„Über 60% der Schweizerinnen wählen noch wie vor 87 Jahren: Nämlich gar nicht. Frauen geht an die Urne.“ Das Inserat der Zeitschrift Annabelle ist aufgefallen.
Wenn es stimmt, was eine Studie kürzlich eruiert hat, nach welcher Frauen sich massiv weniger für Politik interessieren als Männer, darf man die Schuld wohl nicht bei der mangelnden Gleichberechtigung suchen oder unsere Gesellschaft dem Vorwurf aussetzen, sie würde uns Frauen am Denken hindern. Nur aktive Beteiligung an der Politik, das heisst, wir sollen stimmen und wählen gehen oder uns selber wählen lassen in ein kommunales, kantonales oder eidgenössisches politisches Gremium schafft die nötige Beachtung unserer Anliegen. Wenn wir abseits stehen und uns der politischen Auseinandersetzung entziehen, sind wir selber schuld.
Vor 51 Jahren nahmen in Unterbäch im Wallis, nota bene einer Hochburg der CVP, erstmals Frauen an einem nationalen Urnengang teil. 14 Jahre später, am 7. Februar, 1971 wurde in der Schweiz offiziell das Frauenstimmrecht eingeführt. Diesen Abstimmungen ging ein erbitterter Kampf voraus. Er wurde für alle Frauen geführt und nicht für weniger als 40%. In der Schweiz leben zweieinhalb Millionen stimmberechtigte Frauen. Diese Zahl übertrifft diejenige der stimmberechtigten Männer um 300 000. Wir benötigen keine Quoten, welche uns den Einzug in politische Gremien garantieren, wir garantieren unser Mitbestimmen selbst.
Nutzen wir unser Potential und bestimmen die Frauenquote selbst.
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Kommentare anzeigen Hide commentsFrau Binder, Ihre Argumentation ist mir zu einfach und greift zu kurz. Als aktive Exekutivpolitikerin stelle ich leider fest, dass das Interesse der Bevölkerung an der Politik grundsätzlich gesunken ist. Es fehlen nicht nur engagierte Frauen, sondern auch Männer. Unser Milizsystem setzt auch in der Politik ein hohes Mass an Freiwilligenarbeit voraus. Insbesondere auf Gemeindeebene ist ein Behördenamt sehr zeitaufwändig und wird vielerorts nur geringfügig entschädigt. Während dieses Engagement früher gerade für die mehrheitlich nicht erwerbstätigen Frauen auch ein Sprungbrett in einen beruflichen Wiedereinstieg bedeutete, sind die heutigen, gut ausgebildeten und im Arbeitsprozess integrierten Frauen nicht bereit, ihre Erwerbsarbeit zugunsten eines politischen Engagements aufzugeben oder aber gerade Familien können sich einen Ausfall der Teilzeiterwerbstätigkeit der Frauen zugunsten der Politik finanziell nicht mehr leisten. Eine Dreifachbelastung –Familie, Beruf, Politik – ist für viele Frauen zeitlich oft nicht machbar, denn der „Backup“ sprich die Hausarbeit – das zeigen nämlich die letzten Erhebungen diesbezüglich durch die Zürcher Frauenzentrale – bleibt immer noch mehrheitlich bei den Frauen hängen. Ich gebe Ihnen recht, in der Politik ist die Quote alleine vermutlich nicht zielführend. Da benötigen wir Motivationsprogramme wie bspw. das Mentorinnen-Programm der Zürcher Frauenzentrale oder weibliche Vorbilder, die andere Frauen anregen, ihnen zu folgen.
In der Wirtschaft sieht es aber anders aus: Unser Bildungssystem entlässt jedes Jahr mehr bestausgebildete Frauen in die Wirtschaft. Zu Beginn des Arbeitsprozesses werden diese Frauen gefördert und die berufliche Karriere liegt ihnen scheinbar zu Füssen. Schwierig wird’s dann beim Durchstarten in verantwortungsvollere Positionen: Es gilt heute immer noch die Ansicht, dass Kaderpositionen nur durch Vollerwerbstätigkeit ausgefüllt werden können. Mütter in beruflich verantwortungsvollen Positionen kämpfen nicht nur mit einem logistisch herausfordernden Alltag zwischen Familie und Beruf, sondern mit jeder Menge Vorurteilen beider Geschlechter. Karrierebewusste Frauen benötigen Unterstützung und Förderung von ihren Vorgesetzten. Diese sind in der Mehrzahl immer noch männlich und vertrauen oft lieber auf männliche Bewerber, deren Handlungsweise für sie nachvollziehbarer und vertrauter sind. Frauen bergen für viele Entscheidungsträger in der Wirtschaft immer noch mehr Risiken als Chancen. Sie wollen diese weder tragen noch gegenüber Dritten vertreten. In Aufsichtsräten entscheidet man sich für denjenigen, den man schon aus anderen Gremien kennt und bleibt unter sich – das wäre dann das Problem der „Old-Boys-Netzwerke“. All diese Punkte sind seit Jahren erkannt und Entscheidungsträger in der Wirtschaft wurden aufgefordert, endlich diesem Missstand zu begegnen. Argumente für mehr weibliche Führungskräfte bezüglich Entwicklung unserer Volkswirtschaft, Chancen der Diversity in Führungsgremien und wirtschaftlichem Erfolg für die Unternehmungen wurden mehrfach von „unverdächtigen“ Stellen wie bspw. McKinsey Unternehmensberatung publiziert. Es blieb bei wagen Zielvorgaben und unverbindlichen Zusagen. Die Zahlen sprechen für sich: die substantielle Veränderung blieb aus. Nach all diesen freiwilligen Motivationsversuchen benötigen wir nun für eine gewisse Zeit einen verbindlichen Anschub und Druck in Form einer Verpflichtung, damit sich endlich etwas ändert. Im Gegensatz zur Politik gibt es genügend Frauen die wollen. Und auch best qualifiziert sind. Es ist an der Zeit, dass unsere Gesellschaft dafür sorgt, dass sie auch können.