Wir sehen der Revolution bei der Arbeit zu. Die Tunesier jagten ihren korrupten Präsidenten fort. Hosni Mubarak erhielt von „seinem“ Volk die Kündigung. Der Oberst aus Libyen sucht mit Pudelmütze unter einem Schirm Deckung und lässt die Demonstranten mit Kampfjets bombardieren. König Al Chalifa und Premierminister Al Chalifa aus Bahrain müssen auf ihr Autorennen verzichten – vielleicht hätten sie doch besser nicht auf ihre Leute schiessen sollen. In Iran, China, Jordanien und Marokko sind die Regimes bisher noch erfolgreich damit, die Aufstände niederzuknüppeln. Wenn die Medienberichte stimmen, dann heisst das Schmiermittel der Revolution Internet. Facebook – das ist diese Netzwerkplattform, vor der wir unsere Kinder warnen und mit der wir jetzt selbst Wahlkampf betreiben – wird von den Menschen im Orient genutzt, um die nächste Revolution zu vereinbaren. In Libyen ist das Internet abgestellt, dafür funktionieren aber anscheinend die Handys noch. Mit denen geht’s auch. „Wir sind das Volk“ skandierten vor gut 10 Jahren die Ossis und fegten Honny weg. Bundeskanzlerin Merkel fand warme Worte, als es darum ging, die Freude über den gelungenen Umsturz in Tunesien zu kommentieren. Inzwischen kommt nicht mehr viel. Als ein westlicher Staatschef vor einigen Jahren den damaligen chinesischen Präsidenten auf die Reisefreiheit ansprach, antwortete ihm dieser mit der Frage, ob er denn bereit wäre, ein paar Millionen Chinesen aufzunehmen? Das Thema war einstweilen erledigt. Diese Geschichte muss Muammar al Ghadafi kennen – wie die EU-Mitglieder auch. Erst vor kurzem feierten die Staatschefs von Frankreich und Italien die Abkommen mit Libyen. Italien konnte das Flüchtlingslager in Lampedusa praktisch schliessen, weil die Libyer für ein paar Silberlinge darauf verzichteten, Flüchtlinge nach Italien ausreisen zu lassen. Die Freundschaft zwischen dem Oberst und den Italienern ist so gut, dass der Stiefel zu 30% mit Öl aus Abessinien versorgt wird – ja, ehemalige Kolonien sind eben noch immer gute Freunde, sagt sich auch Ben Ali und will nach Paris fliegen. Die EU rühmte sich stets, in politischen Fragen mit mehr Kompetenz aufzutreten, als die Amis, die immer gleich die Marines schicken. Doch jetzt ist von gemeinsamer Aussenpolitik nichts zu sehen. Was machen wir, wenn all die Leute aus Afrika und Arabien zu wandern beginnen? In Lampedusa landen schon wieder die Boote. Was kommen da für Gedanken? Hände weg von Diktatoren; Freiheit ist stärker als Unterdrückung – auch in der muslimischen Welt. In der Schweiz sitzen Leute, die bei der Koordination der Revolutionen mithelfen – auch das war schon immer so. Die Verfolgten flüchten dorthin, wo Freiheit und gute Infrastruktur herrschen. Und am Schluss könnte die Personenfreizügigkeit bald zum wichtigsten Thema werden!
Personen haben auf diesen Beitrag kommentiert.
Kommentare anzeigen Hide comments“West-östlicher Diwan”: Ist das noch das alte links-rechts Denken der SVP?
Nord-Süd oder christlich-islamisch passt besser.
Zudem: Abessinien bezeichnet das Gebiet um Äthiopien und nicht Libyen.
Sorry, das war Goethe. Damals gab’s noch keine SVP…
Noch eine Ergänzung @ Herrn Wehrli: Ost-West verkörpert den Gegensatz zwischen Morgenland und Abendland in einer – zugegebenermassen – nicht mehr ganz zeitgenössischen Sprache.
Aussage eines Arbeitskollegen:
“Wenn das so weitergeht bekommt die SVP dieses Jahr 53%!”