1. Politisches System

Liebe Volksvertreter: Wir müssen reden!

So liest man hier. Demokratie beruht auf Menschenrechten – Republik

 

Demokratie beruht auf Menschenrechten! Jetzt soll auch noch der Nationalrat zur Nichtbeachtung des Strassburger Klima-Urteils aufrufen. Das ist keine gute Entwicklung: Nicht nur für das Klima, sondern auch für die Zukunft der Schweizer Demokratie.

 

Die Schweiz würde mit einer solchen Erklärung einen grossen Schritt machen, weg vom demokratischen, liberalen Verfassungsstaat, hin zu einem plebiszitären Illiberalismus. Es gibt nur wenige Präzedenzfälle einer expliziten Nichtbeachtung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch eine der Vertragsparteien. Der bisher einzige eindeutige Fall eines Landes, das die Recht­sprechung des EGMR explizit unter Vorbehalt stellte: Russland.

 

Wir leben in einer Epoche der sich häufenden und extrem gewaltsamen Kollisionen zwischen Politik und Recht. die Rechtsprechung des EGMR explizit unter Vorbehalt stellte: Russland. Auch im Nahost-Konflikt prallen internationales Recht und Politik immer härter aufeinander. Der Schweizer Streit um das Klima-Urteil wirkt im Vergleich zu diesen internationalen Entwicklungen wie eine irrelevante Posse.

 

Doch es ist letztlich genau dieselbe Entwicklung: die Delegitimierung des Rechts. Ein zunehmend aggressiver Nationalismus. Und eine Politik, die glaubt, auf Regeln – strafrechtlicher oder völker­rechtlicher Natur – keine Rücksicht nehmen zu müssen. In einer bizarren Umdrehung soll die Gewalten­teilung neuerdings immer nur von den Richtern geritzt werden – und niemals von der Politik.

 

Dass Gerichte Beschlüsse der Exekutive oder der Legislative für ungültig erklären oder ihnen eine bestimmte Verhaltensweise vorschreiben, ist das eigentliche Wesen des Menschenrechts- und Grundrechtsschutzes. Wer nicht will, dass Gerichte demokratische Volksentscheide einschränken, revidieren oder zurückweisen können, der muss schlicht die Gewalten­teilung aufgeben. Wer glaubt, dass direkt­demokratische Beschlüsse immer gelten müssen, kann in der Tat weder eine Form der Verfassungsgerichtsbarkeit noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptieren.

 

Dieses eigentlich selbstevidente Grundprinzip gerät jedoch immer heftiger unter Druck. Die SVP glaubt inzwischen, sie könne es sich leisten, eine Initiative zu lancieren, die nicht einmal mehr zwingendes Völkerrecht respektiert.

 

Liebe Politiker: diese Tendenz gibt mir sehr zu denken. Ich bitte dringend die Verfassung, weiterführende Gesetze/Regelungen, unterschriebene Verträge, Zuständigkeiten zwischen Bund, Kanton, Gemeinde zu beachten. 

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Comments to: Liebe Volksvertreter: Wir müssen reden!
  • Juni 1, 2024

    Etliche Parlamentarier wissen nicht =der wollen nicht wissen), was der EGMR beurteilt und schliesslich nur gerügt hat: Er hat festgestellt, dass die Schweiz zu wenig tue, um ältere Menschen vor den gesundheitlichen Folgen der Klimaerwärmung zu schützen – mit der Begründung, sie habe im Hitzesommer 2022 laut einer Studie der Universität Bern 370 (!) zusätzliche Todesfälle nicht verhindert. Mit dieser Feststellung des EGMR können die eidg. Räte natürlich nicht gezwungen werden, nun endlich für den Schutz der Gefährdeten wirksame Massnahmen zu treffen. Aber in den 46 Ländern des Europarates werden nun hunderte von Entschädigungsforderungen von Gefährdeten eingereicht werden, denen die Gerichte dieser Länder zustimmen werden. Auch in der Schweiz. Gut so.

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