Wenn die Me­dien schrei­ben, die Na­tio­nal­bank pumpe wie­der ein­mal Geld in die Märkte, dann meint fast die ganze Schweiz, un­sere Zen­tral­bank stelle den Ban­ken Mit­tel zur Verfügung, die sie dann an die Wirt­schaft aus­lei­hen. Diese Mei­nung ist nur zu rund 2,5 Pro­zent rich­tig, bzw. zu 97,5 Pro­zent falsch. 

 

In Tat und Wahrheit schöpft nicht die Nationalbank Geld, sondern die privaten Banken. Bei jeder Kreditvergabe stellen Sie Geld her, das es vorher nicht gegeben hat. Im Beispiel aus der Broschüre «Die Nationalbank und das liebe Geld» (S. 18): Ein Sparer deponiert 20’000 Franken auf seinem Girokonto einer Bank. Davon verleiht diese 16’000 Franken an einen Unternehmer – der sich dafür eine Computeranlage kauft – und erhöht damit die Geldmenge um 16’000 Franken. Logisch: Der Sparer hat 20’000 Franken, echtes Geld, das er versteuern muss oder ausgeben kann. Und der Unternehmer hat 16’000 Franken, mit denen er Rechnungen bezahlen kann, also auch echtes Geld. Das ist die ganze Magie der Geldschöpfung.

 

Da​mit sich der Sparer keine Sorgen um sein Geld zu machen braucht, hält die Bank eine Mindestreserve zurück. In diesem Original-Rechenbeispi​el der Nationalbank beträgt sie 20 Prozent. Das scheint sicher genug: Es kommen ja nicht alle Kontoinhaber gleichzeitig auf die Idee, ihr Geld auszugeben oder es in bar zu beziehen. 

 

Wie hoch aber liegt der Mindestreservesatz tatsächlich? Die Frage kommt Werner Abegg, dem Kommunikationschef der Nationalbank, mit dem ich gestern gesprochen habe, reichlich ungelegen. «Ich weiss es nicht so genau», sagt er zunächst. «Fragen Sie die FINMA, die legt die Sätze fest.» Ich insistiere. Der Mindestreservesatz sei einer der ganz zentralen Werte, mit dem die Geldschöpfung durch die privaten Banken beeinflusst werden könne. Das sei bestimmt Aufgabe der Nationalbank. «Ich bin ein bisschen überfragt», sagt Abegg, «wir haben im Moment dringendere Aufgaben.» Verständlich – die Frankenstärke! Da muss man täglich die Nationalbankpumpe neu anwerfen. Dann kommt nach einer kurzen Pause die Antwort: «Der Mindestreservesatz beträgt 2,5 Prozent», auf Giroguthaben, um genau zu sein. Das ist acht mal weniger, als die Nationalbank in ihrer eigenen Broschüre angibt.

 

Der tatsächliche Wert ändert das Rechenbeispiel der Nationalbank schlagartig: Von den 20’000 Franken des obigen Exempels kann die Bank nicht bloss 16’000 Franken verleihen, sondern 19’500. Und wenn der Lieferant der Computeranlage sein Geld auch zur Bank bringt und diese nach Rückbehalt von 2.5 Prozent wiederum 19’012.50 ausleiht, entstehen durch Wiederholung dieses Prozesses aus den ursprünglichen 20’000 Franken geschlagene 800’000.

 

Weil die Erfüllung des Mindestreservesatzes ein wichtiger Indikator für die Sicherheit des Geldes ist, publiziert die Nationalbank regelmässig die aktuellen Bestände. Wir können aufatmen: Gemäss den gestern publizierten Daten beträgt der «Erfüllungsgrad» der Mindestreserven 330 Prozent. Anstatt 2.5 Prozent sind es also 8.25 Prozent. Das ist fast so gut wie im ausgehenden Mittelalter, als die italienischen Goldschmiede als Erfinder des modernen Bankwesens davon ausgingen, dass nie mehr als zehn Prozent ihre Quittungen wieder in echtes Gold zurücktauschen wollten. 

 

Fazit: Die Nationalbank pumpt eigentlich fast nichts, 2,5 bis 10 Prozent vielleicht. Es sind die Banken, die pumpen. Und die pumpen erst, wenn sie Kredite sprechen können. Darf uns das erstaunen? Nein! «Jede Bank schöpft Geld», sagt Werner Abegg. «Das ist überall so.» Erschütternd, mit welcher Leichtigkeit ein leitender Angestellter einer staatsnahen Institution eine krasse Verfassungswidrigkeit​ zum Normalfall erklärt. Denn Münzen und Banknoten herausgeben, das darf gemäss Art. 99 der Bundesverfassung nur der Bund.

Aber vielleicht ist das Geld, das uns die Banken in die Konten schreiben (und Zins dafür verlangen), gar kein echtes Geld. Mehr zu dieser spannenden Frage morgen.

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Comments to: Die Nationalbankpumpe
  • September 6, 2011
  • September 9, 2011

    Sehr geehrter Herr Pfluger

    Ich habe Ihnen den nach oben zeigenden Daumen gedrückt. Insgesamt gesehen beschreiben Sie sicher die wahre Situation. Die angegebenen Zahlen kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein Banker. Doch als Mathematiker/Physiker​ habe ich mir im besuchten Nebenfach Nationalökonomie einige grundlegende Gedanken gemacht.

    Es fasziniert uns alle, wie unsere Nationalbank einfach so Geld drucken kann. Damit ist sie kein Unternehmen. Gewinne und Verluste gibt es für sie nicht. Doch betrachtet man die gesamte Volkswirtschaft der Schweiz, gehört die Zentralbank ganz klar dazu. Wenn sie irgendwelche Transaktionen mit dem Ausland (genau gesehen anderen Währungsräumen) macht, dann sind allfällige Gewinne und Verluste für unsere Volkswirtschaft real vorhanden. Es sind nicht nur „Buchungsgewinne/-ver​luste“. Es ist also tatsächlich so, dass letztes Jahr mit den gekauften Euros ein riesiger Verlust für unsere Volkswirtschaft entstand. (Wenn ich richtig informiert bin, 60 Milliarden Schweizer Franken.) Das trifft die Schweiz finanziell gleich stark, wie wenn uns eine ebensoviel kostende Naturkatastrophe getroffen hätte.

    Die letztjährigen Eurokäufe der Nationalbank waren wirklich für nichts. Sie konnten den Devisenmarkt nicht längerfristig beeinflussen. Doch man hat dazu gelernt. Heute weiss man, folgende Punkte sind von der Nationalbank bei Stützungskäufen des Euros zu beachten:

    1. Eine Geldmengenerhöhung in der Schweiz ist von der Nationalbank zu beschliessen und publizistisch geschickt anzukündigen. Dieser via Banken und Kreditnehmer erfolgende Prozess geschieht nicht sofort sondern läuft über eine bestimmte Zeitspanne ab. Unsere Unternehmungen können so ihre Aktivitäten ausweiten und zudem auch noch Zukäufe im Ausland tätigen. Doch insgesamt wird die Wertvermehrung unserer Volkswirtschaft kleiner sein, als was die Volumenerhöhung unserer Geldmenge bewirkt. Diese Differenz bringt uns eine entsprechend grosse zusätzliche Inflation. Dadurch wird am Devisenmarkt langfristig der Wert des Schweizer Frankens nach unten gedrückt. Bereits die gut publizierte Ankündigung sollte bei den Devisenhändlern das Interesse an Spekulationen mit unserer Währung dämpfen.

    Damit ist die folgende Aktion der Nationalbank gut vorbereitet.

    2. Es wird eine realistisch gesehen langfristig zu erreichende Untergrenze des Euro-Wechselkurses wiederum publizistisch geschickt angekündigt. Dabei wird betont, dass diese Untergrenze von der Nationalbank gehalten werde, koste es was es wolle. Das fährt bei den Devisen-Jongleuren ein. Der Schweizer Franken ist für sie wie vergiftet. Da sind keine kurzfristigen Gewinne mehr zu erzielen. Solange der Euro noch für weniger als 1,20 SFr. zu haben ist, werden Schweizer Franken sofort in Euros getauscht. Auch die Nationalbank wird noch rasch Euros kaufen, denn bald sind sie 1,20 SFr. wert.

    Die Aktion der Nationalbank läuft so einige Zeit gut und sie macht auf ihren ausländischen Wertpapieren satte Gewinne. Da jetzt auch die zuerst beschlossene Geldmengenerhöhung zu wirken beginnt, wird auch von da her der Euro-Wechselkurs noch zusätzlich gestützt. Doch nach einigen Wochen oder Monaten könnte wieder ein Absinken des Euro-Wechselkurses drohen.

    3. Nun muss die Nationalbank sofort Euro-Werte kaufen, so dass sich der Euro-Wechselkurs auf 1,20 SFr. halten kann. Jetzt haben wir die Bewährungsprobe, die schlimmstenfalls dazu führen könnte, dass der Nationalbank beim kaufen von Euro-Werten der Schnauf ausgeht und der Euro-Wechselkurs ins Purzeln gerät.

    Das ist das von Philipp Hildebrand erwähnte grosse finanzielle Risiko für die Schweiz. Bei einer Untergrenze des Euro-Wechselkurses von 1,20 SFr. glaube ich, ist dieses Risiko zu verantworten und wird ja diesmal praktisch von allen Seiten auch mitgetragen.

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    • Juli 18, 2021

      Danke für den nach oben gerichteten Daumen. Es ist allerdings so, dass nicht die Nationalbank das meiste Geld schöpft, sondern die privaten Banken. Das ist überall auf der Welt. Eine der Probleme ist, dass dieses Geld zum grössten Teil nicht in die Realwirtschaft fliesst und Werte schafft, sondern in die Finanzwirtschaft und spekulative Gewinne antreibt, die mit Wertschöpfung nichts zu tun haben. Darum wächst die Geldmenge um ein Mehrfaches schneller als die Gütermenge. Weil die Besitzer dieser Gelder ihre Mittel in den Anlagen behalten (wo sie bis jetzt grosse Gewinne machen konnten), schlugen sich diese inflationierten gelder nicht in den Konsumentenpreisen nieder. Wehe, wenn alle diese Geldvermögen reale Werte suchen. Dann gibt es eine veritable Inflationsexplosion.

      Noch etwas für Sie als Mathematiker: Die dem Geldsystem zugrundeliegende Dynamik ist der Zins, eine Exponentialfunktion. Der amerikanische Physiker Alfred Bartlett bezeichnet die Unfähigkeit, die Exponentialfunktion zu verstehen, als die grösste Beschränkung der menschlichen Spezies. Sein einleuchtendes Beispiel hier als pdf: http://www.zeitpunkt.​ch/fileadmin/download​/ZP_100/100_14-15_Bes​chraenktheit.pdf
      Was​ wir wissen müssen: die Hauzptsache kommt am Schluss, und es geht alles ganz schnell.

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  • September 11, 2011

    Ich glaube ihre Teorie von der Geldschöpfung hat einen Fehler. Also die 20’000 werden bei der Bank aufs Kreditorenkonto z.B. Sparbuch geschrieben, dann kommt der Kredit von 16’000 und wird erstmals auf Debitorenkonto z.B. Vergebene Kredite und dann könnte der Betrag auf dem Kontokorrent des Kreditnehmers gutgeschrieben werden, was wiederum auf der Kreditorenseite geschieht. Wenn wir nun diese Bilanz auswerten, haben wir auf der Debitoren-Seite (Verwendung der Gelder) 16’000 und auf der Kreditoren-Seite (Herkunft der Gelder) 20’000 und 16’000 Resultat 20’000 und nicht 36’000 wie in Ihrem Beispiel. So sehe ich die Sache Buchhalterisch.

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