1. Gesellschaft

Arroganz der Mütter?

Referenzartikel: Ma­ma­blog, „Die Ar­ro­ganz der Mütter“, 14. April 2010, Bet­tina Weber

Über den Graben zwischen Müttern und kinderlosen Frauen diskutieren macht durchaus Sinn. Dabei ist zu erwähnen, dass Mütter in einer krassen Minderheit sind. 27. % aller Haushalte sind Paare mit Kindern, 5,4% der Haushalte Alleinerziehende. Der Rest ist kinderlos, Tendenz steigend.

Im Artikel von Bettina Weber werden Mütter angeprangert, welche am Samstagnachmittag H&M aufsuchen. Gleichzeitig werden französische Mütter als Vorbild dargestellt. Nach vier Jahren Aufenthalt in Frankreich und nach einem eigenen H&M Muttererlebnis „schreit“ der Artikel geradezu nach einer Replik der Schreibenden.  

Bei Geburt des ersten Sohnes wurde ich ohne Vorwarnung und ohne Vorbereitung von meinem sozialen und beruflichen Welt abgeschnitten. Keine einzige meiner Freundinnen hatte Kinder (ich war 29). Als das Kind da war, setzte neben der grossen Freude auch ein Kulturschock ein. Die erhöhte Wertschätzung, welche einer Mutter früher automatisch zukam, blieb einfach aus. Ich verlor in kurzer Zeit einen Grossteil meiner Freundschaften. Meine Kolleginnen wollten weiterhin ausgehen und kulturelle Abende geniessen. Ich konnte dies nicht mehr. Andere Mütter kannte ich nicht und die Ratschläge von Mutter und Schwiegermutter schienen mit meiner eigenen Realität nicht immer vereinbar zu sein. Die Nachbarn meldeten sich nur, wenn das Schreien des Babys ihre Ruhe störte. Meine Postnatalen Depressionen wurden schlicht nicht zur Kenntnis genommen. So wurde der einfache Gang zum Quartierladen zu einem Hindernis sondergleichen. Entgegen jeglicher Voraussagen nahm ich beim Stillen nicht etwa ab, sondern zu.
Als 20 Kilo Übergewicht erreicht waren, plante ich einen ersten Tagesausflug nach Zürich. Die Zeit war gekommen, um Schwangerschaftskleid​ung gegen normale Klamotten auszutauschen.
Grösstes Problem: Wie kriege ich den Kinderwagen ins Tram? Also suchte ich mir einen Tag aus, an welchem ich a) meinen Mann beim Wickeln noch zu Hause hatte, b) das Kind genügend Milch getrunken hatte, c) ich davon ausgehen konnte, an der Haltestelle in Höngg Hilfe beim Einsteigen zu erhalten und d) keine Stosszeit war, denn wer will schon mit Kinderwagen in ein volles Tram steigen. Zudem wollte ich nur dann gehen, wenn ich nicht allzu müde durch das Stillen während der Nacht war. Der geplante Ausflug fiel zufälligerweise auf einen Samstag.  

Das erste Tram fuhr ohne mich ab, weil niemand half. Beim zweiten Versuch klappte es. An der Bahnhofstrasse angekommen suchte ich tatsächlich H&M auf. Doch schon beim ersten Betreten des Ladens erhielt ich den bissigen Kommentar zugezischt, Hausfrauen hätten am Samstag nichts zu suchen in der Stadt. Dass Samstag war, hatte ich gar nicht bedacht, denn mein Leben verlief nicht in den gewohnten Strukturen. Schlaflose Nächte durch Babygeschrei richten sich nicht nach Wochenstrukturen. Der bissige Kommentar erreichte seine volle Wirkung. Fluchtartig reiste ich zurück nach Höngg. Natürlich schrie das Kind im Tram, denn es hatte Hunger. Die bösen Blicke auf den Kinderwagen überging ich zähneknirschend. Einen zweiten Versuch, Kleider in Zürich – trotz Baby – zu kaufen, gab es nicht.

Mutter sein in der Schweiz hat gegenüber Frankreich einen grossen Vorteil: Unsere Männer sind sehr viel emanzipierter als französische Männer: War eine französische Frau berufstätig – was zwangsweise fast durchwegs der Fall war – konnte sie kaum je mit der Unterstützung ihres Partners im Haushalt rechnen. Haushalt und „Fütterung“ der Kinder gehört dort noch klar in Frauenhand. Dass ein Mann für Gäste kocht und sie auch noch bedient, wurde in Frankreich mit skeptischer Verwunderung wahrgenommen. Französische Mütter sind unheimlich stark gefordert: Sie arbeiten, sie kochen, sie putzen, sie bringen die Kinder ins Bett und bringen sie auch am Morgen wieder in die Schule. Sie betreuen die Gäste, etc.

Ja, die französische Mutter bleibt tatsächlich Frau. Hausfrau und Geschäftsfrau in einem.   

Wenn der Graben zwischen  kinderlosen und Eltern mit Kindern kleiner werden soll – und dies wäre wohl im Interesse aller –, darf das Kind nicht reine Privatsache sein, sondern muss auch durch die erweiterte Gesellschaft getragen werden. Sonst passiert, was ich auch schon erlebt habe: Mein Kind fällt, verletzt sich schwer und die Passanten helfen nicht. Im Gegenteil: Sie fragen, wo ist denn da die Mutter? Ist wohl eine von denen, die ihr Kind vernachlässigt?

Lieb​e Kinderlose. Wir Mütter sind weder egoistisch noch arrogant. Aber wir leben mitten unter Euch, und wir brauchen Euch : -)

Herzliche Grüsse

Barbara Schmid-Federer
Nationa​lrätin / ZH

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Comments to: Arroganz der Mütter?
  • April 21, 2010

    Ich danke für diesen Artikel.

    Erstens, egoistisch und arrogant sind all jene, die die Verantwortung nicht übernehmen, eine Familie zu haben, die, die nicht bereit sind, von ihrem Habe, von ihrer Zeit, von dem, wovon sie denken, dass es ihnen wichtig sei, abzugeben.

    Meine Lieben, die sich nicht um Kinder schären, an jene, die Kinder nur als eine Belastung sehen, und jene, die etwas für die Gesellschaft tun wollen als Egoisten hinstellen. Schauen Sie in den Spiegel!
    Woher kommen all die Gesellschaftlichen Probleme die wir haben? All die Kriminalität, die steigenden Sozialkösten, die ganze Verwirrung von den Aufgaben, Rechten und Pflichten im Staat, in der Gesellschaft und in der Familie, all die Dinge über die gerade Sie sich beklagen!
    Es ist ganz einfach, weil Sie sich nicht um die Erziehung Ihrer Kinder bemühen und jene, die gewillt sind ihren Kindern was zu geben, diese nicht Unterstützen. Mutter zu sein ist das Grösste überhaubt, und jeder Vater hat die PFLICHT die Mutter in ihrer Rolle zu unterstützen. Denken Sie daran, wenn Sie nicht wollen, dass der Schweizer Staat ausstirbt, in die Hände anderer fällt, dann fangen Sie an, Mütter gut zu behandeln, sie in ihren Bestrebungen zu unterstützen.
    Wenn ich einer Mutter keinen Respekt zeigen würde, die alles tut, um ihre Kinder gut zu erziehen, ich würde mich in Grund und Boden schämen. Die Schweiz braucht keine Bürger, die das Erbe verkaufen, die Schweiz muss Ihr wichtigstes Gut schätzen und erhalten. Das ist weder das Ansehen, noch Geld, keine diplomatischen Beziehungen, sondern ehrliche, gute Bürger, die für das einstehen was Recht ist, und nicht das, was von anderen Gefordert wird. Dadurch werden wir alles andere erlangen.

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  • April 22, 2010

    Sehr geehrte Frau Schmid

    Ich stimme Ihren Boebachtungen zu.

    Wir haben drei Kinder, (2 verheiratet mit eigenen Kindern, der Letzte noch bei uns zu Hause) und leben selber in einem sog. kinderfreundlichen Quartier. Kinderfreundlich sind die Nachbarn, sofern von ihnen auch nicht der kleinste Mucks gehört wird. Ab dann ist es mit der Kinderfreundlichkeit vorbei, denn man will ja seine Ruhe haben. Mehrere Familien wurden so schon aus der Siedlung hinausgeekelt. Soviel zur Toleranz.

    Dass Frauen, resp. Mütter, je länger je mehr gleich wie Männer behandelt werden, haben sie sich aber selbst zuzuschreiben. Die Emanzipation (nicht die Gleichberechtigung) hat dazu geführt, dass die Rücksichtnahme auf Frauen immer mehr abnimmt. Wir Männer werden als solche immer mehr verteufelt und damit sozial geschwächt. Rücksichtnahme und Zuvorkommenheit enstehen jedoch nur aus einem Gefühl der Stärke, und dieses Gefühl hat man uns seit Jahrzehnten aberzogen. Wundern Sie sich deshalb nicht über die mangelnde Hilfsbereitschaft (in Ihrem Beitrag das Tram, u.ä.). Ich helfe auch keinem Mann seine Taschen tragen; wenn er falsch organisiert ist, ist das sein Problem. Frauen sind für mich deshalb in sozialer Hinsicht einfach anatomisch anders geformte Männer, und so gehe ich auch mit ihnen um.

    Bezüglich des Kindermangels in der Schweiz mache ich mir keine Sorgen. Wenn wir alle Sans-Papiers, Flüchtlinge usw., welche heute noch Ausländer sind, eingebürgert haben werden, werden wir plötzlich eine Kinderschwemme haben.

    Es ist ja u.a. auch Ihre Partei, welche sich gerne auf Leute einschiesst, welche konservative Werte, wozu auch das Muttersein gehört, vertreten. Deshalb finde ich es ein wenig heuchlerisch von Ihnen, wenn Sie sich jetzt plötzlich über die progressiven Tendenzen in der Gesellschaft entrüsten. Jetzt erfahren Sie einmal am eigenen Leib, was es heisst, Politiker, bzw. Politikerin zu sein, welche nicht in erster Linie das Volk, sondern ihre eigene politische Laufbahn im Auge hat.

    Bei meiner Frau mache ich natürlich eine Ausnahme: Ich ehre und respektiere sie, helfe ihr gerne überall, wo es nötig ist und bemühe mich, ihr ein lieber Partner und galanter Liebhaber zu sein. Denn sie schätzt es, eine Frau, und kein Mann, zu sein.

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  • April 22, 2010

    @Louis Nef
    Besten Dank für Ihre Rückmeldung. Für mich ist und bleibt das oberste Ziel, dass Familien möglichst selbständig entscheiden dürfen und sollen, wie sie die Kinderbetreuung gestalten. Dabei achte ich Frauen, welche Hausfrauen sein können und wollen (war ich selber auch, als die Kinder klein waren), aber auch Mütter, welche arbeiten müssen (davon gibt es immer mehr!) und trotzdem ihr Mutterdasein pflegen und geniessen wollen. Damit liege ich übrigens genau auf der Linie meiner Partei. Wenn Sie glauben, dass die CVP gegen Hausfrauen “schiessen”, dann liegen Sie schlicht und einfach falsch.

    Was das politische Engagement angeht, so war ich bis vor 14 Jahren nicht im Geringsten an Politik interessiert. Das Interesse an der Politik entstand mit meinem Mutterdasein. Ich wollte etwas für Familien tun. Das Sie dies als egoistisch betrachten, bzw. dass Sie glauben, meine Karriere stehe im Vordergrund, tut mir natürlich weh, aber da kann ich wohl nichts dagegen tun.

    Mit bestem Gruss, Barbara Schmid

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  • April 22, 2010

    Und hier noch der Artikel, auf den sich mein Text bezieht:
    Teil I
    Manchmal haben kleine Wörter eine ungeheure Wirkung. Zum Beispiel das Wörtchen «dann». Wenn eine frischgebackene Mutter ihrer kinderlosen Freundin sagt: «Wenn du dann mal selbst ein Kind hast . . .» Ganz so, wie man zu einem Knirps sagt: «Wenn du dann mal gross bist . . .», weil davon auszugehen ist, dass er das eines Tages werden wird. Da gerät die Freundin ins Sinnieren. Denn das Wörtchen «dann» suggeriert: Irgendwann hat eine Frau einfach Kinder zu bekommen.

    Es ist ein kleines Wort, aber es ist ein sehr vielsagendes Wort. Es sagt etwas aus über das Denken von Müttern. Es zeigt ihre Arroganz auf, vor allem kinderlosen Frauen Mitte 30 gegenüber. Mütter werten nämlich. Sie gehen nicht nur davon aus, dass sie der Normalfall sind, der Standard. Sie gehen, und das ist die Arroganz darin, davon aus, dass sie es besser machen, dass sie das richtigere Leben führen. Dass das Leben vor dem Nachwuchs nur die Übungsanlage ist und Frauen ohne Kinder in einer Art Provisorium leben, unfertig sind.

    Das erklärt auch, weshalb Mütter kinderlose Frauen ungeniert und bisweilen am ersten Arbeitstag in der Kaffeepause fragen, weshalb sie keine Kinder hätten. Sie denken in ihrer Arroganz nicht daran, dass diese Frage verdammt heikel ist. Zum einen weil sie äusserst persönlich ist und es die Höflichkeit verbietet, derart intime Fragen zu stellen. Und zum anderen weil die Gründe zahlreich sein können. Vielleicht hätte die Frau gerne Kinder, aber sie kann keine bekommen. Vielleicht hat sie gerade eines verloren. Vielleicht hat sie eine Trennung hinter sich, und die Kinderfrage hat sich für den Moment erledigt. Vielleicht hört sie sehr laut ihre biologische Uhr ticken, aber es ist kein tauglicher Vaterkandidat in Sicht. Vielleicht hat sie sich noch nicht entschieden. Und vielleicht möchte sie gar keine haben, weil sie sich durchaus ein erfülltes Leben ohne Kinder vorstellen kann. Auf jeden Fall möchte sie darüber keine Auskunft geben. Aber Mütter sehen die Dinge anders, sie sehen die Welt nur noch aus einem Blickwinkel: dem der Mutter.

    So ab 30 fängt er sich langsam an zu bilden, der Graben zwischen den Frauen, und es ist ein Graben zwischen Kinderlosen und Müttern. Wobei die Kinderlosen einfach ihr Leben weiterleben. Die Mütter aber, die beginnen zu werten. Stellen kinderlose Frauen wahlweise als egoistisch oder verantwortungslos oder unreif hin. Das äussert sich in spitzen Bemerkungen wie: «Du gehst immer noch aus? Ach, das habe ich halt hinter mir.» Oder: «Ich kann es mir nicht mehr leisten, einfach so in den Tag hineinzuleben.» Oder: «Ich dachte auch mal, der Beruf alleine würde mich erfüllen.»

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  • April 22, 2010

    Teil II
    Da ist, neben der beiläufigen und mitunter gezielten Herabsetzung der Kinderlosen, wohl auch Neid herauszuhören auf deren Freiheit und Unabhängigkeit. Kinderlose Frauen aber werten Mütter nicht. Sie haben Respekt vor deren durchorganisiertem Alltag, wenn sie von der Sitzung in die Krippe und dann zum Einkaufen und zum Elternabend rennen, und hören sich geduldig die Geschichten über das Wickeln und Stillen und Rückbildungsturnen an und lächeln und nicken und langweilen sich dabei, ganz so, wie sich früher die Mütter, als sie noch kinderlos waren, ebenfalls gelangweilt haben bei solchen Geschichten.
    Mütter werten auch insofern, als sie kinderlose Frauen suspekt finden. Mütter sind überzeugt, dass jede Frau Kinder möchte. Und dass die, die keine haben, entweder todunglücklich, weil nicht vollkommen, oder aber, wenn selbst gewählt, letzten Endes eben doch frustriert sind. Kein Mann würde es wagen, eine solche Aussage zu machen; Mütter stellen sie ungerührt in den Raum, und das ist doppelt irritierend, weil doch die Emanzipation einst mit dem Ziel angetreten war, dass Frauen die Wahl haben sollten, und eben niemand mehr über diese zu urteilen habe.

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  • April 22, 2010

    Sehr geehrte Frau Schmid.

    Folgenden Artikel habe ich unter

    http://de.news.yahoo.com/34/20100421/twl-junge-mutter-in-strassenbahn-beraubt-6ae0455.html

    gefunden:

    Schönes Beispiel, wie wenig Respekt vor den Müttern in der Gesellschaft noch da ist!

    “Junge Mutter in Straßenbahn beraubt – niemand half

    Gestern, 17:55 Uhr
    Yahoo! Nachrichten

    Ludw​igshafen (dpa) – Vor den Augen anderer Fahrgäste ist eine Mutter mit Säugling auf dem Arm in einer Ludwigshafener Straßenbahn beraubt worden. Die Täter gingen die 30-Jährige, die einen Kinderwagen schob, am Mittwochmittag an, als sie gerade aus der Bahn aussteigen wollte. Nach Mitteilung der Polizei riss einer der 25 bis 30 Jahre alten Männer ihre Hand vom Kinderwagengriff, während der Zweite ihren über dem Griff hängenden Rucksack samt Inhalt schnappte. Diesen Artikel weiter lesen

    “Obwohl die Mutter um Hilfe rief und den Kinderwagen in der Tür der Straßenbahn stehen ließ, um die Weiterfahrt zu verhindern, schritt keiner der Fahrgäste ein”, hieß es im Polizeibericht. Die in der Bahn stehenden Täter traten gegen den Kinderwagen, so dass dieser auf die Straße stürzte, die Tür sich schloss und die Bahn mit ihnen weiterfuhr. Der Fahrer gab laut Polizei an, dass er von dem Vorfall nichts bemerkt habe. Die 30-Jährige rief per Handy die Polizei. Die Fahndung blieb zunächst ohne Erfolg. In dem Rucksack hatten sich Säuglingskleidung, Windeln und Ausweispapiere befunden.”

    Beste Grüsse

    Peter Müller

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  • April 23, 2010

    Teil III
    Aber Mütter fühlen sich moralisch überlegen, im Recht, und sie erwarten permanentes Verständnis für das Leben, das sie gewählt haben, weil es ja eben das richtigere ist. Zum Beispiel, dass sie Vorrang haben, wenn es im Büro um die Ferienplanung geht. Sie können schliesslich nur während der Schulferien, die Kinderlosen sollen sich da anpassen, denn die sind ja flexibel. Oder wenn sie mitsamt Kinderwagen am Samstagnachmittag im ohnehin engen und überfüllten H & M einkaufen gehen. Oder mit den sperrigen Wagen Bars und Cafés annektieren, wo Kinder eigentlich nichts zu suchen haben, und mit bösem Blick den Zigarettenrauch wegwedeln. Und wer sich dann anmasst, sich über herumrennende, brüllende, ja einfach nervende und schlecht erzogene Racker zu ärgern, der bekommt zu hören: Du hast wohl keine Kinder?
    Dieses Mutterkreuz-Gehabe ist das Gegenteil dessen, was Mütter so gerne für sich in Anspruch nehmen: Es ist kleinherzig. Man wünschte sich hierzulande etwas entspanntere Mütter. Man wünschte sich Mütter, die französisch denken. In Frankreich nämlich, so erklärte unlängst die Feministin und Philosophin Élisabeth Badinter, dem Land also, das europaweit den höchsten Anteil Kind-pro-Frau sowie den höchsten Anteil an berufstätigen Müttern hat, bleibt auch eine mehrfache Mutter immer und in erster Linie: Frau.
    Bettina Weber ist Gesellschaftsredaktor​in des Tages-Anzeigers. Sie ist kinderlos und lebt in Zürich.

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  • Juli 18, 2010

    Guten Tag Frau Schmid Federer

    Besten Dank für Ihren Bericht, Sie bringen es auf den Punkt! Den unter anderem im „Mamablog“ auf http://www.tagesanzeiger.ch erschienenen provokativen Artikel von Bettina Weber sowie die zum Teil sehr kinder- und familienfeindlichen Kommentare einiger Leser und leider auch Leserinnen habe ich als zweifache Mutter mit grossem Befremden und Kopfschütteln gelesen.

    Die Bemerkung, dass Bettina Weber, die Autorin von „Die Arroganz der Mütter, kinderlos ist, wäre nicht nötig gewesen. Man merkt es auch so… Sie scheint (momentan) ziemlich frustriert zu sein. Ob neben Frust wohl auch ein wenig Neid dahinter steckt?

    Ich verstehe diese Diskussion „Mütter gegen Kinderlose“ überhaupt nicht! Es soll doch jede/jeder das Leben leben dürfen, was ihm/ihr am besten behagt – und fertig. Wo liegt das Problem? Ich habe einfach grosse Mühe, wenn pauschalisiert und alle und jeder in ein und denselben Topf geworfen werden. So wie es bei den Müttern arrogante Menschen gibt so gibt es sie bei den Kinderlosen.

    Ja, ich bin Mami zweier Kleinkinder im Alter von 3 und 1,5 Jahren und stolz, glücklich und dankbar. Ja, ich stehe zu diesen Gefühlen, zeige sie und rede auch gerne darüber. Mich und andere Mütter deswegen als arrogant zu bezeichnen ist eine Frechheit – und arrogant! Die Kinder gehören nun mal zu meinem Alltag, zu meinem Leben – ja sie bestimmen es und bilden den eigentlichen Mittelpunkt! Das ist nun einmal so und wird noch lange so bleiben. Was bitte soll daran nun so schlecht sein?! Die Kinder lassen sich nun mal nicht einfach so wegzappen, nur weil sie jemandem nicht in den Kram passen.

    Zum Glück ist mein Umfeld, bestehend aus Kinderlosen und Eltern, sehr kinderfreundlich. Zusammen mit den Kindern bin ich gerne gesehen. Meine Freunde, Bekannten und Kollegen interessieren und fragen gerne nach dem Nachwuchs. Dementsprechend darf ich ohne Hemmungen über die Kleinen und die damit verbundenen Freuden und Sorgen sprechen. Und so wie mir zugehört wird, so interessiere ich mich andererseits für die Belange und die Nöten der Kinderlosen, wenn sie mir ihre Probleme mit dem Job, Stress mit dem Chef etc. erzählen. Es ist mir wichtig, auch die Kontakte zu Kinderlosen aufrecht zu erhalten. Schliesslich waren ihre Sorgen einst auch meine. Es ist zwar nicht mehr möglich sich so spontan und regelmässig zu treffen. Hauptsache ist doch, dass man dafür Verständnis hat, sich noch sieht und die Kontakte nicht abbrechen lässt! Man muss halt ein wenig flexibel sein 😉

    Natürlich diskutiere ich mit Kinderlosen nicht zwingend dieselben Probleme wie mit Gleichgesinnten und Betroffenen. Ob mein Ältester nun zweimal am Tag aufs Töpfchen geht interessiert so wenig wie ob die Jüngste durchgeschlafen hat oder nicht ;-). Dies alles ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes, nicht mehr und nicht weniger… Zudem bombardiere ich meine Gegenüber nicht bei der erstbesten Gelegenheit ungefragt mit den neusten Schnappschüssen der Jungmannschaft und halte meinen Freunden das Fotoalbum unter die Nase ;-).

    Obwohl die Kids mein Leben bestimmen, sind sie nicht das einzige. Auch ich geniesse mal einen Abend ohne Kids, freue mich jede Woche auf den einen Arbeitstag. Auch mir tuts gut, ab und zu über anderes zu sprechen als Windel, Schoppen, Kinderkrankheiten etc. Als vielseitig Interessierte kommen bei mir auch Themen zu Politik, Sport etc. nicht zu kurz.

    In einem Punkt pflichte ich Frau Weber jedoch bei. Nichts ist, vor allem für Kinderlose mit unerfülltem Kinderwunsch, schmerzlicher als die nervige Fragerei nach dem „wann und obs denn jetzt endlich soweit sei“. Mir käme es jedenfalls nicht in den Sinn, auch gute Freundinnen, mit diesen Fragen zu belästigen. Schliesslich weiss man ja selten wieso es nicht klappt mit dem Nachwuchs. Ich spreche da auch aus eigener Erfahrung, gehöre ich doch mit knapp 35 beim ersten und gut 36 beim zweiten Kind eher zu den Spätgebärenden. Auch mir gingen diese Fragen mit der Zeit auf den „Wecker“. Es gelang mir jedoch, darüber zu stehen und mir ein dickes Fell zuzulegen. So gab ich meistens nur trocken zur Antwort: „Ihr erfahrt es schon noch, wenn so weit sein sollte“. Mit dieser Taktik hatte ich mehr oder weniger Erfolg.

    So ist mein Motto dann auch: Leben und leben lassen – mehr Mit- und Füreinander statt Gegeneinander! Mit ein wenig mehr Toleranz, ein bisschen mehr Rücksicht, etwas mehr Respekt, einer Handvoll mehr gesundem Menschenverstand, einer Prise mehr Gelassenheit und einer Portion mehr Lockerheit auf Seiten der Eltern UND der Kinderlosen – und das Leben mit und ohne Kinder kann friedlich, spannend und erfüllend sein 🙂

    Andrea Mordasini, Bern

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