Erstmals hat das Bundesgericht
einen Leitentscheid
zu der strafrechtlichen Landes-verweisung von EU-Bürgern gemacht.
Das Bundesgericht hat sich in einem Leitentscheid erstmals mit der strafrechtlichen Landesverweisung in Verbindung mit dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) befasst. Ein weiterer in Lausanne entschiedener Fall stammt ebenfalls aus dem Kanton Zürich und betrifft einen Deutschen.
Das Bundesgericht hat im Leitentscheid die strafrechtliche Landesverweisung eines EU-Bürgers bestätigt. Es sieht in diesem Fall keinen Konflikt zwischen dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) und dem Schweizer Recht.
Im konkreten hatte das Obergericht Zürich eine nicht obligatorische Landesverweisung von drei Jahren gegen einen 25-jährigen, serbisch-schwedischen Staatsbürger verhängt. Der Mann lebt seit zehn Jahren in der Schweiz und verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung B, wie aus einem am Mittwoch publizierten Urteil des Bundesgerichts hervor geht.
(Bild: Keystone/Christian Brun)
Der LeitentscheidDer Eid oder das Gelübde muss von Trägern öffentlicher Ä... des Bundesgerichtes
Der Mann hatte bei einem Streit im November 2016 einem Kontrahenten eine Wodka-Flasche an den Kopf geworfen und diesen mit dem Tod bedroht. Für diese Tat verurteilte das Obergericht den EU-Bürger wegen qualifizierter einfacher Körperverletzung und Drohung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und verwies ihn des Landes.
Ausserdem ordnete das Obergericht den Vollzug von zwei Vorstrafen aus den Jahren 2014 und 2015 an. Bei der ersten Vorstrafe hatte der Mann eine Sozialarbeiterin mit der Faust bedroht, weil diese ihn aufgefordert hatte, eine Frauenberatungsstelle zu verlassen.
Im zweiten Fall hatte der Verurteilte um Geld gebettelt und dabei drei Frauen Faustschläge versetzt und eine von ihnen mit den Füssen getreten. Beide Male war er alkoholisiert.
Der Doppelbürger berief sich in seiner Beschwerde auf das Freizügigkeitsabkommen.
Er macht im Wesentlichen geltend, dass zwischen der strafrechtlichen Landesverweisung und dem FZA ein grundsätzlicher Konflikt bestehe. Für die Wegweisung von EU-Bürgern sei das FZA massgebend und nicht das strengere Landesrecht.
Die strafrechtliche Landesverweisung wurde nach der Annahme der Ausschaffungsinitiative 2010 unter anderem in den Artikeln 66a und 66a bis ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Die entsprechenden Neuerungen traten am 1. Oktober 2016 in Kraft.
Das Bundesgericht hält fest, dass die Schweiz beim Erlass von Strafrecht auf ihrem Territorium nicht an das FZA gebunden sei. Allerdings müsse sie die völkerrechtlich vereinbarten Bestimmungen beachten.
Ein Strafgericht müsse bei der Prüfung einer Landesverweisung zunächst das Landesrecht anwenden. Sei das Ergebnis mit dem FZA kompatibel, stelle sich die Frage des Vorrangs des einen oder anderen Rechts nicht. Dies sei vorliegend der Fall.
Zunehmende Gewalttätigkeit
Das Zürcher Obergericht hatte bei der Landesverweisung erwogen, dass eine erhebliche Gefahr weiterer Straftaten bestehe, insbesondere gegen Leib und Leben.
Die Rückfallgefahr betrachtete es als erheblich, auch unter Berücksichtigung der zunehmenden Gewaltanwendung des Verurteilten.
Eine Landesverweisung sei in einem solchen Fall auch nach den Massstäben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zulässig. Diese Sicht stützt das Bundesgericht.
Der Verurteilte brachte vor Bundesgericht vor, das FZA setze eine tatsächliche und hinreichende schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren müsse. Um einen EU-Bürger wegweisen zu können, müssten schwerwiegende, mehrfach verübte Delikte vorliegen.
Die Rechtsprechung, auf die der Betroffen verweise, beziehe sich auf das Ausländerrecht, hält das Bundesgericht dem Mann entgegen. Diese Rechtsprechung sei vor dem Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative ergangen. Die Ausschaffungsinitiative führe jedoch zu einer klaren Verschärfung der Praxis mittels der strafrechtlichen Landesverweisung.
Deutscher ohne Wohnsitz
Den zweiten Fall, der einen deutschen Staatsbürger betrifft, hat das Bundesgericht zur neuen Beurteilung ans Zürcher Obergericht zurückgewiesen. Der junge Mann hatte zusammen mit weiteren Kumpanen einen Mann Angegriffen und verletzt.
Das Obergericht Zürich sprach mit Verweis auf das FZA keinen Landesverweis aus. Das Bundesgericht hält nun aber fest, dass der Mann in der Schweiz weder über einen festen Wohnsitz verfügte, noch einer Arbeit nachging. Er habe somit über kein Aufenthaltsrecht verfügt. Das FZA stehe einer strafrechtlichen Landesverweisung also nicht entgegen. (Urteil 6B_235/2018 vom 01.11.2018)
Quelle: sda
Schlussfolgerungen
1. Das Bundesgericht hält also formell als Präjudiz klar fest, dass die Schweiz beim Erlass von Strafrecht auf ihrem Territorium nicht an das Freizügigkeits-Abkommen gebunden ist. Daran sollten sich nun ALLE Kantone in Zukunft auch halten.
2. Ein Strafgericht muss bei der Prüfung einer Landesverweisung also zunächst das Landesrecht anwenden. Sei das Ergebnis mit dem FZA kompatibel, stelle sich die Frage des Vorrangs des einen oder anderen Rechts nicht. Übrigens geniesst auch in Deutschland das Landesrecht den Vorrang.
3. Eine Landesverweisung ist in einem solchen Fall auch nach den Massstäben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zulässig.
4. Im Fall des Deutschen sprach jedoch das Obergericht Zürich mit Verweis auf das FZA keinen Landesverweis aus. Das Bundesgericht hält nun aber fest, dass er in der Schweiz weder über einen festen Wohnsitz verfügte, noch einer Arbeit nachging. Nicht erstaunlich ist dabei, dass der Kt. ZH von rot/grün dominiert wird, wo doch leider immer noch fast nichts anderes erwartet werden kann. Das kann jetzt bei den nächsten Wahlen aber geändert werden. Es hat eine gute Mehrheit von respektvollen Ausländern i.d. Schweiz, die hier geschätzt & willkommen sind, nicht jedoch solch kriminelle Ausländer. Unsere Gefängnisse sind zu 70 bis 80 % übermässig mit kriminellen Ausländern gefüllt, welche XX-Milliarden Franken jährlich verschlingen. Das neue Strafrecht zukünftig strikter angewendet – möglichst in allen Kantonen gleich – könnte z.B. die AHV/IV Kasse gleich mehrfach leicht saniert werden. Dadurch profitierten dann auch die die grosse Mehrheit der respektvollen Ausländer. Insofern gibt das Bundesgericht hierin einmal zu berechtigter Hoffnung Anlass.
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Kommentare anzeigen Hide commentsEine andere Haltung des Bundesgerichtes wäre eine Bevorzugungvon Kriminellen je nach Herkunftsland und das würde vermutlich gegen EMRK-rechte verstossen.-
“Schweiz darf jetzt kriminelle EU-Bürger ausweisen”
Nein, Herr Hottinger. Das Bundesgericht hat in zwei ganz speziell gelagerten Fällen die Ausweisung verfügt. Es hat sich nicht generell für die Ausweisung von kriminellen EU-Bürgern ausgesprochen.
Ein Leitentscheid gibt die Leitlinie vor, ist doch ganz einfach, Herr Hottinger hat recht
Bundesgerichtsurteile sind immer “Leitentscheide”, Herr Forestier – hier für die beiden sehr speziell gelagerten Fälle. Das BG hat sich mit Bedacht nicht grundsätzlich für Ausweisung von kriminellen EU-Bürgern ausgesprochen.
Ein Grundsatzentscheid ist bis jetzt nicht gefallen.
Hier wurde angenommen, dass eben kein Rechtstitel vorliegt, der einen Aufenthalt erlaubt hätte, also greift die FZA erst gar nicht.