine pro Kanton, oder pro Land die Ideallösung. Warum ist es absurd, dass gewisse Kantone eigene Hundegesetze haben, wie ein früherer Kommentar argumentiert. Die einen Kantone werden von hundebesitzerfreundlichen Leuten bewohnt (auf jeden Bauernhof gehört ein Hund), die anderen werden von hundebesitzerfeindlichen Leuten bewohnt (wozu braucht es Bauern?). Unterschiedliche Gesetze bedeutet stärkere Bürgernähe, weil Bürger unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Ich habe eher das Gefühl, dass Freu Schneider-Schneiter, und diejenigen die ihr Beipflichten, den Föderalismus schleifen will, nicht stärken. Dann werden wir zu einem kleinen Deutschland. Schade, die CVP als Föderalismuspartei hätte schon einige Sympathiepunkte bei mir.
Lieber Herr Schumacher. Sie scheinen noch im Postkutschenzeitalter des 18. Jahrhunderts zu leben. Der Föderalismus ist historisch gewachsen, aber die Strukturen seit über 160 Jahren Bundesstaat stehen geblieben (mit Ausname der Trennung der beiden Basel und der Schaffung des Kantons Jura, was die Zahl der Anzahl Kantone noch erhöhte). Ich weiss nicht wo Sie wohnen, aber wenn wie bei uns in der Nordwestschweiz (Agglomeration Basel) die Trambahn täglich durch drei Kantone fährt, ist dies nicht mehr zeitgemäss. Der Föderalismus soll keinenfalls abgeschafft, sondern mit einer Reduzierung auf noch sieben, allenfalls neun Kantone gestärkt werden. Dies zum Wohle und Nutzen der Bürger in starken Regionen.
Warum ist das eine Stärkung des Föderalismus? Die betriebswirtschaftliche Argumentation, die hinter Ihrem Argument steckt, würde darauf hinauslaufen, einfach alles beim Bund zu zentralisieren, weil das ist wirklich kostengünstig. Der Bund kann alles zentral planen, es gibt keine Doppelspurigkeiten und es kann erst noch immer dort investiert werden, wo es dem Land am meisten nützt. Ihre Argumentation, und die Argumentation von Frau NR, läuft darauf hinaus. Sie begründen mit keinem Argument, weshalb es Föderalismus wirklich braucht, auch Ihre 9 Regionen nicht.
Ich bin beispielsweise froh, dass das BL-Modell der Wohnbauförderung nicht in der ganzen Schweiz umgesetzt wird. Die Finanzkrise geht auch auf Wohnbauförderungsprogramme in den USA zurück. Auch jetzt ist die Immobilienbranche überhitzt und die SNB kann die Zinsen wegen dem starken Franken nicht erhöhen. Der Kanton BL experimentiert damit und zeigt der ganzen Schweiz, dass es nicht den gewünschten Effekt bringt. Stellen Sie sich vor, die ganze Nordwestschweiz wäre Experimentierfeld. Ich habe Ihnen damit ein Argument für den real existierenden Föderalismus gebracht.
Haben Sie eines für Ihre Form von Föderalismus, ausser dem Tram? Auch kleine Kantone können sich untereinander koordinieren. Für eine Tramlinie braucht es keine Zusammenschlüsse. Die Aargauer sind sicher froh, dass sie nicht die Schulpolitik von BS mittragen müssen. 40% Maturquote auch im Aargau würde das duale Berufsbildungssystem zerstören und die gleiche Anzahl an arbeitlosen Akademikern produzieren wie in Frankreich.
Ich bin heilfroh, dass es im Kanton Bern einen kleinen Bildungsföderalismus gibt. Meine Sekundarschule war in Ins/BE. Schon in Köniz/BE wären die Voraussetzungen schlechter gewesen. Ich weiss es, da ich gutes Geld mit Nachhilfe verdienen konnte.