Als die Os­ma­nen 1453 Kon­stan­ti­no­pel be­la­ger­ten, führte man in der Stadt eine lei­den­schaft­li­che​ Dis­kus­sion über das Ge­schlecht der En­gel. Eine bis heute ungelöste Fra­ge, aber den­noch eine äusserst fragwürdige Prioritätensetzung, zumal die an­sch­lies­sende Er­obe­rung Kon­stan­ti­no­pels das Ende des By­zan­ti­ni­schen Reichs be­sie­gel­te.

Die vergangene Herbstsession der eidgenössischen Räte war geprägt von den Bundesratswahlen. Dabei wurde namentlich von den Kandidatinnen und Kandidaten richtigerweise auf die grossen Herausforderungen unseres Landes hingewiesen: Soziale Wohlfahrt, finanzielle Stabilität, wirtschaftliches Wachstum. Baustellen, wie beispielsweise der gesellschaftliche Wandel, die Integration von Minderheiten, die Finanzierung unserer Sozialwerke, unsere Beziehungen zum Ausland, die Frankenstärke, die Zukunft der Schweizer Armee usw. bestehen zur Genüge. Und alle freuen sich darauf, diese Probleme gemeinsam anzupacken…

Zur gleichen Zeit debattierte das Parlament mit Herzblut und Emotionen über Fragestellungen, wie ein Verbot von Pitbulls, den Schutz von Bienen, die Abschaffung der Velonummer, ein Verbot von Offroadern, der Umgang mit dem Wolf und sogar über Bü-Bü-Bündner Fleisch. – Zweifellos sind auch dies aus der jeweiligen subjektiven Sicht der Betroffen wie auch der Unbetroffenen durchaus wichtige Probleme. Dennoch darf wohl ohne Zynismus bemerkt werden, dass andere Nationen davon träumen, solche Probleme zu wälzen. – Ja, es geht uns gut. Denn sonst könnten wir uns diesen Luxus wohl kaum leisten.

Ach ja, das Parlament diskutierte natürlich auch langfristig wichtige und umfassende Aufgabenstellungen, wie zum Beispiel die AHV-Reform, an der während Jahren gearbeitet wurde. Die sorgfältig entstandene, konsensfähige Kompromisslösung war dann aber einigen aus wahlkampftaktischer Sicht zu wenig attraktiv und wurde husarenstreichartig versenkt. An gelösten Problemen ist man offenbar nicht interessiert, denn über diese kann im Wahlkampf nicht mehr gepoltert werden. – Ja, es geht uns gut; zum Glück…

Bleibt zu hoffen, dass nie – aber gar nie – in unserem Land ein Offroader ohne Velonummer einen Wolf überfahren und ihn damit zu Bündner Fleisch verurteilen wird…

 

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Comments to: Es geht uns gut!
  • Oktober 12, 2010

    Sehr geehrter Herr Landolt,

    Ja, es geht uns gut, vielleicht zu gut und die Frage, die wir uns stellen müssen heisst: Wird das so weitergehen?

    Die allgemeinen Trends, so eine kürzliche Analyse der Credit Suisse, die für den aktuellen Kurs der globalen Entwicklung verantwortlich zeichnen, lassen sich auf drei unterschiedliche, jedoch eng und untrennbar miteinander verbundenen Megatrends zurückführen:

    Die demographische Entwicklung
    Der Wandel zu einer multipolaren Welt
    Die Nachhaltigkeit

    Mit​ Blick auf diese Trends, würde mich interessieren, wie sich die BDP die Zukunft unseres Landes vorstellt.

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  • Oktober 13, 2010

    Sehr geehrter Herr Nationalrat Landolt

    SIND DIES DIE WICHTIGSTEN DINGE DES STAATES SCHWEIZ?

    * Bundesratswahlen *
    Jährliche Selbstbeschäftigung des Parlaments – Beurteilung für dieses Jahr: Das Parlament hat aus meiner Sicht zwei sehr gute Bundesräte gewählt.

    * Frage zu den Zahlen *
    Können künftig die sechs Zahlen – Bundeshaushalt, Bundesschulden, Gesundheitswesen, ALV, AHV, IV – regelmässig als Übersicht präsentiert werden? Mit dieser Präsentation kann der Bürger einigermassen einschätzen, wie es um den Staat Schweiz steht.

    * Zukunft Schweizer Armee *
    Die Verfassung gibt einen klaren Auftrag vor. Meiner Ansicht nach ist die massive Sparübung fehl am Platz. Genügend Geld in die Sicherheit unseres Landes zu leiten ist eine gute Investition. Das jährliche Budget für das Militär soll meines Erachtens auf 5.0 Milliarden angehoben werden.

    * Was beschäftigt die Bevölkerung? *
    Ich bin der Ansicht, das Parlament versteht die aktuellen Probleme der Bevölkerung nicht. Es orientiert sich an einzelnen bestimmten Sachproblemen. Im Weiteren fühlt es sich für vieles verantwortlich, das Wohlergehen des Volkes steht aber viel zu wenig im Vordergrund.

    * Allgemeine Bemerkung *
    Sie schreiben «es gibt durchaus auch wichtigere Probleme». Meine Schlussfolgerung: Den introvertiert denkenden Parlamentariern geht es gut. Wie wesentlich ist dies ihrer Ansicht nach für unseren Staat Schweiz?

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  • Oktober 15, 2010

    Von der Themenwahl der Parlamentarier auf das Wohlbefinden der Bevölkerung zu schliessen halte ich für gewagt.

    Welche Themen in Bern aufs Tapet kommen wird primär von Parlamentariern und Initianten bestimmt. Lobbyisten wiederum helfen da und dort bei der Themenwahl und Entscheidungsfindung etwas nach. Die Offroader-Debatte hat man z.B. einer Volksinitiative zu verdanken

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