Hier noch­mals ein Hin­weis auf eine ein­fluss­rei­che Frau der Schwei­zer Ge­schich­te, auf eine Äbtissin. Ka­tha­rina von Zim­mern, ge­bo­ren 1478 in Mess­kirch (im heu­ti­gen Ba­den-Würt­tem­ber­g​​​​​​​​​​​​​​​​​), ent­stammte einer ge­bil­de­ten süd­deut­schen Frei­her­ren­fa­mi­li​​​​​​​​​​​​​​​​​e. Als sie zehn Jahre alt war, fiel ihr Vater durch In­tri­gen bei Kai­ser Fried­rich III. in Un­gna­de; er wurde geäch­tet. Die Fa­mi­lie floh nach Wee­sen, das da­mals im Ein­fluss­be­reich der Glar­ner lag. Mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit​​​​​​​​​​​​​​​​​ sah Ka­tha­rina dort den 6-jäh­ri­gen Ul­rich Zwing­li, der bei sei­nem On­kel, dem Orts­pfar­rer, in Obhut ge­ge­ben wor­den war.

Der Vater brachte die bei­den Töch­ter 1491 in die Fraumüns­terabtei in Zürich, welche ade­li­gen Frauen vor­be­hal­ten war. 1494 be­ka­men sie das Or­dens­ge­wand. Nach Hin­wei­sen, dass in der Abtei sitt­lich be­denk­li­che Zu­stände herrsch­ten und die beiden blutjun­gen Nonnen von Geist­li­chen beläs­tigt wür­den, holte der Vater die bei­den Töch­ter für kurze Zeit nach Wee­sen zurück. (Die Abtei um­fasste auch einen Män­ner­kon­vent für die Chor­her­ren …) Das Fraumüns­ter galt for­mell als Be­ne­dik­ti­ne­rin­n​​​​​​​​​​​​​​enkloste​r​­​; die ade­li­gen Frauen leb­ten dort je­doch wie in einem freien Stift. Be­reits 1496 – mit 18 Jah­ren! – wurde Ka­tha­rina zur Fürstäb­tis­sin ge­wählt. Damit gehörte die Klerikerin zum höchs­ten Adel im HRR. Sie stand in der Gunst des Kö­nigs Ma­xi­mi­lian I.

Katharina stand einem riesigen Klosterbetrieb mit weitreichenden Ländereien und vielen Untertanen von Süddeutschland bis in die Innerschweiz hinein vor. Sie hatte das Recht, allein für das Stift zu handeln, so auch Güter zu kaufen und zu verkaufen. Ausserdem war sie als Fürstäbtissin auch Stadtherrin von Zürich. Hohe Gäste Zürichs wurden von ihr begrüsst. Bei ihr lagen das Begnadigungsrecht und das Münzrecht der Stadt Zürich und das Recht, den Schultheissen zu ernennen.

Münster​​​​hof und Fraumünster auf dem Murerplan aus dem Jahr 1576 (Foto: Wikipedia)

Katharina​​​​ von Zimmern sanierte die Finanzen der Abtei und entfaltete eine rege Bautätigkeit. Für die Ausmalung der Dreikönigskapelle engagierte sie berühmte Künstler. Sie veranlasste den Neubau des Abteigebäudes, das bis 1898 bestand. Heute würde man sie auch als Kunstmäzenin bezeichnen. Zur Abtei gehörte auch eine Schule, die unter Katharina neu gebaut wurde.

Während ihrer 28-jährigen Amtszeit als Fürstäbtissin wurde Katharina von Zimmern in den Ratsakten der Stadt nur ganz selten genannt, da ihre Amtsführung zu keinen Klagen Anlass gab. Im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen erledigte sie ihre Aufgaben gewissenhaft und mit Takt und Diskretion.

In der Abtei lebten damals nur noch drei Stiftsdamen sowie sieben Chorherren. Bis 1503 traten vier junge Frauen in den Konvent ein. Damit erhöhte sich die Anzahl Stiftsdamen auf sieben. Später wird auch eine junge Stiftsdame erwähnt, welche mit grosser Sicherheit die uneheliche Tochter der Fürstäbtissin und des Freiherrn von Reischach war.

Als Frau von Bildung und Ansehen dürfte die Äbtissin Katharina von Zimmern die theologischen Diskussionen ihrer Zeit aus nächster Nähe erlebt haben. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen wählte sie 1496 mit Heinrich Engelhard einen späteren Parteigänger Ulrich Zwinglis zum Leutprie​​​​​​​​ster im Fraumünster. (Fürstäbtissinnen durften Priester ernennen, aber keine priesterlichen Handlungen vornehmen!) Zwingli überreichte Katharina seine 1523 erschienene Reformationsschrift mit einer persönlichen Widmung.

Katharina von Zimmern förderte die Reformation in Zürich signifikant, indem sie 1524 das Fraumünsterstift der Stadt übergab – ohne Bedingungen. Sie erhielt dafür für sich eine hohe Leibrente, ein lebenslanges Wohnrecht im Äbtissinnenhaus und das Bürgerrecht. Katharina verhinderte​​​​​​​ durch diese Übergabe einen drohenden Bürgerkrieg: Sie löste die Säkularisation der Klöster aus und ermöglichte so die Stabilisierung der Zürcher Reformation.

Ein weiteres Mal bewies Katharina ihre Eigenständigkeit und heiratete kurz darauf ausgerechnet den Freiherrn Eberhard von Reischach, der um 1516/18 von Zürich wegen der Anwerbung von Söldnern für den Herzog von Württemberg in Abwesenheit zum Tod verurteilt worden war. Damit begann ihr neues Leben als Ehefrau eines geächteten Söldnerhauptmanns. Obwohl sie bereits 47 Jahre alt war, und ihr Mann 61, bekamen sie noch zwei weitere Kinder. Da Reischach auf Zürcher Boden sein Leben riskierte, lebte die Familie Reischach-Zimmern zunächst in Schaffhausen und in Diessenhofen, bis ihr 1529 eine Begnadigung die Rückkehr nach Zürich ermöglichte. Zwingli sicherte sich damit Reischachs Unterstützung in den drohenden militärischen Auseinandersetzungen mit den katholischen Orten. Beide fielen 1531 im Zweiten Kappelerkrieg.

Katha​​​​​​​​​​​​​​​​​rinas​ leibliche Schwestern waren ebenfalls sehr selbstständige Frauen: Auch sie heirateten selbstbestimmt: Im Spätmittelalter war noch ein blosses Eheversprechen gültig. Mit dieser Freiheit räumte dann die Reformation auf; selbstbestimmte Heiraten waren für die Frauen nicht mehr möglich.

Katharina von Reischach-von Zimmern starb 1547 in Zürich.

Mehr hier:

Christine Christ-von Wedel, Irene Gysel, Jeanne Pestalozzi und Marlis Stähli: Die Äbtissin, der Söldnerführer und ihre Töchter – Katharina von Zimmern im politischen Spannungsfeld der Reformationszeit, TVZ, 2019

 

Comments to: FÜRSTÄBTISSIN KATHARINA UNTERSTÜTZTE DIE ZÜRCHER REFORMATION

Neuste Artikel

  1. Gesellschaft
Ist NR Andreas Glarner ein «Gaga-Rechtsextremist»? Sollten sich mutmasslich ehrverletzende Schimpfwörter, wie sie Hansi Voigt gebrauchte, als rechtmässig in Kauf zu nehmende Kollateralschäden für gewählte Politiker:innen durchsetzen, würden hierzulande einige Dämme brechen. Die Entschädigung, welche Nationalrät:innen beanspruchen dürfen, wäre dann in der Tat endgültig eine «Schafseckelzulage», wie sich der verstorbene frühere Bildungsdirektor Alfred Gilgen jeweils auszudrücken pflegte.
  1. Gesellschaft
Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland gefährdet. Meinungsfreiheit, die keine falschen Tatsachenbehauptungen zulässt, ist eben keine. Nur eine Gesellschaft, in der es sogar erlaubt ist, zu lügen, ist wirklich frei. Die Lüge mag moralisch verwerflich sein. Ein Rechtsvergehen darf sie in einer freien Gesellschaft niemals sein. Dass die neue Koalition in Deutschland offensichtlich an eine Medienaufsicht zur Wahrheitskontrolle denkt, macht die Sache noch schlimmer. Vor allem aber gestehen die rot-schwarzen Koalitionäre mit der Planung einer staatsfernen Medienaufsicht selbst ein, dass sie Meinungen unterhalb der Schwelle des Strafrechts sanktionieren wollen. Doch in einem Rechtsstaat ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Wer an diesem Grundsatz rüttelt, öffnet das Tor zu einer autoritären Gesellschaft.

Bleiben Sie informiert

Neuste Diskussionen

Willkommen bei Vimentis
Werden auch Sie Mitglied der grössten Schweizer Politik Community mit mehr als 200'000 Mitgliedern
Tretten Sie Vimentis bei

Mit der Registierung stimmst du unseren Blogrichtlinien zu