1. Politisches System

Lobbying – weder Fluch noch Segen

Parlamentsmitglieder sind In­ter­es­sen­ver­tre​­te­rin­nen- und ver­tre­ter. Un­sere Auf­gabe ist es, die In­ter­es­sen un­se­rer Wählerschaft und un­se­rer Par­tei zu ver­tre­ten. Als SP-­Po­li­ti­ke­rin sind mir lo­gi­scher­weise so­ziale An­lie­gen wich­tig. Si­chere Löhne, si­chere Arbeitsplätze, si­chere Ren­ten, aber auch der öffentliche Ver­kehr und der Ser­vice pu­blic sind Kernthe­men von mir.

Bezahlte Interessenvertreter werden im Volksmund Lobbyisten genannt. Sind wir mal ehrlich: Lobbyisten gibt es in allen Lagern: von links (Gewerkschaften), links-grün (Umweltverbände), rechts (Wirtschaftsverbände)​ bis rechts-aussen (Militär). Die erfolgreichsten Lobbyisten im Bundesparlament dürften die Bauern sein. Sie sind einerseits überproportional gegenüber andern Berufsgruppen direkt im Parlament vertreten, andererseits finden sie Unterstützung quer über alle Parteien hinweg. Ich vermute, dass die stärksten Lobbyisten im Parlament selber sitzen.

Ein Problem ist natürlich das Thema, dass sich im Prinzip bestimmte Gruppen im Parlament selber Mittel zuschanzen können oder die Gesetzgebung stark beeinflussen. Die Bürgerinnen und Bürger können sich aber davon sehr leicht ein Bild machen – Internet macht es möglich!

Die ganz grosse Mehrheit der Ratsmitglieder arbeitet mit Lobbyisten zusammen. Ich tue dies auch und stehe dazu. Bei Dossiers, die für meine Tätigkeit wichtig sind, tausche ich mich mit Lobbyisten aus z.B. zu Themen des öffentlichen Verkehrs, zu Arbeitnehmeranliegen,​ der Gesundheitspolitik, der Internetpolitik, der Telekommunikation, der Medienpolitik und der Sicherheitspolitik. Ich will die Argumente der Befürworter und der Gegner kennenlernen. Aufgrund der verschiedenen Argumente bilde ich mir dann meine eigene Position. Diese bespreche ich wiederum innerhalb meiner Fraktion und weiteren Verbündeten im Rat. Da keine Partei im Rat alleine eine Mehrheit hat, müssen wir stets Verbündete finden.

Meine zwei Zutrittsbadges für das Bundeshaus habe ich an Harry Graf und Walter Stüdeli vergeben. Harry ist mein Ehemann. Seit er für seinen Arbeitgeber ewz (Elektrizitätswerk der Stadt Zürich) für den Bereich public affaires zuständig ist, ist es für uns beide wichtig, dass er nicht mehr als Ehemann sondern mit seiner beruflichen Funktion im Register aufgeführt ist. Darauf legen wir beide Wert. Den zweiten Badge habe ich Walter Stüdeli (Köhler, Stüdeli & Partner) gegeben. Mit ihm arbeite ich als Co Präsidentin von DAKOMED (Dachverband Komplementärmedizin) und als Co Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Komplementärmedizin und in eHealth Themen (z.B. elektronisches Patientendossier) seit vielen Jahren zusammen.

Die Mitwirkung, also auch das Lobbying, ist Teil einer funktionierenden Demokratie. Im Vernehmlassungsverfah​ren will der Bundesrat die Position der Verbände, Firmen, Parteien oder der Kantone kennenlernen. Dies ist sogar in der Bundesverfassung festgelegt (BV 147). Er muss diese Eingaben aber im Gesetzesentwurf nicht berücksichtigen, den er ans Parlament überweist. Für mich ist es verständlich und nachvollziehbar, dass ein Akteur nicht nur im Vernehmlassungsverfah​ren aktiv sein will. Viel wichtiger ist doch die Präsenz in der entscheidenden Phase, während er Beratung im Parlament.

Transpare​nz und Klarheit

Welche Rolle die Akteure während der parlamentarischen Beratung einnehmen, ist aber weitgehend ungeklärt. Was ist erlaubt, wo liegen die Grenzen? Problematisch finde ich nicht das Lobbying an sich, sondern die teilweise fehlende Transparenz über die Auftraggeber und die wahren Absichten. Ich bin überzeugt, dass es an der Zeit ist, verbindliche Regeln fürs Lobbying zu schaffen. Dazu habe ich bereits im September 2009 eine parlamentarische Initiative eingereicht. http://www.parlament.​ch/d/suche/seiten/ges​chaefte.aspx?gesch_id​=20090486:

Lobbyiste​n sollten im Bundeshaus akkreditiert werden können, falls sie Vorgaben erfüllen. Einsteiger müssen z.B. eine Schulung durchlaufen, für alle gilt ein Verhaltenskodex. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird aus dem Bundeshaus ausgeschlossen.

Vora​ussetzung für Lobbyisten und für Ratsmitglieder ist vollständige Transparenz über Arbeitgeber und Auftraggeber. Auch Beratungsfirmen und Juristen müssen ihre Kunden in ein öffentliches Register eintragen, damit Umgehungsstrategien verhindert werden können. Über die Einhaltung wacht ein vom Parlament gewähltes unabhängiges Gremium. Halten sich Ratsmitglieder nicht an die Regeln so werden sie für bestimmte Zeit aus der Kommission ausgeschlossen.

Dies​e Schritte erachte ich als notwendig, damit das Vertrauen in die Profession der Lobbyisten gestärkt werden kann. Sie sind für uns Ratsmitglieder ein Bindeglied zur Wirtschaft und zur Zivilgesellschaft. Das Gespräch mit Betroffenen ist mir wichtig, weil wir die Gesetze ja für alle und nicht für einzelne erlassen. Um die Folgen von Gesetzesartikeln auf die Praxis abschätzen zu können, sind wir auf Gespräche mit betroffenen Akteuren angewiesen. Es wäre falsch, wenn wir das Gespräch verweigern würden. Dies erlebe ich aktuell in den Sicherheitspolitische​n Bereichen. Bevor ich ja oder nein zum Nachrichtendienstgese​tz oder zur Weiterentwicklung der Armee sage, will ich diese Vorlagen wie sie aus dem Bundesrat kommen verbessern und dazu ist es wichtig, viele Gespräche mit Fachleuten und direkt Betroffenen zu führen. Auf Grund dieser breiten Palette die ich mir dadurch erarbeiten kann, entscheide ich schlussendlich welche Verbesserungen notwendig sind, damit ich diesen beiden Vorlagen zustimmen kann oder wann in der Behandlung des Gesetzes in der Kommission oder im Parlament das „no go“ erreicht ist, wo ich die Vorlagen ablehnen muss.

Bekennen wir Farbe: Ich bin überzeugt, mit mehr Offenheit und Transparenz stärken wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und motivieren die Menschen am 18. Oktober an die Urne zu gehen.

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Comments to: Lobbying – weder Fluch noch Segen
  • August 16, 2015

    Frau Graf-Litscher

    Lobb​ing ist sicher nicht in Ordnung aber auch irrelevant im Sinne der anteiligen “Vertretergesellen” im NR, SR und BR. Eine Offenlegung wäre sicherlich Sinnvoll, welche aber mit etwas Willen auch heute herausgefunden wird.

    eines der Bsp:
    http://www.nzz.​ch/schweiz/wie-sich-p​olitik-und-unternehme​n-in-bundesbern-verne​tzen-1.18255348

    Ni​emand ist dagegen, wenn Sicherheit in Arbeit, Wohlstand und Lebensabensicherung besteht. Leider muss ich Ihnen jedoch sagen, dass die heute betriebene Weise völlig am menschlichen Verhalten vorbei geht. Es braucht nicht eine volle Sicherheit, welche Sie und Ihre Partei anstrebt, sondern wir brauchen eine Grundabsicherung und die Initiativenförderung jedes einzelnen, sich selber darum zu bemühen, dass er nicht in die “Schieflage” gerät.

    Das menschliche Verhalten (keine Regel ohne Ausnahme) ist nun einfach mal so, dass je sicherer man sich fühlt umso “gleichgültiger” verhält man sich. Dazu kommt, dass das System Sozialwesen mit viel weniger Kosten auch ausführbar wäre. Weniger Globalsieren, die Aufgaben und Entscheide in die Regionen/Gemeinden verlagern, diese können vor Ort besser, effizenter entscheiden ob jemand Hilfe benötigt oder nicht.

    Die heute bestehenden Zentralstellen, sind nur noch “Verwalter” handeln nicht mehr im Sinne Sozial, sondern nach einem Schemabüchlein. Merken aber nicht, wenn ein Sozialbezüger mit dem geleasten Mercedes durch die Landen fährt, weil er den “Zustupf” welcher für Essen, Wohnen und wieder eingeliederung nicht für das genutzt wird, für das es wäre.

    “Bekennen wir Farbe: Ich bin überzeugt, mit mehr Offenheit und Transparenz stärken wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und motivieren die Menschen am 18. Oktober an die Urne zu gehen.”

    Schöne Worte die im heutigen System verhallen wie wenn ich ein Würstchen in eine Turnhalle werfe….

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  • August 16, 2015

    @ Frau E. Graf,

    Die erfolgreichsten, zahlrleichsten & somit einflussreichsten Lobbyisten sind nicht die Bauern wie Sie schreiben, sondern eindeutig die Mediziner & die Medi-Produzenten, der Chemie.

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    • Juli 19, 2021

      G. Hottinger: Ich bin mit Ihnen einverstanden. Die praktizierenden Mediziner haben wahrlich ihr Schärfchen im Trockenen. Mit Tarmed, in Kraft seit 2001, haben sie sich auf Jahrzehnte hinaus generöse Tarife gesichert und jeglichen Wettbewerb ausgeschaltet. Gegenbeispiel wie es auch gehen könnte: Zahnärzte. Die haben zwar vorgegebene Taxpunkte für ihre Massnahmen, aber den Punktwert können sie selbst bestimmen. So können sie ihre Tarife der Kaufkraft des Umfelds anpassen (Zürichberg oder Schlieren z.B.). Ausserdem werden die Tarmedtarife kaum je angepasst, auch nicht wenn ein ambulanter Eingriff viel schneller geht als früher und zur reinen Routine geworden ist. Das haben etliche Spezialisten gemerkt, die sich auf solche Eingriffe weiter spezialisieren und sehr viel Geld verdienen auf Kosten der Kassen resp. der Prämienzahler. Doch nichts passiert politisch und dies ist eben die Folge des effizienten Lobbyings der FMH in Bern. Dort will sich niemand die Finger verbrennen am Gesundheitssystem, denn dieses sei ja das beste der Welt.

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  • August 20, 2015

    Wer bei den Nachrichten gut zu gehört hat, der hat den von der Politik betriebenen Trick gehört.

    So hat man erklärt, wo die Milliarden nun hinfliessen würden, welche Griechenland erhalte. Es bleibe schlussendlich nicht mehr viel übrig für den Aufbau. (Und jetzt kommts) da würden der Verkauf des Flughafens an die öffentliche Betreiberin Frankfurt auch nicht mehr viel ändern.

    Somit dürfen wir doch wieder erkennen, dass sich ein EU-Staat mit dem Billigkauf eines Flughafens schon mal schön bereichert hat an der Misere in welcher GR steckt. Eine grosse Zahlung wird es ja wohl nicht sein, denn sonst hätte man das sicher “riesengross” in der Presse vermerkt.

    Alle EU-Staaten bezahlen und ein Einzelner bereichert sich mit ein billig erstandenen Flughafen, an welchen er künftig keine Abgaben mehr bezahlen muss. Und wie soll es anders sein, dass ausgerechnet GR eines der beliebtesten Destinationen ist welche ab Frankfurt geflogen werden.

    So läuft das mit dem Lobbing und nicht was in der Wandelhalle angeblich so genuschelt wird.

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