Das Wachs­tums­mo­dell hat ausgedient

Die Generationen vor uns hatten es doch wirklich gut. Auch nach der Ölkrise in den 70er Jahren ging es weiter aufwärts, Wachstum war angesagt. Und zwar auf allen Ebenen, sowohl im Gewerbe und in der Industrie, als auch in der Bildung und dem Gesundheitswesen. Genügend Nachwuchs war für die neu geschaffenen Arbeitsplätze ebenfalls vorhanden. Es wurde investiert und das Geld ausgegeben. In diesen guten Zeiten kam es niemanden in den Sinn, dass zur nachhaltigen Sicherung eines gesunden Staatshaushaltes gleichzeitig Sparen ebenfalls nötig gewesen wäre. Dies ist der Vorwurf, welche ich meinen politischen Vorgängern mache. Wachstum schien damals grenzenlos. Doch hier liegt der schwere Irrtum dieser verantwortlichen Generation. Mathematische Modelle des grenzenlosen Wachstums können auf unser einem biologischen Organismus ähnelndem Wirtschaftssystem einfach nicht angewendet werden.

 

Alte Lösungen für neue Probleme

Aufgrund der heutigen Situation macht sich Ernüchterung breit, bei den verantwortlichen Generationen herrscht sogar Hilflosigkeit. Es gäbe nur ein Rezept, um aus der Wirtschaftskrise wieder heraus zu kommen. Wachstum! Und zwar um jeden Preis. Unsummen wurden in die Märkte gesteckt. Es müsse doch einfach wieder aufwärts gehen. Niemand wollte sich bewusst werden, dass Wachstum einfach nicht unendlich ist. Alte Lösungen für neue Probleme. Politisch nötige Vorlagen zur Rettung des Staatshaushaltes werden bis zum Schluss aufgeschoben mit der Hoffnung, dass es das Wachstum schon richten werde. Müssen die Vorlagen anschliessend doch umgesetzt werden, weil das Wachstum ausblieb, sind die Lösungen einfach nicht brauchbar. Die älteren Generationen sitzen fest in ihren Sesseln, getrieben von dem Irrtum des grenzenlosen Wachstums oder noch schlimmer, von uralten Parteiideologien. Während die Rechte Steuern senken will und die Zuwanderung als grösstes Problem unseres Landes sieht, will die Linke zwar nicht jetzt, aber nach wie vor der EU beitreten und gleichzeitig noch den Kapitalismus überwinden.

 

Was hat uns wirklich zu beschäftigen

Ein wirklich grosses Problem ist bei weitem das Schrumpfen des Mittelstandes. Die Lohnschere öffnet sich immer weiter. Bereits heute besitzen 1% der Bevölkerung mehr Vermögen als die restlichen 99% zusammen. Und dies geht alles auf Kosten des Mittelstandes, der  tragenden Säule unserer Gesellschaft. Er ist der Konsument, welcher den Motor unserer Wirtschaft am Laufen hält. Genauso verhält es sich auch mit den kleinen und mittleren Unternehmen. Sie tragen ebenfalls zum Überleben unserer Gesellschaft bei. Aus diesem Grund müssen Mittelstand und die KMU unbedingt wirtschaftlich entlastet werden. Und dies, meine liebe Politiker des rechten Flügels, ist z.B. durch Vermögenssteuersenkun​gen, welche wieder nur den Reichen zu Gute kämen, nicht zu erreichen. Die fehlenden Einnahmen müsste man anschliessend bei der Sicherheit, bei der Bildung oder bei den Sozialleistungen einsparen. Dadurch würde man die sozial Schwachen und besonders den Mittelstand wieder schwer treffen und die Schere zwischen Arm und Reich würde sich noch weiter öffnen. Deshalb ist jetzt Sparen angesagt. Dies erreichen wir durch Spezialisierung der Universitäten, durch Straffung des Beamtenapparates und vor allem durch Verzicht auf Ausgaben für sinnlose, staatliche Prestigeobjekte. Investitionen sind wichtig, wie oben erwähnt. Aber nur fokussiert und zielgerichtet. Mehr lässt die heutige wirtschaftliche Situation nicht zu.

Ein weiteres Problem ist die demographische Entwicklung. Da die Geburtenraten sinken, können Lehrstellen, Studienplätze und vor allem Arbeitsplätze nicht mehr durch Einheimische besetzt werden. Wir sind in dieser Situation auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, wir Schweizer haben keinen Nachwuchs mehr. In den 50er Jahren hatten Familien 4-5 Kinder, in den 80er Jahren noch 2-3 und heute, wenn es gut kommt, vielleicht noch ein Kind. Diese Lücke gilt es zu schliessen. Sonst ist die Alternative der ausländischen Arbeitskräfte die einzige die uns bleibt, wenn wir unseren Wohlstand und unsere heutige wirtschaftliche Spitzenposition beibehalten wollen.

 

Die neu erstarkte Mitte bringt das Land weiter

Diese Probleme, und dies sind nur zwei Beispiele, müssen wir lösen. Oppositionsgehabe und Arroganz aufgrund festgefahrener Parteiideologien können wir uns in der heutigen Situation nicht mehr leisten. Die neu erstarkte Mitte hat bewiesen, dass es sie braucht. Wir brauchen den Konsens, wir brauchen Lösungen, mit denen alle zufrieden sind. In harten Zeiten gibt es nichts anderes als den urschweizerischen Kompromiss. Diese Politik, gepaart mit einer gesunden Portion Bescheidenheit, hat die Schweiz zu dem werden lassen, was sie heute ist. Das Volk will keine Oligarchie der Reichen, aber auch keinen Sozialismus. Der Mittelweg, welchen den Mittelstand und die KMU wieder als die tragende Säule unserer Gesellschaft schätzt und achtet, ist der richtige Weg. Wir dürfen alte Traditionen und Werte unserer Schweiz beibehalten, aber uns neuen Visionen nicht verschliessen. Denn nur so können wir in der Politik die aktuellen Probleme angehen. Gemeinsam werden wir diese Herausforderungen meistern. Und das müssen wir, das Volk erwartet dies von uns.

 

Marc Bürgi ist Dipl. Chemiker FH, 31 Jahre jung und arbeitet als Senior Consultant in einem Basler Personalrekrutierungs​unternehmen für Spezialisten und Kaderangehörige der Life-Sciences-Branche​ (Chemie, Pharma, Biotechnologie). Er ist Landrat und Nationalratskandidat der BDP Basel-Landschaft.

 

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Comments to: Neue Kräfte braucht das Land
  • Oktober 2, 2011

    Auch die Mitte-Parteien blockieren politische Kompromisse!

    Nur die SVP und die SP für Kompromisslosigkeit und den politischen Stillstand in der Schweiz verantwortlich zu machen ist unfair. Auch die Mitte-Parteien (FDP, CVP, BDP, GLP) haben Verantwortung bei der Aushandlung von politischen Lösungen. Weil sie zurzeit keine Mehrheit haben, sind sie gezwungen, sich einmal nach links und ein anderes Mal nach rechts zu bewegen. Das ist zwar wahltaktisch keine attraktive Position, für den politischen Fortschritt aber nötig. Ein anderes Mittel wäre das Ergreifen von Volksinitiativen. Dazu sind die einst erfolgsverwöhnten bürgerlichen Parteien aber zu bequem. Das Sammeln von Unterschriften auf der Strasse ist halt ein mühsames Geschäft.

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    • Juli 19, 2021

      Marc Bürgi sagte gerade eben

      Ich würde sogar sagen: Die Mitteparteien tragen die Hauptverantwortung in der Politik!

      Ich teile Ihre Meinung, dass das sich nach links oder nach rechts Bewegen der Mitte wahltaktisch nicht attraktiv ist, doch dies ist auch nicht das Ziel. Das Ziel ist, eine sachpolitische Lösung zu finden, mit der sowohl die Linke als auch die Rechte und somit alle zufrieden sind. Dadurch wird die Mitte zum bekannten Zünglein an der Waage. Nur dies bringt unser Land nach vorne. Viele Vorstösse werden von der Mitte selber erarbeitet, viele Vorstösse sind aber auch Vorstösse der Linken oder der Rechten, welche die Mitteparteien als Vermittlerin der beiden Polparteien durch Kompromisslösungen ebenfalls zum Abschluss bringt. Und dies wird auch so bleiben. In der Zukunft wird die neu erstarkte Mitte die Hauptverantwortung bei politischen Entscheiden tragen.

      Dass Evelyne Widmer-Schlumpf aus der SVP herausgeworfen wurde, weil das Parlament vor 4 Jahren der Drohung der SVP nicht folgte, sich nicht erpressen liess und Herr Blocher nicht die erforderliche Mehrheit erhielt, ist der Grund, dass die Partei BDP überhaupt geboren wurde. Evelyne Widmer-Schlumpf macht ihre Arbeit unbestritten sehr gut, dies goutieren sogar eingefleischte SVPler. Aus diesem Grund will das Volk sie wohl auch behalten. Mittlerweile existiert die BDP bis auf die Gründerkantone in 13 Kantonen und besteht mehrheitlich aus vorher nicht parteipolitisch aktiven Mitgliedern. Somit wird die BDP auch auf nationaler Ebene zulegen. Eine bürgerliche, sachliche und lösungsorientierte Politik hat Zukunft. In den Kantonen (z.B. Basel-Landschaft) ist die Mitte (CVP/EVP/glp/BDP) bereits so stark, dass Sie mit 19 Sitzen (24 SVP, 14 FDP, 12 Grüne, 21 SP) nicht mehr viele Stimmen braucht, um Mehrheiten zu schaffen. Die starke Mitte wird nach den Wahlen auch im Landesparlament in der Lage sein, Mehrheiten zu schaffen. Dies ist die Aufgabe und das Ziel der Mitteparteien. Polparteien erreichen nur Minderheiten, jedoch nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Es kann nicht das Ziel sein, dass mit der Meinung der SP 24% oder mit der Meinung der SVP 29% der Wähler befriedigt werden, die anderen 2/3 der Bevölkerung jedoch vernachlässigt werden. Und hier treten die Mitteparteien als Vermittlerin ein und bringen mehrheitsfähige Vorlagen durch das Parlament und somit unser Land nach vorne.

      Das von Ihnen vorgeschlagene Mittel der Volksinitiative ist keine Alternative, und dass SP und SVP sich dieser Bedienen, lehne ich entschieden ab. Regierungsparteien und vor allem mehrheitsfähige Regierungsparteien haben die Volksinitiative nicht für ihre populistischen und medienwirksamen Vorstösse zu missbrauchen. Die Volksinitiative ist für die Erwirkung von Gesetzesänderungen vom Volk, bzw. für Minderheiten gedacht. Parteien und vor allem Regierungsparteien haben sich der parlamentarischen Mittel der Motion, des Postulates oder der parlamentarischen Initiative zu bedienen, um schnelle Änderungen herbeizuführen. Dies ist zwar nicht unbedingt sehr öffentlichkeiswirksam​. Mit der Lancierung von Volksinitiativen verweigern sich Parlamentarier ihrer eigentlichen Aufgabe, das Volk zu vertreten. Gegen diese neu aufgekommende Bewegung werde ich mich sowohl im Landrat wie auch, falls ich als Vertreter der BDP Basel-Landschaft gewählt werde, im Nationalrat persönlich einsetzen. Als Patriot kann ich weder die linke Demontage unseres unabhängiges Landes noch nationalistische Aktionen goutieren, welche unsere direkte Demokratie in Misskredit bringen. Deshalb muss und wird sich am 23. Oktober etwas ändern. Ich persönlich halte eine konservativ-offene politische Einstellung mit der Fähigkeit zum Dialog und Kompromiss für die Zukunft. Und als junger Mittelständler will ich die Zukunft unseres Landes mitgestalten. Und dies in Zusammenarbeit mit links, rechts, jung und alt.

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